diese pille
„Und wie in diesem Moment, mit jedem Schlag und Herzschlag mehr, mit jedem Lungenzug, mit jedem Atem-ja und -nein, mit jedem Puls und Lidschlag und mit jedem Schritt noch immer mehr, mit einem Mal und wie in Zeitlupe rapide explodierend, diese Pille mit sagenhafter Macht zu wirken begonnen hatte.“ (Rave)
„Diese Pille ist der Hit / wann kriegt Ihr das endlich mit / diese Pille müssta koofen / es ist ne Pille für die Doofen“ (Alter Love-Parade-Gesang)
Rainald ist wieder da. Wer hat ihn wirklich vermisst? Aufstehen. Und hat wirklich jemand auf ihn gewartet? Weiterschnarchen. Rainald unser Superheld der niemals nie die Schnauze hält. Und was ist das nun schon wieder für eine neue Mutation, die uns da aus „Rave“, dem tollkühnen neuen Buch von Rainald Goetz anspringt & uns was erzählt? Ist es wirklich der Dichter selber? Uaaah, wat ne Frage. Hat er sich endlich ein, sein neues Leben geschaffen, sich in der „Raving Society“ – Wuhuuu! – nochmal neu erfunden? Na aber hallo. Und kann man als Schreiber so kapott sein, fragte mich eine frivol-ironisch Besorgte? Klar, Alte, muss, verstehst, sonst glaubstsdirjaselbanichey. Ihr Anderen: Halt, Stop! Nicht weglaufen! Nicht einschlafen! Nicht umschalten! Diesmal ist wirklich alles anders: keine lonely 80er Jahre-Stirnschnitte vor ausgewählten Literaturaddicts – long ago & far away, kein Rumgepoltere & Getöse von wegen der rasende Rainald wütet heuer wieder im Feuilleton rum, keine kurzgeschnittene Terrorlogik im abstract RMX mit im nassen Gras rumkriechender nihilistisch-kantianischer Privatwortguerilla, keine superfetten Mediengeplappermitschnitte von Pappa Alles Super Wichtig ey, – dieses Buch, oh meine Brüder & Schwestern, handelt von UNS – UNSERER MUSIK – UNSEREM Leben – our Techno-World….(längere, fast schon als peinlich zu bezeichnende Pause)…ok…ok…klar…stimmt alles nicht. Ist alles gelogen. Logisch it’s again die Welt according to Rainald Goetz. Und sorry auch für den dummen Einstieg. & überhaupt meine Wortwahl. Ich schäme mich zutiefst. Doch hier geht’s nun mal um Drogen, auch, es geht um Musik, um Mädchen…und viiiiiieeeeeel Lebensgefühl. & goetzschen Fuzzelklamauk. Klingt doch alles unheimlich neu, sexy & aufregend, oder?…& es geht um Anki, Helli, Sassy, Susi, Nilly, Kathi, Silvie, Claudi, Jenny & Änni & es geht um x & y & Variable minus unendlich & es geht um –
uff. Vergessen. Aber es war einmal eine Zeit, da gab es eine Idee von –
BACK IN THE BASEMENT
„Ich stelle mich ausserhalb, doch wenn ich über mich nachdenke, finde ich mich mittendrin. Ich, diese Masse, die schweigende Mehrheit spricht“. Guten Tag, wer sitzt denn da so nachdenklich in der Unicafete & liest Celan? Es ist Rainald, noch völlig unbeleckt von Rave-Spirit, Drogen und Pop. Nur Politik, da scheint es in ihm zu gären. Unzufriedenheit, Nowhere, Boredom, Hier, Jetzt. Wir sind 20 years ago, mitten in „Der macht seinen Weg“, einem kleinen Text von Goetz aus dem Kursbuch 54 / 1978, einem der frühest-greifbaren Texte von ihm. Goetz beschreibt sein unauffälliges Studentendasein und reflektiert seine allgemeine Position im Leben, einem Leben, das ihm so nicht gefällt. Er zieht sein „graues, pflichtbewusstes, nirgend engagiertes Studium der Geschichte“ durch, steht ausserhalb der Anderen & ist doch nicht zufrieden damit, ganz klar erkennt er den „Stolz des Einzelgängers, diese unwirkliche Attitüde“. Schon in der Schule verkörperte er „die paradoxe Haltung, Einzelgänger und Mitläufer in einer Person zu sein“. Durch Überfüllung der Anforderungen versucht er sich, eine Art Narrenfreiheit zu sichern: „Erst viel später merke ich, wie unvermeidlich eine nur für äusserlich gehaltene Anpassung eine Anpassung auch des Denkens zu werden droht“. Er memoriert eine abgelehnte Bewerbung als nebenamtliche Geschichtslehrkraft an seiner ehemaligen Schule, die wegen „politischer“ Bedenken erfolgte, obgleich die Begründung eine andere, unverfänglichere war. „Haben solche Erfahrungen irgendeinen Punkt, an dem sie das nur Private überschreiten und exemplarisch werden für ein Klima, für eine gesellschaftliche Tendenz“, fragt Goetz, wie um eine Rechtfertigung für diese privatistischen Einblicke in seinen Werdegang zu suchen. Tatsache ist, dass ihm derartige Erfahrungen, die einem politisch etwas auf den Punkt bringen, nun zu fehlen scheinen. Aber auch auf der Seite der sich als politisch aufgeklärt gebenden und progressiv empfindenden Zeitgenossen registriert er subtile Prozesse der Anpassung. Auf einer Party tritt eine geschlossene Marxisten-Gruppe auf, deren Chef mit schwarzem Franzosenkäppi und dicker langer Zigarre seine Jünger einqualmt: „ein Spielzeugrevolutionär, so gewollt & übertrieben echt“. Die Kommentare dieses Chefs sind überheblich-lächelnd & knapp gehalten – „Ist solche Rede überhaupt noch eine politische Position, oder nur ein wohlig erlebter Anpassungs- & Gruppenprozess?“ fragt sich der Aussenseiter. Sein eigenes angepasstes Doppelstudium der Geschichte und Medizin indes gibt er nicht auf: „das ist die Feigheit, die Anpassung“. Vom medizinischen Institut flieht er in althistorische Vorlesungen, & von dort in die Literatur & ins Schreiben: „Was mache ich eigentlich wirklich? Das einzige, was ich mache & ernst meine, ist Schreiben. Alles andere nebenher. Aber diese Flucht bleibt ohne Konsequenzen“. Als althistorischer Assistent bekommt er mehrmals sein Petrus-Erlebnis: „Halte den Mund, wo ich mich bekennen müsste“. Verlangt wird von ihm ein althistorisches Grundwissen, über das er nicht verfügt, & eine konservative politische Überzeugung, die er nicht hat. In einer Pariser Dachmansarde arbeitet er an seiner althistorischen Dissertation, just zu dem Zeitpunkt, wo in der BRD die Sympathisantenhatz in vollem Gange ist. Er verschlingt die Berichterstattung der linken französischen Zeitungen und durchstösst plötzlich den Ekel vor den früher als denkfeindlich abgelehnten politischen Begriffen eines revolutionären Vokabulars, vielmehr ekelt ihm vor der an Propagandaberichterstattung gemahnenden Rundfunksprache des Staates, „der kriegerischen Hysterie: ein politisches Klima, das einem den Atem nimmt“. Ein Brief einer ehemaligen Lehrerein, die biedere konkrete politische arbeit in der SPD fordert, wird eine Enttäuschung: „Als ob es nicht gerade diese Alternativlosigkeit wäre, die uns an systemimmanten Lösungen radikalzweifeln lässt“. Der politische Wahnsinn des Terrors verliert, so Goetz, „angesichts des staatlichen Wahnsinns der Reaktion viel von seinem scheusslichen Gesicht“. Die Folge dieser durch Medien- und Gedankenprozesse angeregten Selbstpolitisierung ist, dass ihm „die Politik mit einem Schlag ins Herz rutscht: das bin ich selbst, der da betroffen ist“. & er berichtet wieder von einem persönlichem Erlebnis, seiner Inhaftierung für eine halbe Nacht in einem französischem Gefängnis nach einer Demonstration, „voll ohnmächtiger Wut, Verzweiflung“, und dem Erleben eines bislang völlig unbekannten Solidaritätsgefühls: „das gemeinsame panische Davonlaufen vor dem beissenden Nebel der Tränengasbomben, vor den Knüppeln der Polizei“, & er scheut das Pathos nicht, wünscht sich angesichts dieses Pariser Herbsts, von dem er den deutschen Herbst 1977 aus der Distanz beobachten konnte, „dass meine Worte mehr sein könnten als nur immer wieder Worte“. Ein erst wenige Tage altes Erlebnis einer brutalen Polizeikontrolle fügt sich in dieses Bild ein: „Sind das keine politischen Erfahrungen?…Wie dem auch sei: Solche Erlebnisse bringen einen auf den Weg.“ Goetz bespiegelt hier sein soziales und mentales werden, sein stetes Leiden am Anders-Sein, seinen Neid auf normalste Protagonisten seines Alltags, so auf scheinbar unbefangen und selbstverständlich in einer Kneipe agierende Studenten, während er isoliert sein Bier schluckt: „…und ich weiss, dass ich nie dazugehören werde, dieses kollektiv-behäbig-gemütliche Leben nie werde leben können“. Die eigens an sich selbst festgestellten Eigenschaften wider die Anpassung erschrecken den Autor indes erst recht: es dränge sich das Missverständnis einer Pseudopposition auf, eines kritischen Rationalismus, „der von überall herkommt und nirgendwo steht…jene aalglatte Liberalität der Einerseits-Andereseits-Propheten, ohne eigene Interessen, ohne eigene Position“, Doch dieses mögliche Bild ist für Goetz nur Ausdruck eines Missverständnisses, welches nur bei Leuten aufkommen kann, die ihre Existenz auf die gewünschte Starrheit von Ansichten gründen meinen zu müssen, Goetz ist dieses Missverständnis ein in der Zeit befangenes, er nimmt es als Anknüpfungspunkt für eine programmatische Distanzierung davon: „Nichts hindert mich, die Überzeugung, die ich heute habe, mit aller Emphase zu vertreten und mich doch offen zu halten für die Erschütterungen dieser Überzeugung, denen ich schon morgen begegnen könnte. Weg von der Statik der eigenen Positionen, weg auch von der höheren Warte, die durch die Einbeziehung aller Fürs & Widers scheinbar sich ergibt. Auf dem Weg sein, mit klarem Bewusstsein davon, wo man herkommt, wohin man will, die eigenen Befangenheiten und Beschränkungen kennen: und doch mit aller Kraft, aller Verstandeskraft, heute dagegen sein: und ohne Feigheit, morgen, wenn es das Denken unausweichbar macht, vielleicht dafür sein“.
Dieser wie ein Aufbruch anmutende Geistes- & Lebensentwurf führt jedoch am Ende dieses Textes wieder zurück zu den ureigenen Vorraussetzungen, der konkret gelebten Lebenslage: „Ich habe den mir anerzogenen Weg gewählt, das Medizinstudium also, ein geordnetes, höchst braves Privatleben, ohne Alkohol, ohne Drogen, ganz ohne Studenten-Bohème“. Bewusst relativiert Goetz seinen eben vorgeführten revolutionären Aufbruchs- und Ausbruchsversuch und führt sich selber wieder in die eigene Privatzelle seiner Existenz ab. Der brennende Eifer des aktiven Denkens und das Bewusstsein des fortwährenden Widerstands, auch gegen einen selber, werden am Ende geschluckt von diesem sowohl fremdbestimmten als auch selbstgewähltem Weg der Anpassung. Das Aussenleben verdeckt, wie so oft, alle inneren Widersprüche und die Wünsche nach Aufbegehren, Handlung, Tat, eigenstem, selbstbestimmten Leben und eigenster Art. „Ich werde das Soll erfüllen“, so schliesst der Text, „Ausbrüche, Einbrüche, Abbrüche, nein Brüche irgendeiner Art, sichtbar nach Aussen, erwarte ich nicht. Die Erwachsenen werden mir wieder anerkennend auf die Schulter klopfen, der macht seinen Weg.“
UP IN THE LOUNGE
dingens
ä
noch ein?
unbedingt
wie sagtest du eben so völlig richtig?
vielleicht sollten wir allenoch ein bisschen Kokain
schnupfen
schön einatmen: fff fff fffff
hm
das tut gut
Verstörung
brutalste Verstörung
brutalste Verstörung
extrem geil
noch?
klar
bisschen noch weitermachen?
auf jeden
So geht ein schöner, langer Sommertag zuende.
(Rave)
SOME HIS STORY
Zwischen den Texten geschehen bekanntlich noch so einige Sachen.
Andere Texte, zum Beispiel.
Das Schreiben von Rainald Goetz zielte stets darauf ab, sich ein neues Leben zu erschaffen. Schön für ihn das, wirklich. Aber: bleibt da was auf der Strecke liegen? Heben wir das auf? Ist’s brutal verschimmelt, Bruder? & nervt uns das? Wenn es um das Schreiben von Goetz geht, ist „Vitalismus“ das am häufigsten gebrauchte Klischee: Leben, Leute, leben! Denn das hat halt immer recht. Klopp deine Gesamtausgaben, Zeugen für ein falsches Leben, in die Tonne & hör dem Büdchensteher zu, vergiss deine schlauen geschmackssicheren Kulturdistinktionen & hör verdammt dem DJ zu (bzw TANZ!), vergiss dein dich durch Zweifel, Ungewiss- & Ungenauigkeit peinigendes Denken & hör der Wirkung der Droge zu. Tanzende Körper enthalten mehr Wahrheit als jeglicher kultureller Ausdruck & Politik überhaupt & Theorie sowieso. So & ähnlich. Aber klar, stimmt: wer eine höhere Warte zur Beurteilung der Welt ablehnt & sich kindlich begeistert & fasziniert mit Schäufelchen in die Phänomene des Lebens stürzt, der muss erstmal klar fasziniert sein von allem. Goetz hatte, nach dem Erfolg von „Irre“, ja auch erst einmal einen enormen Nachholbedarf zu decken: in Punkto Theorie wurde Schwätzmaster Diederichsen postwendend zum „grossen Klaren aus dem Norden“ hochstilisiert, der überall propagiert & verteidigt werden musste, es folgten diverse andere Streicheleinheiten im Kulturkumpelnest, & andererseits die üblichen Rempeleien an das „Kulturverteidigerpack“, die ersteinmal das Bild vom leidenden Rainald als einen Kultur-stigmatisierten, kasperlhaft von selbsterwählter Zielscheibe zu Zielscheibe springenden Feuilleton-Terroristen prägten – damals schrieb man im Lit-Punk-Outfit. War das Leiden an authentischen Vitaldefiziten einigermassen kompensiert (& einige kompatible Hip-Theoriekontexte gegessen), konnte man immer noch sehen, was denn da an Literatur übriggeblieben war. Anlässlich eines Auftrittes von Andreas Dorau schrieb Goetz in „Irre“: „Für mich ist das alles total neu. Eine gescheite Kulturtradition habe ich nämlich keine, kein Radio, kein Micki Maus, kein nichts in meiner Kindheit, das haben meine Eltern alles mit Kultur verhindert.“ Ja dann…sowas erklärt natürlich einiges. Bösartig könnte man einwenden, dass jeder halbwegs normale Mensch in dieser Zeit eine vernünftige Pop-Sozialisation hatte, & diejenigen ohne mussten nach Entdeckung der „lebenswerten Leichtigkeit“ den Anderen die Bude zusammenschreien. Dafür aber umso lauter. Ach ja. Das waren die 80er. Aber es geht um mehr. Es geht um Kritik.
Die findet bei Goetz logisch nicht statt, wofür auch, ich mein wogegen, was soll’n das hier? Kritik – mensch muss Rainald, heute mehr denn je, erstmal erklären, was das überhaupt sein soll. Kritik war ja das Ding der Bartmarxisten & Körnerfresser, die man Anfang der 80er so gehasst hat. Die Zeiten haben sich seitdem aber etwas gewandelt, & die Feindbilder, die man zur Erschaffung & Konsolidierung des eigenen Selbst braucht, auch, aber das ist alles nicht so interessant. Hey, es hat halt vor allem eine neue geile Musik stattgefunden: Teschno, & da ist Rainald irgendwann eingestiegen & hat dann entschlossen: Klar, ich bin dabei, ICH BIN DAS JETZT. & Techno sagt in der Regel nicht „Kritik“, sondern JA. & echte Künstler beugen sich politischen Prinzipien sowieso nicht, lieber schön kindlich störrisch bleiben aka bürgerlich „frei“. „Rave“ ist die Bilanz dieser Zeit (seiner Zeit – Kuckuck!), aber, um mit Kinski zu fragen, der Nietzsche’s Vögelchen in „Der Wanderer“ zitiert: „Was geht’s mich an?“ Ist das nicht wieder ein grosses kleines krachledernes sich fulminant, heftig & authentisch gebendes Haudrauferzählchen, eine weitere Befreiung des an der Kultur-Literatur gelittenen Rainald, der sich im Teschno endlich aller Worte & allem dummen Kulturgeschwafel entledigt wiederfand & als new-born-baby mit strahlend blauen Augen vor Freude die Nicht-Wörter stammelnd das alte new life im Falschen für sich & seine Freunde entdeckt? Ohne nur einen Deut zu checken, dass „Rave“ letztlich nur ein weiterer grauer Mosaikstein des Popverteidigerpacks ist? Alle Kritik an „Rave“ blieb bislang ziemlich lau, komisch, was soll denn dieser latente Respekt, dieses sich-nicht-trauen? Weil wir hier grrrosssääs Kinstler vor uns haben? Goetz kann schon was vertragen, der teilt ja selber gerne aus. & es geht ja nicht darum, ihn bzw. seine Bücher zu zerpflücken, sondern völlig normal aggressiv zu hinterfragen, was denn aus dem Herzen der Hochkultur nun schon wieder das neue Pop-Literatur-Update sein soll. Goetz & seine Arbeit wird immer wieder gerne genommen, wenn heutzutage soetwas wie ein hiesiger „amtlicher Pop-Schriftsteller“ gebraucht wird – klar, deswegen ist er ja auch hier Objekt des Interesses -, also jemand, der sich explizit innerhalb der Popkultur bewegt & nicht nur innerhalb der Welt des bürgerlichen Feuilletons. Aber schon hier liegt ein fataler Fehler, da sich diese Kulturfelder lange schon aufs prestige- & image- & somit gewinnträchtigste miteinander verzahnt haben. & dies wird sich noch intensivieren, bis es heisst: Ich bin wie Du. Sehen sie einen Unterschied?
IN & OUT
Aber nun back to the beat, sonst liest ja keiner weiter hier.
Goetz erzählt in „Rave“ eine Geschichte von Techno, die eigentlich gar nicht erzählbar ist, denn es gibt ja keine Handlung. Deshalb der irre Plan von einem Techno-Comic: „Wir wollten einen Film machen über unser Leben, über das Feiern, die Musik, wie alles wirklich war.“ Ohje. Hättest Du Dir den letzten Satz nicht sparen können? Sowas taugt doch nur für „Stern“-Titelseiten. Goetz erzählt aber erstmal in Nostalgielaune aus den Kriegstagebüchern, von alten Parties in Hallen in Weissensee – leck mich, da war ich auch, logisch verlief mein Weg dann ganz anders, logisch verlief jeder Weg jeder Person anders, die irgendwann mit Techno in Berührung gekommen ist. Nur eines ist klar: There never was a raving society. Ausser in der Frontpage & ihren zugekoksten Vasallenhirnen, die sich 1000 steps in der zukünftigsten Zukunft wähnten, aber in Wahrheit miles from enchantement waren & nur den uralten Nightlife-Hedofilm weiterdrehten. Techno for it’s own business-sake soziologisch-politisch aufwerten zu wollen, genau das war der Great Techno Swindle, ein typisches subkulturindustrielles Medienkonstrukt, zu gewöhnlich, als dass es aufregend wäre. & Goetz geht es um Aufregung. & Drogen. & VIPS. Bald schon stolpert uns Techno-Super-BOF Jürgen Laarmann vor die Füsse, von Goetz da hingeworfen. Puuuh. Wir gucken auf das historische Elend, das da zugestaubt vor unseren Füssen liegt, & denken: Rainald, das spackt voll ab. Das braucht echt kein Mensch. Ihr glaubt mir nicht? „Wir waren mal an irgendeinem Flussufer gesessen, in Berlin, vielleicht 91, ich glaube vor oder hinter dem alten ‚Planet‘. Ich hatte noch einen letzten Krümel Haschisch und baute einen Mikrojoint, den wir dann gemeinsam rauchten. Seine Freundin war auch dabei. Er kam mir damals so hübsch vor, mit seinen blonden Lockenschopf-Haaren.“ Haltet euren Atem an, ihr Götter des Alltags, wollt Ihr diesen historischen Moment begreifen? Ok, file under: Unwichtige Begegnungen, noch nichteinmal beschrieben. Nur erwähnt. Vieles wird in „Rave“ nur erwähnt, nicht beschrieben. Aufgezählt. Auf das es dann da ist. Phänomenologie des Techno-Alltags. Nur, immer wieder ist zu fragen: wessen Alltag? Münchener Schriftsteller & Promi-Kumpels? Die üblichen Nightelifegestalten – Beauties, Cuties, Doofies, Türsteher – normale Hedo-Baggage als Staffage, dann kann der Film losgehen.
„Echt?“
Und ich sagte zu Hardy: „Auch den – „
„Hey!“
„Wie?“
„Gut“
Max sagte: „Gut, gut, gut.“
Und ich wiederholte das direkt: „Gut, gut, gut.“
Derer Rede gibt es gar öfters in „Rave“ zu lesen, allein: wer denkt, dies seien Fragmente einer Sprache des Techno, irrt ganz banal. Es ist die ewige amtliche Hedo-Nitelife-Sprache. „Rave“ wird beworben mit einem Satz über die Nachtlebenleute: „Sie reden und verstehen sich ohne hören zu können, was der andere sagt.“ Das ist klar, denn es gibt nichts zu verstehen. Folgerichtig auch nicht zu reden, klar kann mensch reden, aber das ist dann egal, es ist nur gegenseitiges Einverständnis bezeugen. Die Reden in „Rave“ bestehen oft aus semantischer Un-Kommunikation in soziologischem Einverständnis – das soll die grosse Rave-Demokratisierung sein: die Doofen & die Schlauen können miteinander irgendwo rumstehen & so tun, als ob sie sich verstehen (das können sie logisch auch beim Motörhead-Konzert). Sprache dokumentiert Sprachlosigkeit, nicht zuende gedachte & gesprochene Sätze. Raver Esperanto.
„Du lachst?“
„Ja, ich, – egal.“
„Wie?“
Wozu auch. „Leben“ ist immer wichtiger, der nächste Reiz ist immer der Schönste. Ist immer alles voll wichtig. Zuviel Denken qält, & komplizierte Sprache & Gedanken haben wir früher ja genug versucht, das lassen wir jetzt lieber: Techno ist Erlösung vom Diskursiven, so das insgeheime Fazit von „Rave“ according to RG. & dann erst die Pille. Da erkennt sich jeder Raver wieder. & das ist genauso banal & oberflächlich, wie es immer war & sein muss. & zur Zeit ist es gerade geil & bald vergessen. Wie „Rave“ auch. Es ist die EWIGE Nachtlebenfolklore, Protagonisten, Deko & Diskurse austauschbar. Ob jetzt 67 oder 77 oder 87 oder 97 ist nun mal echt egal. Aber was immer schon Goetz war: die Augen immer auf den Trend gerichtet, wo scheinbar gerade am meisten geht. Auf die Bewegung. & dann: scheinbar Unwichtiges & Banales neben, vor, hinter, über & unter ernsthaftes Denken stellen. Der Locker-Kasper hat dann ja immer recht. Haben uns früher gut zermartert. Nun soll alles anders sein. Techno hat meinem Leben einen Sinn gegeben. Also gut, von mir aus. Schlecht aber: die fulminante Penetranz, mit der das in „Rave“ betrieben wird. Goetz zetert gegen Bewusstmachung, Reflexion & Diskurse, zB. über elektronische Musik – sowas hat man per House Attack etc. & nun auch Focus etc. völlig hinterhergebetet gekriegt, jetzt nervt es nurmehr, so der Autor. Ach. Vielleicht sitzt Du auch in der falschen Diskursjolle, Schnucki. Denn es gibt auch noch was anderes als Musik. Wer sich immer nur fleissig Salate aus den amtlichen Kulturdistinktionsgeschmacksblättern zusammenliest, kann sein, dass der bald mal genervt ist. Dieses Abgemosche gegenüber jeglicher Diskursivität – & hier geht es nur um Musik- & Popdiskurse, die – das hat auch Goetz endlich mitgekriegt – aufgrund ihrer penetranten wichtigtuerischen Fake-Selbstinstallation (kulturelle Sprechmacht ausbauen, ökonomisch intendiert) in der Tat nerven & Energien für wichtigere soziale Prozesse abziehen -: dieses Abgemosche ist so verdammt 80er Jahre, als hippe Popster den authentischen Ernstmachern ohne amtlichen ästhetischen Konsumstil & modischem Bewusstsein mit Spott & Verachtung begegneten. Also klarer Fall: in den 80ern steckengeblieben, Pop & popkulturelle Lebenswelt in letzter Instanz doch eben noch als WAFFE gegen festmachbare sinnhafte Diskurse ansehen & gebrauchen wollen. Ok, machen wir es uns nicht so 1fach wie Goetz selbst. Nur: die wirklich interessanten Potentiale einer Technokultur & die wirklich interessante Musik – ich wiederhole: wirklich interessante Musik – kommt in „Rave“ nicht vor. Hier regiert der oberamtliche Faiertechno & seine VIP-Protagonisten. Hier regiert die Lebenswelt, & die ist kapitalistisch. Kannitverstan? Ich rede nicht von sowas wie dem sog. „Techno-Underground“, & auch nicht von „diesen Schepanski, Oval, Mouse on Mice und wie diese ganzen Idioten alle heissen“ – darüber nervt sich Rainald, denn er glotzt TV, da stehen die dumm rum & leiern ihr Schwachmatentum runter, „das kann man sich als normaler Mensch gar nicht vorstellen, echt.“ Und Goetz ist natürlich voll normaaal hier. Jedoch gibt es noch genug andere interessante Musik, & die kam / kommt weder in der Frontpage, noch der Spex, noch anderen amtlichen Amtsnachrichten & kichernden Kunstwartblättern der Welt vor. Während die gemacht, gespielt & bisweilen auch gehört wurde, hopst Rainald Goetz zugedröhnt auf Hoteldächern rum & grölt mit seien Pillenbibifreunden voll sauber „Hyper Hyper“ ab, weil alles Pop & voll lustig & wer nicht lacht ist raus.
Goetz ist nicht normal, soviel sollte wohl klar sein. Der schreibt nämlich Bücher & bringt die bei Suhrkamp raus. & wer da lacht, fliegt erst recht raus.
Und „Rave“ ist komischerweise ein Buch, dem jeglicher Humor fehlt.
Verteidigung von Prof. Hohlkreuz: Wie sollte Goetz auch eine erfundene Techno-World beschreiben? Er kann es nur mit seinen eigenen Mitteln, mit dem, was er erlebt hat, nur das kann er mit seinen Worten wiedergeben. Das hat er immer schon gemacht & das ist klar ok. Keine epischen Schmonzetten & kein Authentizitätsterror. Ja, Herr Hohlkreuz, aber es gibt derart viel Hohlkram darin, so absichtlich breitgetreten, als ob mensch sich über „hohle Oberflächlichkeit“ aufregen soll & dann wieder voll in die 80er Jahre Falle läuft. Goetz fährt liebevoll Macho-Schrott zum Aufregen für uns auf: „Im Sumpf am Boden hinten tagt der Stammesrat. Da sitzen die Männer unten und rauchen. Oben stehen die jungen Frauen mit ihren Gesichtern.“ Super das. Men do smoke, females have face. Klare Rollenverteilung, erleichtert das Leben ungemein. Lohnt nicht, sich über Details aufzuregen. Ist sich auch alles Drogen, Hedo, Schickeria, Lebenswelt halt. Techno ist nur ein weiterer Ort dafür. Techno ist nur ein Wort. Our Techno Word. Presst es an eure Brust oder haltet euch irgendwo fest. Klaro: „Wir hielten uns am Tresen fest und tranken weiter. Die letzte Würde war: nicht aufzugeben jetzt. Weitermachen wie bisher. So tun als wäre nichts.“ Klasse Feeling, das wir uns da erarbeitet haben, so superkonsequent. Leider waren wir nicht in den 70ern mit Andy & all den Superstars im Studio 54 unterwegs, & zudem in unserem früheren Leben viel zu intelligent & belesen, um so heftig abfaiern zu können, müssen das also jetzt doppelt so schnell & rabiat nachholen. Goetz ist ein jüngerer Mann mit Kind drin & viel Nachholbedarf, der darüber schreibt, ich finde das sehr schön, man kann viel sehen an so einem Schreiben. Ich mein es. Drogen zB., & Drogen. & Drogen. Wer die langweilig aka nicht so interessant findet, hat eh schon ein Problem mit diesem Buch. Programmatische Nüchternheit ist für Goetz Totalverblödung, das Allerkaputteste – sehr interessanter Diskurs, scharz wie die Nacht. Nichts wird hier beleuchtet. Dafür wird liebevoll ein interessantes After-Hour-Bauen beschrieben – überaus lebensnah & spitzenödig.
„Wer baut?
Wer hackt?
Wer bricht das Brot?“
Was für ein Wiegenlied.
NO ACADEMICS HERE
Dafür gibt es dann Comics. Echte Gestalten tauchen als echte Techno-Comicfiguren auf & geben Rainald Freude, öfter aber noch erneuten Anlass zum Lästern & Moschen. Das hat er sich schön bei Thomas Bernhard angelernt damals, Pech ist nur, dass man von Bernhard gerade immer etwas anderes lernen sollte als das undifferenzierte übertriebene Moschen – das auch so schwer nicht ist. Aber Rainald kümmert’s nicht, alle sind dran, wenn Kasper die Rute rausholt: kritische Journalisten sowieso, die koksen wahrscheinlich zu wenig, Fake-DJs aka Pudel-Club-DJs, weil die können nicht mixen (ich lach mich schlapp: Goetz fällt voll auf Techno-Jazzrock rein!) & sind wahrscheinlich noch Frauen. Dafür hält er uns strahlend DAS GLÜCK entgegen, das kommt immer, wenn man einen Laden betritt: Euphorie! Was bitteschön ist so besonderes daran? Das ist ganz normale Gastro-Kacke, die durch ihre kommerziellen Spielregeln beschissene elitäre Mechanismen der kapitalistischen Gesellschaft reproduziert. Same as it ever was, was soll das viele Geschrei von Euphorie? Clubs & Salons, Beaus & Beauties – Kulissen der Sedierung mythisieren? Na hör mal, Dichter, das ist doch 19. Jahrhundert. Mindestens. Aber egal: Rainald geht für uns mit der Pille in der Hand durchs ganze Land bzw. durchs Strobogewitter. Du nicht verstehen die Gesetze der Nacht? Hinsetzen, 6! Da gibt’s erstmal Nachhilfe in Punkto Nachtlebenregeln am Beispiel „Rolli, der Türsteher“. Auweia. Wem von uns ist angesichts dieser gehirnamputierten Vollspacken mit ihren rudimentären Lautäusserungen & nicht vorhandenen Denkleistungen nicht schon mal das Messer von selber in der Tasche aufgesprungen? Allein: wir konnten klar nicht sehen, was nur Rainald & die Eingeweihten des Nachtleben sahen: der Türsteher ist der kühle Engel der Stumpfheit, die „richtige“ Tür der Garant für eine gute Party. Die Grundregel ist ganz 1fach: Studenten, Journalisten & Politköppe nicht reinlassen, Stumbos, Halbwelt & Gangsterköppe – real & authentic – rein – dann klappt’s auch mit der Party. Hm, warum sind wir da bloss nicht früher draufgekommen? Hätte uns ne Menge Stress erspart! Generatorenschleppen, Getränkeorga, Materiallogistik, der Ärger mit den Bullen…1fach die fetzige Tür, & die Hirnwixer raus, & dann geht die Luzie ab. Problem nur: wo wir die Parties machten, gab’s öfters schon mal keine Tür. Na, egal, wir sind hier im Club, & Rolli the door ist auf alle Fälle der begnadete Selector des Lebens. Seine Tür war legendär: „Geld, Sex, Jugend. Szene, Halbwelt, Musiker. DJs, Groupies, Künstler. Drogenwracks und selbsternannte Lebenskünstler. Und von allem nur das beste, schönste, ordinärste und am penetrantesten Direkteste.“ Dann wurde drinnen gefeiert bis der Arzt kommt, klar. Abiturienten demütigen & Akademiker wegschicken – das war Rollis Hobby. Die sollten niemals erfahren, was das ist: Exzess. Saufen. Sex. Gewalt. Verzweifelt kratzten sie wahrscheinlich an der Clubtür: Lasst uns wissen, was das ist & wie das geht, Leben!!! Doch Rolli blieb unerbittlich: No academics here. Vor ihren verheulten schüchternen Augen die Jugogang mit Handschlag begrüssen & reinwinken. Das Goetz den Rolli hier so fein abbläst & zur mythischen Faierfigur knetet, ist symptomatisch für das ganze Buch: der homme de lettres, der ja selber hyperakademischer intellektueller Chronist ist & sich eine vitalistische Biographie erschrieben bzw. ermythisiert hat, bewundert zum 1000sten Mal in der Literaturgeschichte den vermeintlichen Vitalismus & die streetwiseness des Hipsters. Akademische eggheads – wir müssen leider draussen bleiben. Das wäre ja auch alles nicht so schlimm, nerven tut hier nur die besagte vehemente Penetranz, mit der Goetz hier – zum xsten Male – die Geister seiner Vergangenheit exerzieren will. Ein neues Leben braucht auch neue Protagonisten, also Kehraus mit den alten.
& dann ist die Sache ganz einfach: Mein Leben braucht einen Türsteher!
BÜRGER & MEISTER
& die doofen Redakteure & Journalisten, die auch nicht im Club willkommen sind, zetern natürlich daheim an ihren Schreibtischen rum & planen die nächste kritische diskursive Attacke. Die denken eben zuviel. Goetz kennt das ja alles selber & schreibt das auch in „Rave“ fein auf, bis die Reissäcke in China reihenweise platzen. Statt schlauistisch & undergroundig zu sein, sollten Journalisten lieber eine Abfahrt haben. Deshalb preist uns Rainald die feine Musik, wie die Members of Mayday, & allerletzte Credits fliessen postwendend in die Pissrinne. Westbums wird dito heiliggesprochen, da Gott in da Mix, DJ-Culture, dieser Begriff taucht selbst in „Rave“ auf, kann nur von Adolf DJ selber praktiziert werden, jeder andere Person, die sich an den Decks vergreift, sind möglichst die Fingerlein abzuhacken. Like Punk never happened. Goetz‘ Technoverständnis offenbart eine latente Fixierung auf Können & Meisterschaft innerhalb der DJ-Szene, die klar aus einem bürgerlichen Kunstverständnis herrührt. Es gibt halt Könner & Meister, die spielen den 1210er so fett & sauber wie ne Strat. Gniedeldadel. & da unterscheidet er sich gar nicht so sehr von den Schreiberlingen, die er sonst ja nicht mehr so mag. In vielen Musikzeitschriften wird ja gerne mit diesen kulturbourgeoisen Zuschreibungen hantiert, allein da dies der soziale Herkunftsort der meisten SchreiberInnen ist & wirklich „neue“ adäquate Begriffe zur Beschreibung der Popkultur – also solche, die über den rein sozialästhetischen Charakter einer Musikform weit hinausgehen – fehlen, also transformiert mensch, ganz kultursoziologisch, die alten, guten. Müssig zu sagen, dass Politik innerhalb dieses Verständnisses dito nurmehr sozialästhetischen Charakter hat.
„Was sagst du?“
„ntschuldigung, ich habe es vergessen.“
„Egal, ich auch.“
BREIT EYES
Aber springen wir nocheinmal in die Geschichte, natürlich die von „Rave“, & schauen wir uns ihre Darsteller an. „Stümmel mir die Sprache“ forderte die Tödliche Doris Anfang der 80er – hier nicht nötig, hier tut jeder, was er kann, & der Dichter, mit Freude & Genuss an der stumpfen, aber latent „wissenden“ Raversprache, ist der Chronist der erfundenen Sprachlosen: „Nichts wird gesagt, man grunzt und rotzt und fasst sich selber überall hin.“ Man kann natürlich auch sagen: wer Zigarettenschnorren so ausgiebig & bedeutungsschwanger-banal erzählt wie Goetz, hat ganz 1fach nen epischen Schaden. Stimmt ja auch. Die Protagonisten der Erzählung bleiben meist ziel- & profillos, keiner hat hier Profil oder Charakter, sondern ist 1fach nur DA, existentialistische Nachtexistenzen ohne Unter- & Überbau, Amüsierwerkzeug, bestenfalls Geld/VIPgestalt mit festgelegter Funktion (legt Platten auf, betreibt Club, schreibt über Musik). Klar haben sie reale Anliegen & Probleme, zB. Drogen-haben-wollen oder dass es den Air Rave nicht mehr gibt, das ist natürlich hart, klar. Nichts soll dramatisiert oder erfunden werden, so Goetz‘ Credo, gerade deshalb wirkt alles umso erfundener, willkürlicher – innerhalb des elitären Rahmens. „Ich habe die letzten, ich weiss nicht wie viele Stunden, paar Tage jedenfalls, nichts mehr zu mir genommen. Ausser paar Pillen, und Haschplätzchen, und Speed, und Kokain.“ Drogen, die langweilige Art, sich interessant zu machen, haben in „Rave“ eine übliche festgelegte Funktion: sie geben den Protagonisten den Anschein, als lebten sie wild+gefährlich+verboten+exzessiv+ausserhalb der Norm+sw+sw+sw, dabei ist das nur die weltweite allerortsübliche schnarchlangweilige Hedo-Platte, die mit tiiiefem Sprung in der Schüssel in Dauerrotation auf dem Teller kreist. & keiner nimmt sie ab, da ergo keiner die Kraft & den Willen dazu hat. Deshalb wirkt sie so wichtig. Denn Loop macht wichtig. & dann kommen noch bessere Initiationserlebnisse als Kultur & so’n abgehalfteten Spackenkram: Dauerkiffen zb.! „Ich entdeckte gerade etwas Neues: Kiffen. Es wird ja viel zuwenig gekifft, auf Erden. Sagt dir jeder Kiffer. Und ich sage dir: man kann gar nicht früh genug damit anfangen. Man vergisst immer, wie wichtig es ist, zu kiffen, und vor allem auch, rechtzeitig mit dem Kiffen anzufangen. .Man vergisst immer, Speed dazu zu nehmen. Dann wirkt Kiffen viel besser.“ Irgendjemand in Begeisterungskrämpfen am Boden über diese wertvollen Erkenntnisse hier? Wie wir bereits gesehen haben: Kindchen Rainald findet was schönes neues auf dem Boden seines Lebensweges & muss es uns sogleich lauthals mitteilen. Erst Pop, nun Drogen. & dann nimmt Rainald auf einmal den Fuss vom Gas & schreibt: „So wichtig kommt man sich nun auch nicht gerade vor, mit dem bisschen Spass, dem bisschen Exzess, den man so treibt und hat, nachts. Und doch ist der Lärm, der dabei entsteht, man spürt das schon, vielleicht in letzter Zeit eben doch etwas zu laut geworden. Die blöde tz, die blöde AZ, die blöde SZ: sie schreiben alle darüber. Lasst uns doch in Ruhe, ihr Deppen.“ Schneuz – mir kommen die Tränen: lasst uns unseren Apfelbaum, denn er der letzte Traum? Auf einmal im Schreibstil einer „ehrlichen Underground“-Technogazette daherkommen, & im Anschluss gleich mit Marc Spoon rüsseln gehen? Nee nee, mei Guadster. Immer wieder wird deutlich: Goetz verehrt – indeed – 1fach die falschen Leute, die BOFs des TechRocknRoll. Goetz war ja immer bekennender RocknRoller, Techno als Musikform – egal, lass das die Kopfgeburten auseinanderpfriemeln, ich will Sex & Drugs & Juppheidi, hauptsache, da ist Leben drin, auch wenn’s im falschen ist, HAUPTSACHE ES IST EINS!
Kultureller Hochunsicherheitstrakt.
Blupperndes Kunstblut aus Mediendiskursen.
Dann der befreiende Sprung in die Phänomene.
DRAUSSEN VOR DER TÜR
Hallo! Ist da das richtige Leben drin, oder wie oder was? Wo ist es denn nur? Vor oder hinter der Tür? Wer hilft? Die Mythen des Alltags, die Helden von Heute, Diederich Diederichsen? Goetz glaubt wie immer den Images, die lügen nicht. Die Stars, wie der Sven, die sind in echt wirklich so toll wie der Ruf, der ihnen vorauseilt. Rainald von der Vogelweide weiss das, der hat’s selbst gesehn, mit seinen eigenen Augen. Sind das wirklich seine? Sind das überhaupt Augen? Oder sind das schon Rave-Channel-Fernsehkameras? Eine Frau ohne natürliche Schamhaare erregt Goetz‘ Aufmerksamkeit, & das muss er uns gleich mitteilen. Ja das ist doch schweinecool, was der Dichter so alles sieht, & Danke auch, dass er uns das gleich weitergibt. Ist alles RE-A-LI-TÄT, Alter, ist alles voll wichtig ey. Bloss keine erfundene Literatur schreiben, dann lieber das Leben selber erzählen lassen. Warum nicht demnächst Talkshow-Mitschriften als Theaterstücke rausbringen? Findet sich bestimmt ein Verlag. Schnapp- schlägt die Falle wieder zu. Goetz will immer die Hochkultur ankacken, & zwar logisch mit den Mitteln der Hochkultur. Und gleichzeitig will Goetz immer superpuperpopulistisch sein, weil er es in realiter logisch nullkommanull ist. Sein Ziel ist „Platitüde hin oder her – ein Vollgasprogramm.“ Goetz tankt klar Super, denn: beim Vollgasprogramm hat man das Volk immer auf seiner Seite (genau so.), für die Empfindlichen zum Aufregen gibt’s dann noch ein kleines Kindersex-Monument, ironisch bröselnd, Sandstein, am Wasser der Leidenden im scharfen Wind gebaut, sehet den schnellen Verfall. & nur Wiglaf Droste lacht einsam dazu. Wozu das alles, ich seh & will keinen Sinn, Diskurse, Diskussionen, fort damit, lieber noch’n Sturz-Campari-Orange & dann wieder den DJs zugucken: Booo eyy, was diiieee alles können! Gut, Goetz ist nicht der Tom Gerhard der Ravekultur, aber nach Ibiza muss er trotzdem. Da fällt ihm dann auch ein kleiner Privatdiskurs ein, & zwar über Geld, das hat eine seltsame & geheimnisvolle Natur. Damit muss man rechnen können, man muss Vergnügen an seiner Bewegungsstruktur empfinden. BlaSülzHonk. Damit wir uns hier richtig verstehen: dieses Geschrulle hat in „Rave“ noch nichtmal eine Funktion, wie auch in einem Drama ohne Höhepunkte & einer Erzählung ohne Handlung. Es sind Fossilien eines lang begrabenen politischen Bewusstseins, die hier stumpf aufblitzen, Fetzen ohne Bedeutung, im MDMA-Netz gefangene Partikel einer anderen Realität, die jetzt 1fach nicht mehr sein DARF. Deshalb die ganzen Drogen, die wirken einfach fetter als der Alk zu „Irre“-Zeiten. Goetz tanzend im Tresor, erkennend, wie kaputt alle aussehen: schnell etwas einnehmen „gegen übertrieben genaue Beobachtungen oder gar irgendwelche lächerliche Gedanken.“ Worte, die klingen so komisch, & Geld – hat man, & dann kann man schnell ein paar Zeilen drüber philosophieren. Später steigt Goetz sogar nochmal auf sowas wie eine diskursive Ebene ein, aber dies sind nurmehr eigene Versicherungen der Existenz unter Anderen im anderen Draussen, es sind Verlautbarungen gegenüber Anderen, denen man sich irgendwie auf eine andere Art verständlich machen will, als immer nur präventiv zu bashen. Aber auch in dieser Medienwelt ist Goetz Fremdkörper. Auf der Popkomm bekommt seine stolze Verpeilung eine winzige Apotheose: der derrangierte Dichter begegnet spexy VIP-Freunden aus frühen Tagen & denkt sich so Gedänkchen, die nicht so interessant sind. Orientierung gibt es hier logischerweise auch nicht. Bleibt die alte Frage seit „Irre“: Wo ist drinnen & wo ist draussen & wer definiert das & wo bin ich überhaupt. & die Musik? Ooch, Musik…Wer darüber etwas erfahren will, hat hier eh nichts zu suchen, hier wird nur meine kleine Privatwelt abgefeatured, die bei Bedarf zur Massenbewegung aufgeblasen wird, damit man recht hat. Dann wird wieder die Luft rausgelassen & die Tür zugemacht. & Rolli ist hart.
„Oh ja.
Wow – … hmm … – du –
dingens –
ja –
ich auch – …“
BLUESROCKSOLO
„Rave“ ist 1A zerstreut, es strengt null an, es liest sich so weg, egal & in Echtzeit. Das ist doch toll für „die Literatur“ (Brösel, Würg), & vor allem für Rezepienten mit Low Attention Span. Die sind eh die Zielgruppe, toll: sie & der Macher sind identisch. This is POP. Oder doch nicht? „Rave“ ist ein einziger Lob der bewussten Zerstreutheit & der Unkonzentration. Und es ist so verdammt individualistisch. Obschon es scheinbar um ganz viele Leute geht: immer & immer wieder liest man vor allem die Spuren des Rainald Goetz, der sich seine eigene Biographie neuschreibt. Die aktuelle Popkultur „Techno“ ist dafür nur Aufhänger. Jedes Kunstwerk aber, so Goetz, „erinnert an die Radikalität, Autonomie und Offenheit der Individualitätserfahrung im Urteil der frühen Jahre.“ Aber erstmal ist das Rave-Individuum mit dem Ansammeln von Szenen beschäftigt. & die sind null radikal, autonom & offen. & dann gibt es doch noch Reflektionen – aber was für welche. Denn Goetz stellt sich selber die Freifahrtscheine für seine kleinbürgerlichen Bluesrocksoli aus, im 3. Teil von „Rave“, wo Reflexionen zugelassen sind – immer schön Trennkost halten – gibt es eine Notiz, au backe, in der eine Politik favorisiert wird, „die supersimpel erstmal einfach nur bei sich selbst daheim zu Hause anfängt. Dabei, wie man sich körperlich gibt, als ich, den anderen. Da geht das Soziale los. Güte nervt. Argumente nerven.“ Dass eine derartige Homestayer-Politik in 99% aller registrierten Fälle im Hochkapitalismus lieber zuhause aka im gut gemachten bunten Kumpelnest bleibt & bei gut ausgesuchten Drogen in die eigenen miefigen Sessel furzt, davon hat Goetz scheinbar noch nichts mitbekommen. Ist ja klar: die Masse macht’s woanders & ich hab so ne tolle Hose an. & wenn ich rausgehe, sind da ja auch immer ganz viele Leute, das ist doch sozial, oder nicht (behind Rollis green door, versteht sich)? Goetz denkt wahrscheinlich, er ist in Technoland viel rumgekommen & hat viel gesehen, wahrscheinlicher ist jedoch, er ist im Wohnzimmer seines eigenen Hirns wahrscheinlich noch nicht mal bis zur Tür gekommen. Da kanns noch so laut klingeln draussen. Das nervende an „Rave“ ist nun, dass Goetz nicht so konsequent ist & letztlich NUR den Fuzzel-Stumbo gibt, nein, er muss, sei’s als Alibi für irgendeinen verehrten Pappa Joe, sei’s als verstecktes Sedativum für die eigenen einstige anpolitisierte Existenz, seine geviertelten XTC-Gedanken an uns austeilen. & das ist echt schlimm & gibt Kater, nicht der Hedo-Lifestyle-Kram – denn den kennen wir, so oder so.
„Das ist alles bullshit, Leute.“ Argumente natürlich. Launen sind ok. No thanks, Rainald. Die 90er sind voll davon. Launen sind wegzuradierende Biokacke, Steinzeitdichter! & Zynismus nervt, & Argumente erst gar nicht andenken wollen, nervt erst recht. Kleiner Kindergartenhosenscheisser sein, der die Erzieher ärgern will – was für ein hippes originelles massenindividuelles Verhalten. Ich sage nicht, dass Goetz & diverse Faierzombies nicht erwachsen werden wollen, denn das ist a. keine Kategorie & b. mir scheissegal, ich sage nur: das Jahrzehnt des pushenden Neoliberalismus ist voll von beschissenen kleinen kapitalistischen Verhaltensweisen, die alle ein Revival in den unterschiedlichsten Lebenswelten erfahren, erst recht in den sogenannten Sub- & Gegenkulturen. & was macht Goetz? Öffnet eine Konserve, Haltbarkeitsdatum schon längst abgelaufen, & kocht seine 80er Jahre Cambells-Suppe wieder auf: ole ole, wir sind schon ok. Argumente ist was für Müslis, wir sind die schnieken wilden Schulhofpopper Anfang der 80er. In welchem Film befindet sich Goetz eigentlich?
„Ich finde
jeder soll machen dürfen, was er will. Ich will auch machen, was ich will.
Drogen nehmen, soviel man will.
Ausgehen, wann man will.
Musik hören, so laut man will.
Lesen, was man will.
Und Arbeiten, wann, wo und wie man Lust hat.“
So schliesst eines der letzten Kapitel. expiry date very unknown.
ZUTEXTEN MIT KLING – KLANG
Eine Überlegung bezüglich der Lektüre von „Rave“ war, ob es eine spezifische Sprache von Techno darin gibt. Gibt es natürlich nicht. Die rudimentären Raveranto-Fetzen sind zwar auch durch die Macht der ewigdröhnenden Bassdrum begründet, aber insgesamt bilden sie doch die gängige hedonistische Nitelifefolklore ab, die bekannt ist. In „Rave “ geht es ums Sammeln, sammeln von Szenen, Namen, unzusammenhängenden Einnerungen, die durch die Kontinuität von durchlebter Zeit und nur dadurch einen Rahmen bekommen. Sprache wird vorrangig zu Dokumentationszwecken des eigenen Erlebens verwendet, das Denken wird seltener dokumentiert, zudem korrespondiert es selten mit dem von Anderen. „Man müsste Sprache von ihrer Mitteilungsabsicht frei kriegen können. Dass die Schrift nur noch so ein autistisches, reines, von der Zeit selbst diktiertes Gekritzel wäre, Atem.“ So Goetz auf den letzten Seiten des Buches. Sprache sollte demnach eigentlich nur noch Sound sein, keinerlei Sinnhaftigkeiten mehr, keine Argumente, keine Diskurse, keine Ideen – keine Verständigung, keine Kommunikation? Doch – durch die ewige Mutterbauchbassdrum: geil geil geil geil. Letztlich ist sie die einzige kollektive Verbindung. Sprache? Wertlos. Ornament. Nur noch Sound zum Leben. Alte Motive von alten Meistern. „Sprache: no. Yes: ein konkretes Leben.“ Ach. & was bittschön ist jetzt konkret? Malern gehen, Wände weissen, oder in den Park gehen, Bier säufen wie’s Hündele bei Hitze, da keine Stütze? Goetz‘ Gesülze nervt, es wird tatsächlich immer schlimmer gegen Ende, & man wird immer aggressiver. Dieser dummbeutelige deutsche Vitalismus saugt so ab. Dieses Instantpathos. Je mehr der Schriftsteller weniger Schriftsteller sein will, desto schlimmer ist es. & wenn Goetz mal ernst wird, ist es nur deppert & scheppert leis wie ein angesprungener Kinderteller in einem leeren Bauernhaus (das ist jetzt die Ärger-Metapher). Sprache als Sound = ok: das ist die Techno-Sprache. Gegen Ende wird Goetz auch noch ein bissl mystisch: „Kunst, die man nicht sieht. Musik, die man nicht hört. Ein Denken, das alles nur irgendwie Denkbare schon erledigt hat und jedem dadurch alle Freiheit gibt und einen so einfach komplett in Ruhe lässt. Fertig.“ Ein Denken, das einen in Ruhe lässt? NO. What for? Für die nächste Line? Das war jetzt gemein, aber Güte ist ja nix wert & Argumente ewig verkehrt. Dieses „Freiheiten lassen“ – eben das ist die Freiheit der Intellektuellen, der Wissenden, die in die Täler der unwissenden Hip-Wissenden hinabsteigen, alles toll finden, wieder aufsteigen. Am Ende: „Mitmachen: schön.“
Es bleibt: deutscher Populismus. Say it again: Deutsch Deutsch Deutsch. Dabeisein ist alles.
Natürlich ohne Worte.
Warum aber dann die vielen Worte in „Rave“? Ein Beispiel: der Versuch von Goetz, einen gemeinsamen Kokarausch zu beschreiben misslingt, klingt superschlecht. Wieso? Nichtgedanken denken, dann aufschreiben, Ergebnis: unwichtiges Mitteilen. Genau das soll es dann sein. Der Schreiber textet den Leser im Kokarausch zu, „Rave“ bekommt insgesamt auf einmal eine ganz andere Dimension: die launige Drogenparaschreibe. Der Schreiber ist nicht im Laber, sondern im Mitteilungsflash. Hier, lies mal, ist alles voll wichtig ey. Es gab eine Zeit, so Goetz, wo es für das alles hier noch keine Worte gab. Die ist mit „Rave“ nicht vorbei. Der Film ohne Worte läuft noch – genauso wie es immer Wörter gab, wenn Texte existieren – & er wird weiter kommentiert, & nicht nur mythisch dokumentiert. & es braucht auch nicht unbedingt argumentative Reflexionstexte in Technoland, aber ernstgemeinte Tritte. Ravermythen kaputtkitzeln, Masken abfetzen, dito die Clubwear: wie in dem Dick & Doof – Film, wo sich am Ende alle gegenseitig die Hosen runterreissen. Stattdessen aber Mythos presented by Hochkultur: das grosse Erleben. Die Mystik des RocknRoll-Lifestyle. Same as it ever was. Drugs, drinks, derrangements.
& wir sitzen am Wischtisch & sind wischtisch.
Gibt es denn auch etwas Gutes an „Rave“ zu finden? Ja klar, & auch an Goetz: er hatte & hat ein Leben mit bzw. in der Musik, andere haben nur ihre amtlichen Scheissplatten, isoliert im guten, wissenden Geschmacksghetto. Gut ist auch, dass er allen Techno-HiWis, -Eckenstehern & -Analytikern sagt: Wie, ihr wart nicht mindestens 1x auf der Love-Parade & habt euch das gegeben? Diese nickenden, wissenden Blicke am frühen Vormittag des Techno gab es ja wirklich, & logisch nicht nur dort, dieses freundliche, zugetane kollektive Verständnis ohne ein einziges Wort, der stundenlange Tanz, den kein GeschmacksDJ & – tänzer (& nicht-Tänzer erst recht nicht) je verstehen wird, all das vermittelte zumindest das Gefühl eines starken kollektiven Zusammenseins, in dem mensch anfangs sogar Potential für politische Aktion & Bewusstmachung roch. Was für ein Blödsinn. Klar gab es das, aber es gab dann vor allem gesellschaftlich auch noch sehr viel anderes, wichtigeres, & das hatte mit Musik wenig zu tun. Also erstmal raus aus der Kulturfalle, umdenken, abwerten, neu bewerten. Jedoch: das, was an Goetz Erzählweise & seiner Version einer Technokultur nervt, hat streng gesehen auch etwas gutes, & zwar genau dieses „Offizieller-Diskurs-Abschalten-können“, dieses „etwas toll ohne Hinterfragung finden können“, das Vergessen & auch totale Ignorieren von selbstinstallierten Fake-Diskursen (sub)kultureller Medien, das „mal die besserwisserische Schnauze-halten-können“, und das Hinausgehen & Kontakten & Verstehen – das müssen viele von uns erst wieder lernen. Allerdings ist das kein Freifahrtschein für uralte hedonistische Kabarett-Lachnummer & das hypernaive Glorifizieren eines bewusstlosen Bewusstseins – das sind Rainald Goetz‘ Privatprobleme. Es gibt Gratwanderungen und Widersprüche innerhalb der Lebensfelder von Genuss & Mühe, diese gilt es anzuerkennen, auszuhalten & selber mit anderen zu definieren & umzusetzen. Generell braucht es aber zur kommunikativen & kollektiven Bewusstmachung kein jahrelanges Herumirren in Literatur & Feuiletton & bürgerlicher Restkultur, getarnt mit Subkultur, & vor allem kein Wegdividieren von Politik. Cut.
(Testcard)