Catpower

The Covers Record

IMMER NOCH EINE KLEINE KÖNIGIN – UND IRGENDWIE AUCH DER BOSS.

Von Marcus Maida

Köln, Hotelzimmer: Chan Marshall verkriecht sich in ihrer Bettdecke, nur der Kopf guckt oben raus. Der Frager darf sich aufs Laken setzen. „Sie ist verrückt“, sagen mir Leute von ihrer Plattenfirma. Acho wo. Normal durchgeknallt bisweilen, aber meistens strahlt sie doch von Innen. Nur wenn ihr etwas nicht gefällt, wie dumme deutsche Mixer, die ihre starke, aber fragile Stimme live auf der Bühne aus Unsensibilität in den Monitorboxen versenken, verbirgt sie sich verletzt und störrisch hinter einem hellbraunen Wall Of Hair. Aber was soll sein? Chan ist eine kleine Königin, sie darf und kann alles, aber weiss sie das eigentlich selbst?

Wenn Du ihren Gesang lobst, der auf ihrem neuen Album „The Covers Record“ erhaben über allen technologischen Innovationen dieser Welt zu stehen scheint, sagt sie bescheiden: „So kann jeder singen. Ich singe nicht wirklich. Es sehr einfach, nichts besonderes.“ Drei Sätze, in denen sich ihr Weltbild und ihr Gesang, der unprätentiös ins motorische Zentrum der Seele trifft, finden lässt. Man könnte die Platte für eine konsequente Essenz des letzten Albums „Moon Pix“ halten, denn ausser auf „Salty Dog“, wo Matt Sweeney von „Chavez“ mitspielt, ist Chan wirklich ganz alleine mit Gitarre und Piano. Sie wollte und musste mal alleine sein mit den Songs. „Es ist nicht so, dass ich der Boss bin, aber im Grunde (stockt) … bin ich es doch“, seufzt sie.

Die Platte ist kein normales Cover-Album, keine gewöhnliche Ansammlung von Lieblingsliedern oder eine konzeptionelle Dekonstruktion. Vielmehr sammelten sich die Songs einfach an oder wurden völlig spontan eingespielt, wie z.B. das von Dylan bekannte Traditional „Paths Of Glory“, das sie einfach so in die Tasten haute, als sie ihr neues altes Piano bekam. „Hätte ich mir nie vorstellen können, das zu singen. Es gibt nie ein Konzept, auch beim Songschreiben nicht. Das wäre unmöglich.“ Was ist mit diesem Song namens „Satisfaction“ (Ihr kennt ihn?). „Na, das war der Favorit meiner Eltern, das ist der Bezug. Ich wollte ihn mal hören, aber das Tape lag im Auto, so schrammelte ich rythmisch rum, und auf einmal war es da.“ Klar, dass Chan diese Covervisionen in ihrer ureigenen Catpower-Sprache singt. „Wild is the Wind“ von Nina Simone, „Naked if I want to“ von Moby Grape, „I Found A Reason“ von den Velvets und „Red Apples“ vom verehrten Bill Callahan aka Smog sind noch einige der Krondiamanten, aber auch zwei Songs des eher unkannten Songwriters Michael Hurley. „Er ist über 60 und kommt aus den Appalachen. Sieht aus wie Willie Nelson, langes weisses Haar. Ich sah in mal live in New York und … uhhh (verdreht die Augen)! Die Platte, die ich so liebe, heißt ‚Armchair Boogie‘. Ich habe sie nur auf Tape, Sammler zahlen gerne 500 $ dafür.“

Vier der Songs wurden bereits vor 1 ½ Jahren in Manhattan oder im „Rare Book Room“-Studio in Brooklyn, wo auch die „Silver Jews“ gerne einkehren, aufgenommen, der Rest in den „Night Owl Studios“ im November letzten Jahres. Für ihr nächstes Album wünscht sich Chan jetzt die Begleitung von „Blues Explosion“’s Judah Bauer und von John Fahey, der ihr nach einem Konzert sagte, sie sei eine „sehr talentierte junge Frau“. Aber vorher wird sie mit ihrer Gitarre und ihrem Freund in einem kleinen Auto durch die USA touren. „Wirklich nur ich und er. Es ist so anders, wenn Du mit jemand unterwegs bist, den Du liebst, oder?“
Chan Marshall. Still no computer. Still a little queenie. Still the boss.

(Rolling Stone)

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