Klammer-Gründler-Duo

KREATIVZELLE KGD

Nennen wir es Silberne Hochzeit oder 25-jähriges Betriebsjubiläum – Fakt ist, dass Josef Klammer und Seppo Gründler als ebenso benanntes Duo bzw. unter der griffigen Abkürzung KGD seit einem Vierteljahrhundert eine der interessantesten und avanciertesten musikalischen Kreativzellen Österreichs bilden. Dass sie in ihrer Heimatstadt Graz mit dem V:NM-Festival nebenbei auch noch eine der besten Plattformen für neue und improvisierte Musik organisieren, passt da umso besser ins Bild.

Nachdem der Osttiroler Klammer und der Kärntner Gründler sich bereits 1976 in Graz im gleichen Szenegasthaus über den Weg gelaufen waren, dauerte es noch einige Zeit, bis die beiden ursprünglich rocksozialisierten Musiker an ihrem Duo zu schrauben begannen, das ab dann zunächst in Österreich die erste Adresse für elektronisch und medial erweiterte jazzbasierte Improvisation werden sollte. Zunächst gründete der Gitarrist und damalige Medizinstudent Gründler jedoch 1979 in Graz die legendäre Avantrock-Kabarettband „Fut“ mit, bei der u.a. Ernst M. Binder on drums und Kabarettist Simon Pichler als Sänger mittaten. Die stark von Zappa, Checkpoint Charlie und Floh de Cologne beeinflusste 6-köpfige Ur-Fut wuchs auf der Bühne bisweilen zu einem 14 köpfigen Ding heran, bei dem Klammer 1981 die Felle übernahm. 1984 war Ende mit „Fut“, Klammer-Gründler, die schon vorher ein Trio mit dem 1983 verstorbenen Autor Gunter Falk gebildet hatten, gründeten das Trio „Sforza mit Komposition von sehr ungeraden Rhythmen und vertrackten Strukturen und machten ab 1985 nur noch als Duo weiter. Ihr damaliger Sound war ein Mix aus Improvisation und Komposition, „hart gespielt“, so Klammer, „vielleicht Art-Punk oder Noise-Rock“, so Gründler, die Elektronik bestand indes nur mehr aus Bodentretern. Zu der Zeit existierte in Österreich, so Gründler, keinerlei Szenevernetzung, und ähnliche Musik schon einmal gar nicht. „Was wir gemacht haben“, so Klammer, „war technisch schon sehr anspruchsvoll, wir haben wahnsinnig viel geprobt und geübt.“ Gründler: „Was es mit Punk verbunden hat, war der freie Umgang mit Stilen. Es war sehr eklektizistisch.“ Ihr Publikum reagierte damals durchweg positiv, erinnern sie sich heute, trotzdem blieben sie als notorische Zwischen-den-Stühlen-Spieler zunächst der Tipp für ein Underground- und Kunstpublikum, auch weil Klammer ab 1981 Verbindungen zu den bildenden Künsten wie z.B. zu Richard Kriesche und Peter Hoffmann aufgebaut hatte.

Dann begann das Duo sich intensiv mit der Elektronik und der Erweiterung des Klangspektrums zu beschäftigen, eine logische Folge ihres steten Reflektierens über Material und Kontext im Bezug auf Audioproduktionen. Als 1985 mit dem Mirage Ensoniq der erste erschwingliche Sampler vorgestellt wurde, verwendeten KGD ihn bereits im Sommer 1986 für Field Recordings in Eisenerz für das „Heimatklang/Klangheimat-Projekt der Steirischen Kulturinitiative, von dessen Honorar ein Dynacord-Drumset gekauft wurde. Dies war der eigentliche Ursprung des Duo-Programms. Das Equipment war schön schlank, aber das Streben nach Verbesserung brachte es mit sich, dass es bald wieder wuchs. Das Kabarettistische fiel dagegen ganz weg bzw. fand sublimere Formen: so experimentierten KGD 1987 mit Sprachsamples, die bei Auftritten in Graz und Klagenfurt von Hühnern „angepickt“ wurden. 1988 dann erschien das Vinyl „Blue Ex“, das in seiner hochkomplexen wie auch impulsiven Struktur aufhorchen ließ, das Album „Earshots“ dann sorgte 1991 bei vielen Musikinteressierten für nachhaltig offenste Ohren. Toningenieur für die beiden Zweispur-Proberaumkonzerte war damals übrigens Medienkünstler und Ars Electronica-Leiter Gerfried Stocker. Klammer: „Das Publikum war zu der Zeit extrem neugierig. Heute machst du ja keinen Riss mehr mit Elektronik, Laptopmusik ist Massenware geworden. Damals hat man die gegenseitigen Richtungen definiert.“ Aufgrund ihrer expliziten Konzept- und Kontexterweiterung wurden KGD in der Folgezeit häufig primär als Medienmusiker verstanden. Wichtige Marksteine dafür waren ab 1987 ihre Kopfhörerkonzerte, einen weiteren Höhepunkt bildete das weltweit erste multilaterale Midi-Konzert „Razionalnik“, bei dem das Duo 1987 als Audio-Netzwerk über die Telefonleitungen Graz-Budapest-Lljubljana spielte und so Raum und Grenzen überschritt. Das Nachfolgeprojekt „RGB“ von 1997, eine synchronisierte Partitur über Fernsehbild, intendierten sie bereits kritischer, da, so Klammer, „reine Netzwerkprojekte fad sind. Damals kamen immer mehr Netzwerkkonzerte und immer dieselbe Soße bei raus. Das waren so lang tragende Passagen, und im Grunde war es ohne musikalischen Wert. Unsere Frage war: wie kann man auch musikalisch wertvoll miteinander spielen?“

Gegen Ende der 90er Jahre spielten KGD immer seltener live, machten Radioarbeiten, Klanginstallationen oder Theatermusik und arbeiteten viel im Studio. Klammer konzentrierte sich ab 1995 zudem auf die bildende Kunst, Gründler arbeitete beim Grazer Institut für Elektronische Musik und spielte viele Soloprojekte. Zudem riefen sie den V:NM samt Festival ins Leben (siehe Info-Kasten). Klammer-Gründler sind durch eine hochoriginäre Geschichte gegangen und in aller Innovation immer noch auf einem spannenden Weg, nur die Kontexte präsentieren sich ihnen aktuell ungleich gelassener. Sie sind definitiv Pioniere auf dem Gebiet der elektroakustisch-improvisierten Musik und müssen nichts mehr durchsetzen oder beweisen. Der Begriff „Medienmusik“ indes ist laut Gründler für ihre Arbeit überholt, „weil das ist mittlerweile Alltag, und es macht wenig Sinn, das explizit zu thematisieren, das ist wie Busfahren oder Fernsehschauen. Ich bezeichne das jetzt als Kommunikationskunst, wenn man irgendetwas im Kontext macht oder mit Kommunikationstechnologien zu tun hat.“ Klammer gibt dem Recht: der Laptop auf der Bühne ist selbstverständlich geworden, und es ist auch diesbezüglich im Duo eine völlige Sicherheit eingetreten. Die Geräte funktionieren einwandfrei, und KGD können die Sachen mittlerweile exakt auf den Punkt bringen. Die Elektronik ist definitiv Erweiterung des Instrumentariums und Hilfsmittel geworden, aber nicht mehr so zentriert, da bei KGD gegenwärtig das Musikantische wieder im Vordergrund steht. „Bei der medialen Entwicklung unserer Technologie durch Sampling, Netzwerke und Digitalisierung von ca. 1990 bis 2000 ist das Spielerische ein bisschen in den Hintergrund getreten, und das kommt nun wieder“, so Gründler. „Wir begreifen uns schon als Musiker, wo Üben eine Bedeutung hat und der musikalische Umgang mit dem Material etwas sehr Wichtiges ist, und wo der Kontext einer jahrtausende alten Kultur, ein Instrument zu spielen, bedeutsam ist. Und wo der Körper, der beim Laptop ja verschwindet, als Impulsgeber wichtig ist. Insofern kommen wir da schon stark vom Jazz und sind dessen Improvisationsanteil verpflichtet, und dem Anspruch, aus der Tradition etwas Neues zu machen. Also auch als Gegenteil von Postmoderne, der ich zwar viel abgewinnen kann, aber ich bin sicherlich kein postmoderner Musiker. Der Glauben an die Moderne ist schon noch da bei uns.“

2009 beschreiben KGD ihre Musik als strukturierte Improvisation. Klammer: „Unsere Musik ist nicht auskomponiert, aber wenn man 25 Jahre zusammenspielt, kann man schon von Komposition reden.“ Dabei sitzen die Beiden immer noch gerne zwischen allen Stühlen, auch bei ihren vielfältigen Solo- und Nebenprojekten, aber, so Klammer: „Das Duo ist die Aorta, die Hauptschlagader, von der die anderen Sachen ausgehen.“

Info: Das V:NM-Festival

Der 1996 von Klammer-Gründler sowie Burkhart Stangl und Werner Dafeldecker gegründete V:NM (Verein zur Förderung und Verbreitung Neuer Musik, Vertrieb und Realisation von extraordinärer Österreichischer Musik) war ursprünglich primär als Vertriebsnetz konzipiert. 1999 fand in Graz das erste V:NM-Festival als Präsentationsplattform statt. Das Konzept: auf ein Kuratieren des Festivals wird verzichtet, stattdessen gibt es einen Aufruf an alle Mitglieder, eine Formation, ein Experiment, eine Perfomance etc. mit anderen Mitgliedern oder Gästen vorzuschlagen und im Rahmen des Festivals zu realisieren. Von Anfang an war damit der werkstattartige und experimentelle Charakter des Festivals festgelegt. Bis heute gilt, dass die Formationen, die auf dem V:NM-Festival auftreten, neu sein sollen, d.h. in dieser spezifischen Konstellation noch niemals zu hören waren. Das alle zwei Jahre stattfindende Festival organisiert zudem jedesmal einen Austausch mit den musikalischen Szenen anderer Länder bzw. Städte. Das V:NM-Festival ist mittlerweile ein unverzichtbarer Treffpunkt und Diskutierplatz für die österreichische Szene und das Publikum, und darüber hinaus ein wichtiges Referenzfestival für aktuelle Entwicklungen in der neuen elektronischen und improvisierten Musik geworden. 2009 findet das 7. V:NM-Festival vom 16. bis 18. April in mehreren Spielorten in Graz statt. Musikalischer Austauschpartner wird die Stadt Köln sein. Mehr Informationen unter http://vnm.mur.at/

(Jazzzeit)

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