Fred Frith / Stevie Wishart / Carla Kihlstedt
THE COMPASS, LOG AND LEAD
Fred Frith: ac. Git, lowry organ, violin on 4 / Stevie Wishart: hurdy-gurdy, electronics, violin on 4 / Carla Kihlstedt: violin, nyckelharpa
12 Tracks
Aufnahme: Improvisiert im Oktober 2003 im New Improved Recording, Oakland
Mastering and final edit: Headless Buddha, Oakland, Mai 2004 und Januar 2005 von Myles Boisen
Executive Production: Fredi Bosshard & Patrik Landolt
Spieldauer: 43:30
Intakt
****1/2
Mehrere Dinge sind bedeutsam an dieser unspektakulär grandiosen Platte: das weibliche Übergewicht dieses Trios – das muss man nicht, kann man aber, speziell in Zeiten von immer noch grassierenden penetranten Improv-Männerbünden -, betonen, dann die vielleicht daraus resultierende filigrane Klarheit, mit der dieser unprätentiöse und erdig-luftige ImprovFolk aufspielt, und auch die herrliche Gewissheit, mit der hier deutlich gemacht wird, dass Zuhören möglich ist. Kihlstedts Violine und Nyckelharpa, Stevie Wisharts Drehleier – niemand spielt die Hurdy-Gurdy so modern und zeitgemäss offen wie die Australierin -, und Friths grandiose offene und grenzüberschreitende Avant-Folk-Idiome, die an mitunter an Schritte erinnern, die Frith schon zu Step-across-the-Border-Zeiten ging, lassen diese Musik zu einem Fest der beseelten Klarheit und des logischen Impressionismus werden. Die 12 Stücke, das längste ist über fünf Minuten, sind rein improvisiert. Der Grundgestus dieser Musik ist fragil, ruhig und klar, trotzdem entspringt ihr der Geist von etwas Melancholischem, Unruhigem und Nomadisierendem. Einmal kracht und rumpelt es in einem Stück – es heisst bezeichnenderweise „I am Map“ -, als ob jemand an die Tür schlägt, ein Poltergeist, oder ein Wachgeist, der einen zum Weiterziehen auffordert. Das Zuhören halluziniert antiquierte maschinelle Reisegeräusche. Verlangsamung bei gleichzeitigem Vorwärtskommen mit stetigem Blick auf die Horizonte. Der Blick des offenen Gehörs ist auf Alltagsobjekte wie auf Transzendentales gerichtet, auf Hundeohren und Buffalo Bill, auf Himmel und Erde, auf Zeit und auf Traum. Ein Kompass kennt keine Grenzen, nur Richtungen. Die aber müssen gewählt werden. Das kongeniale Zusammenspiel und nicht zuletzt das gegenseitige Zuhören dieser GrenzgängerInnen fordert zum Innehalten und Weiterziehen auf.
(Jazzthetik)