PLAYS ALBERT AYLER
Cello: Anka Hirsch
Bearbeitung und Editierung: Ekkehard Ehlers
Titelanzahl: 2
Spieldauer: 21:33
Linernotes: Diedrich Diederichsen
Staubgold (info@staubgold.com)
*** 1/2*
„Plays Albert Ayler“, was für ein lächerlich-genialer Titel, nahezu dem legendären „20 Jazz Funk Greats“ von Throbbiung Gristle verwandt. Aber wir haben es hier nicht mit einer Helge-Schneider (god bless him) -Version zu tun. Ehlers geht innerhalb von zwei Stücken auf dieser schönen Platte mit der Musik von Ayler natürlich und völlig richtig komplett anders um, wie man es hier erwarten könnte – also eben nicht plakativ erruptiv. Wohlwissend, dass eine „Tribute to“-mässige Coverversion der Musik des Freeformpioniers aus Cleveland in der Palette von völlig sinnlos bis super lächerlich bis total unmöglich changieren würde, vermeidet er explizit jeglichen codiert-radikalen expressiven Gestus – und dies wäre schliesslich auch purster 60er Jahre-Free-Jazz-Retrofilm in einer postpopmodernen Zitathölle. Ok, es muss schon der mühevolle Versuch einer Transformation sein, oder auch einer sanften Verdrehung. Das Material besteht zu 100% aus dem Cellospiel Anka Hirschs. Aus einer eineinhalbstündigen Session, – die Originalaufnahmen werden demnächst auf Orchestrion Schallfolien veröffentlicht -, in der Ehlers ihr Anweisungen gab, die in der Hauptsache Emotionalitäten in ihrem freiem Spiel aufbauen sollten, editierte er später durch Zerlegung, Modifikation und Transposition diese relativ peripher und unspektakulär daherkommende Musik, die vielmehr sanft kratzend im Hörzimmer vibriert als – „truth is marching in“ – vehement spirituelle statements im sozialen Raum anhäuft. „In erster Linie ging es um eine Zärtlichkeit der Referenz“, so Ehlers, der Ayler das erstemal mit 16 hörte und dem es daraufhin, wie so vielen, erschien, als hätte er Musik überhaupt zum erstenmal gehört. Schon auf seinem „Autopoesies“-Projekt (Auf Mille Plateaux und Ritornell, unter dem Projekt „Auch“ zudem auf Force Inc) arbeitete er mit Ayler-Samples. Das „erruptive“ dieser Musik, behauptet Ehlers, ist augenscheinlich, aber in ihren Tiefen liegt seiner Ansicht nach eine untröstliche Verstimmung. Diese Verlorenheit versucht Ehlers durch seine Bearbeitung der Ayler’schen Musik zu interpretieren. Jegliche impulsive Abstraktion, besonders von Aylers Drummer Sunny Murray praktiziert, fehlt dieser Musik, deren grundlegende Thematik in dem Umgang der digitalen Kunst mit überkomplexen Emotionalitäten liegt. Weitere Beispiele dieses auf insgesamt 5 Teile konzeptionierten Projekts bilden Arbeiten über Cassavetes, Hubert Fichte, Robert Johnson und Cornelius Cardew. Erschienen ist diese Mini-LP auf dem bemerkenswertem Kölner „Staubgold“-Label, das sich mittlerweile durch 19 Releases als eine hochinteressante Schnittstelle aus elektroakustischem Klanggrenzgängertum und popularelektronischer Experimentalfolklore – u.a. das famose Grönland-Orchester – profiliert hat. Demnächst mehr zu diesem Komplex.
(Jazzthetik)