Intakt-Records

DAS OFFENE BUCH DER IMPROV-MUSIK

Wenn einem im Leben eine Abfolge von Außergewöhnlichkeiten begegnet, die geschickt als Selbstverständlichkeiten getarnt sind, ist man geneigt, seine Ansprüche ohne ein Zeichen von Blasiertheit oder einem Gefühl von Arroganz zu erhöhen und von einer Logik der normalen Qualität zu reden. Dabei hat oft nur eine Erweiterung der Wahrnehmung und infolgedessen des Bewusstseins stattgefunden. Geschieht dies im Falle von Musik, kann man beispielsweise von Intakt-Records reden. Geheimnisse und Erkenntnisse zu Geschichte, Substanz und Leben eines unabhängigen Labels für improvisierte Musik.

Das Züricher Intakt-Label ist nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als ein, wenn nicht das Zentrum der schweizerischen Szene des grenzüberschreitenden Jazz und der improvisierenden wie komponierten Musik. Auf Intakt veröffentlichende KünstlerInnen prägten nicht nur die Geschichte der improvisierenden Musik in der Schweiz. Diese Geschichte beginnt nicht notwendigerweise mit Intakt, aber das Label war das erste, das sie in dieser hochkonzentrierten Qualität und Intensität abbildete, kontinuierlich Verbindungen sowie Verwandtes und Adäquates aufzeigte, und darüber hinaus grundeigene weiterführende Akzente setzte. Die Person, die maßgeblich hinter diesen Aktivitäten stand und steht, ist Patrik Landolt: Labelbetreiber, Journalist, Autor und die ersten 10 Jahre Veranstalter des „Taktlos“. Mit klarem Blick auf notwendige zeitgemäße kulturpolitische Akzente, hohem persönlichem Einsatz und genießerischer Passion leitet er die Geschichte von Intakt und hob das Labelprofil auf ein beachtliches hochprofessionelles Niveau. Doch natürlich ist das mit derzeit 80 Veröffentlichungen aufwartende Label keine One-Man-Show, denn wie in jedem gut funktionierendem Projekt geht es hier niemals ohne die vielen Netzwerke und Kooperationen ab, die sich im Laufe der Zeit entwickeln. Und so ist Intakt auch eine lehrreiche wie hochinteressante Geschichte aus dem komplexen, jedoch stets offenem Buch der Improv-Musik, in dem es sehr viel um Kontinuität und Hartnäckigkeit, aber auch immer wieder um Re-Definition, Transformation und Erweiterung der eigenen Grenzen geht.

Netzwerke

Ein überstrapaziertes, aber treffendes Wort, das für Intakt eine lebendige Bedeutung hat. Aus Kontakten werden Verbindungen, aus Verbindungen Bekanntschaften, aus Bekanntschaften Freundschaften, und daraus entsteht natürlich letztlich wieder: Musik. Barry Guy wohnt mit seiner Frau (und zwei Bässen) seit ein paar Wochen in Zürich, Nils Wogram ist inzwischen auch hier hergezogen und schiebt den Kinderwagen am Zürisee entlang, und es geht das Gerücht, das auch Butch Morris überlege, sich zwischen Sihl und Limmat niederzulassen. Entsteht dort etwa eine feine kleine Kolonie von Improvisern? Nicht etwa, dass Landolt sie alle hier hergeholt hätte, denn sowohl Guy als auch Wogram hat zB. Amors Pfeil aus Zürich getroffen, aber Landolt und seine Leute haben hier ein ungemein wichtiges Klima geschaffen, in dem neue musikalische Gewächse bestens gedeihen können. Das Label hat dafür sprichwörtlich die Erde gedüngt und angereichert, ohne die, man kann es nicht oft genug betonen, unkonventionelle und avancierte Musik nun mal keine Wurzeln schlagen kann. Die kontinuierlichen Aktivitäten, die natürlich in Form des „Taktlos“ stets eine hervorragende Repräsentation fanden, haben eine Plattform der Offenheit und positiven Spannungen geschaffen, szeneintern Begeisterung geweckt und szeneextern Verständnis und Interesse geschaffen. Mittlerweile hat man sich dadurch ein Profil erarbeitet, das eine Autorität darstellt, die im Grunde gar keine sein will. Denn vielmehr geht es um Offenheit, Austausch und Kommunikation. Allein die hohe Qualität und eine gewisse energetische Balance in der Musik – das könnten Kategorien sein, um die es in der Intakt-Musik sehr geht. Patrik Landolt achtet sehr auf Energien, und wie sie mal kraft-, und mal maßvoll für ihr Ziel eingesetzt werden können. Dabei ist Effektivität bedeutsam, denn man arbeitet nicht für die Schublade oder die Ecke, aber man muss und sollte sich eben auch nicht anbiedern. Setzt man auf Vertrauen und Qualität, kommt man schließlich beharrlich weiter.

Diese Praxis ist nicht selbstverständlich

Gleichsam ist Landolt ein Mensch, der im Bezug auf das Labelprogramm eine Balance der Kräfte sehr genau im Auge hat und anstrebt. Er achtet darauf, gelassen, aber sehr genau Kräfteverhältnisse auszutarieren, damit sie ihre Energien umso besser entwickeln und ausleben können. In der Ruhe liegt tatsächlich diese Kraft, und die Balance bedeutet nicht etwa, die Dinge zu neutralisieren oder ihre Energie abzuschwächen, ganz im Gegenteil. Landolt geht es um ein Gleichgewicht und eine Mischung aus Jung und Alt und Weiblich und Männlich ohne Quotenwunsch und Harmoniesucht aus dem Bewusstsein, dass die genuine Qualität improvisierter Musik nicht durch ein vordergründiges SpielerInnenprofil abgebildet und verzerrt werden sollte, denn dazu hat sich die Musik schon viel zu weit in die gesellschaftlichen Diskurse entwickelt – zumindest sollte es so sein. Vor allem nach dem a-feministischem Roll-Back der 90er Jahre und manchen männerbündlerischen Improvisationsnetzwerken machen sich Landolt und seine MitstreiterInnen da ihre Gedanken, noch besser aber: sie setzen sie auch um. Intakt bildet, ohne es zu postulieren, implizit auch ein politisches Selbstverständnis ab, und dazu gehört die Zusammenarbeit mit Leuten, die engagiert sind, Bewusstsein nicht als Lifestyle und Politik nicht als verkaufsfördernde Hipness verstehen – Leuten also, die nicht nur in Geschmacksfragen Stellung beziehen. Das Vermeiden von Pathos und Selbstbeweihräucherung gehört ebenso dazu wie der Verzicht auf eine clevere Codierung des eigenen Tuns mit politischen Markern. Diese Praxis ist nicht selbstverständlich, hülfe sie doch, das Label an der Oberfläche identifizierbarer zu machen. Doch Landolt, der doch so sehr auf höchste Qualität und Profil achtet, ist so etwas wie eine markierbare „Corporate Identity“ zuwider. Es entspricht auch nicht den Kriterien, nach denen sich die improvisierte Musik entwickelt. Er, der für jede Produktion ein sehr genaues Auge und großen Wert auf Artwork und die nahezu vergessene Kunst der Linernotes legt, die bei Intakt-Platten ganz moderner und zeitgemäßer Teil des Gesamtbildes sind, mag es nicht, wenn die Musik, die ja zugleich auch immer Ware ist, als Marktprodukt markiert wird. Das entspricht keineswegs einem Hang zum Auratischen, sondern dem Wissen, dass Musik für Intakt, neben ihrer strukturellen Verbreitung, vor allem eine ästhetische und damit letztlich politische Funktion innehat. Und es ist nur die Frage, wie und mit welchen Kanälen man dies transportiert. Abseits vom Mainstream ist man eben keinstenfalls marginalisiert, aber auch, und darum geht es im Grunde, kein zweiter Mainstream.

Es braucht Hartnäckigkeit

Patrik Landolt macht die ausführende Arbeit von Intakt und repräsentiert, aber es sind noch drei weitere Leute involviert: Rosmarie A. Meier, seine Lebensgefährtin, macht Finanzkontrolle und –prüfung und setzt auch bestimmte inhaltliche Impulse, Irène Schweizer, Mitbegründerin von Intakt, ist heute noch als Beraterin und Spiritus Rector aktiv mit dabei, und Fredi Bosshard, wie Landolt Redakteur bei der Zürcher „Wochenzeitung“, der heute für die Organisation des „Taktlos“ zeichnet, ist auch noch am Rande, aber doch unweigerlich programmatisch mit Intakt verbunden. „Anfang der 80er Jahre“, so Landolt, „herrschte in Zürich ein ziemliches Vakuum. Die Werkstatt für improvisierte Musik (WIM) war aus den 70ern, dem Aufbruch der hiesigen improvisierten Musik, entstanden und hatte endlich in der Magnusstrasse ein festes Domizil gefunden. Aber es gab eigentlich keinen Veranstaltungsort mehr.“ Landolt, gebürtig aus Toggenburg im Kanton St. Gallen, wohnte zunächst in Thalwil, einer Agglomeration 15 km unterhalb der Hauptstadt, wo er bereits unter dem Titel „Musik bei den Leuten“ frühe Konzerte mit „Cassiber“, Fred Frith und Chris Cutler veranstaltet hatte. „Maggie Nichols und Irène Schweizer traten damals im Restaurant der Arbeiterquartiere auf, wo ¾ türkische Gastarbeiter waren. Die Leute spielten Karten, während sie ihr Songbook spielten…“, erinnert sich Landolt. „Auch Fredi Bosshard kam aus Thalwil – es war schon die Urzelle. In den 70er Jahren galt die Idee, dass man diese Vororte, die Agglos, die kulturelle Ödnis waren, wieder beleben musste, damit sie nicht zugrunde gingen und nicht rechtsfaschistisch wurden.“ So leierte man damals der Stadt Kredite für kleine Festivals aus dem Rücken, stürzte damit fast hochoffizielle Überbauungsprojekte, und machte erste wichtige Erfahrungen in Sachen Musikorganisation. Heute sind noch Spuren davon zu sehen, sagt Landolt, so war die damalige Arbeit keinesfalls vergebens. „Es braucht manchmal diese Hartnäckigkeit, bis die Leute wirklich merken, dass da etwas ernsthaftes ist“, erklärt er – und dieser Satz kann stellvertretend für seine ganze kulturelle und politische Arbeit gelten.

Geschichten aus der Roten Fabrik

Doch 1981 zog es ihn schließlich doch nach Zürich, wo er schon seit einiger Zeit Philosophie studierte und mit einer Gruppe von sechs Leuten, u.a. Irène Schweizer, die Veranstaltergruppe „Fabrikjazz“ gründete. Ab 1982 gab es Konzerte, und 1984 dann das erste „Taktlos“. Das Festival, vom ersten Moment an ein vollkommen freies Festival, war in den ersten Jahren sehr erfolgreich. Es bestand ein Bedürfnis, so dass sich vor der Bühne bis an die 1000 Besucher sammelten, und das Schweizer Radio nahm auf. Die ersten Aufnahmen gruppierten und realisierten sich um Irène Schweizer, doch an den herumgeschickten Bändern hatte damals niemand Interesse. Und so machte man die erste Platte, inzwischen eine Vinyl-Rarität, ganz spontan selber, weiter Aufnahmen folgten. „Irène hatte auch Nachholbedarf, nachdem ihre Platten, die sie in den 70ern bei FMP aufgenommen hatte, in der Schweiz schlecht erhältlich waren.“ Die Platten kamen sehr gut an, der große Erfolg ermutigte, und als nächstes Großprojekt folgte Barry Guys London Composers feat. Anthony Braxton. So entstand das Label langsam als Nebentätigkeit der Veranstaltertätigkeit von Landolt, der sich damals sehr stark in der aufkommenden Rote-Fabrik-Szene engagiert. Die Zeit der 80er waren die Aufbruchszeit: „Wir haben nichts bekommen, mussten richtig kämpfen, und es war zum Teil brutal hart, es gab harte Ablehnung, aber es war eine gute Substanz, eine gute Gruppe und eine wahnsinnig gute Musik. Die ganze Bewegung wurde damals massiv kriminalisiert – aus dieser Zeit heraus entstand Intakt auch.“

Wie haben wir das damals eigentlich gemacht?

Wir haben die Anstöße gegeben, waren aber dann doch nicht vollkommen dabei, sondern autonom draußen“, bringt Landolt es heute auf den Punkt. Damals ging es um die Beschaffung von Geldern und um Ausbau und Stärkung einer Identität, und es hieß es vor allem: durchhalten. Intakt-Records fuhr die ersten 10 Jahre mit 2-3 Produktionen auf Schmalspur, in erster Linie konzentrierte man sich dabei auf Schweizers Solo- und Duoaufnahmen, und nebenbei galt der Aufbau des London Jazz Composers Orchestra, „dieser acht Grossaufnahmen, finanzielle Wahnsinnsdinger, die sich ansonsten eigentlich kein kleines Label in der Größenordnung erlauben konnte.“ Durch Radio Zürich bekam man das Studio gratis, da das Kollektiv beim Taktlos spielte, und so konnten Flüge und Proben finanziert werden. Obschon es immer diese Verbünde gab, fragt sich Landolt noch heute, wie sie das damals eigentlich gemacht haben. Enorme Logistik und der Evergreen Leidenschaft, eine interessante Dialektik, so Landolt. „Letztlich hängt es immer von den Leuten ab, die die Kapazität und den langen Atem haben. Wem es so wichtig ist, dass es auch über Krisen und weniger produktive Phasen gemacht wird, der bestimmt es letztlich auch.“ So zeichneten sich neben der Taktlos-Dokumentation und dem sich konsolidierendem Künstlerstamm immer mehr Linien wie zB. die Präsenz von Musikererinnen ab. „Da darf man einfach nicht denkfaul sein und muss sich umgucken und die Sachen ernstnehmen, die da sind, das ist auch heute für uns noch ein wichtiges Anliegen. Iréne steht vor allem dafür, und das verpflichtet, das wir diese Linie weiterführen.“

Einführung in die Kunst der Differenzierung

Gibt es eine Intakt-Selbstdefinition mit verbindendem Element? Landolt überlegt. „Gute Musik im Grenzbereich von Improvisation und Komposition, auch mit elektronischen Sounds. Das sind immense Welten, von Cecil Taylor bis Koch-Schütz-Studer oder Maggie Nichols, und man muss die Ohren haben oder zumindest bekommmen, um dieses immense Spektrum zu unterscheiden. Wie Blau ja auch nicht Blau ist in der Kunst.“ In der Tat: Intakt-Musik führt auf großzügige und sinnliche und eben nicht auf rigorose oder moralisierende Weise in die Kunst der Differenzierung ein, und dabei präsentiert sich wunderbarerweise die Gesamtästhetik nicht geschmäcklerisch, sondern sehr klar und transparent. Landolt verweist auf Barry Guys „Odysee“ als eine der aktuellsten Formen von Musik, der sowohl die Anwendung der avancierten Techniken der 60er und 70er Jahre, gleichzeitig aber auch die modernen Kompositionstechniken implizit ist, dann aber auch das heutige Lebensgefühl, das teilweise mit Harmonie und Wohlempfinden spielt, aber nicht in den Kitsch und eine Eindimensionalität hineindrängt, sondern diese Gefahr immer wieder mit den avancierten Techniken bricht. „Das erzeugt eine Ganzheitlichkeit, ein breites Spektrum des Ausdrucks, das auch für Lucas Niggli typisch ist…also keine minimale Geräuschebene. Ich mag sehr gerne die Ganzheitlichkeit auf einer avancierten Ebene.“ Intakt-Musik lebt durch Differenzen in den Arbeitsweisen und Stilen, die aber wieder energetisch enggeführt werden und nicht als disparates Patchwork verloren in der Gegend stehen, sondern sich in einer aktuellen emotionalen Ausdrucksform äußern. Am selben Tag, als Landolt nach New York flog, um Aufnahmen mit Elliott Sharp und Braxton zu machen, begann der Irakkrieg. „Die Aufnahmen Sharps drücken Stimmung und Wut über den ungerecht durchgezogenen Krieg aus, auf Bluesebene mit Freesounds. Das Grundfeeling ist ein elektrischer Free-Blues, ähnlich dem, was Hendrix einst mit der Nationalhymne machte…es ist natürlich faszinierend, wenn man die Formulierung so eines Protestes mitgestalten kann.“

Balance und Energie

Ein, wenn nicht das bestimmende Merkmal vieler Intakt-Aufnahmen scheint die Dialektik von Freiheit, Lust und Fest auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber etwas sehr Strenges, Präzises und sehr Konzentriertes zu sein. „Das ist sehr gut beobachtet“, entgegnet Landolt überrascht, „und vielleicht hat das auch mit unserer Generation zu tun, denn ich gehöre ja nicht zur Gründergeneration der improvisierten Musik. Es ist Teil meines Lebensgefühls, und die Konzentration ist vielleicht tatsächlich ein Schweizer Zug. Das erstere verweist aber auch auf die African Community in Zürich, eine Tradition, die Irène respektvoll hochhält. Wir beziehen uns auf diese sehr reichhaltige fantastische Kultur der avancierten schwarzen Künstler, die in den USA selbst komplett marginalisiert ist. Das, was dann nach Europa ganz anders ankommt und hier sehr eigentümliche Spuren hinterlässt, das bildet Intakt auch teilweise ab. Evan Parker und Barry Guy sind ja etwa die europäische Aufhebung des späten Coltrane, die Weiterführung und Radikalisierung. Ich mag es aber, wenn beides nicht etwa zusammenprallt, sondern vielmehr wirkt.“ Und die Erfahrungen der neuen Musik oder auch ihr kontrollierender und strukturierender Gestus, das wird bei Intakt nicht direkt umgesetzt, sondern geht einfach durch den musikalischen Korpus hindurch und hinterlässt dort Spuren. So wirkt die Musik nie massiv oder offensiv in einem plakativen Sinne, sie „bratzt“ nie, sondern ist stets sehr transparent und bisweilen fragil – und doch wohnt ihr gerade wegen der Balance und Zurückhaltung eine ungemein kraftvolle Redundanz und Energie inne, die eben nicht, wie es im Rausch der Plakativität oft passieren kann, verpufft, sondern nachhaltig nachwirkt.

Quer- und Seitenlinien

In Aussersihl, einem traditionellen Arbeiterviertel, wo heute die Zürcher Drogenszene, die Klein- und Großkriminellen und der Straßenstrich zuhause ist, befinden sich gegenkulturelle Oasen: kleine Clubs wie das Casablanca, der legendäre RecRec-Plattenladen, und eben die WIM. Im Musikraum das Schlagzeug von Irène Schweizer, ein Klavier, ein kleiner Schreibtisch, ein kleines Mischpult, ein Sofa und viele Fotos der Hausfotografin Francesca Pfeffer an der Wand, die unzählige ProtagonistInnen improvisierter Musik, gleich ob lokal oder international, per Foto zu einem kleinen Stillstand gebracht hat, so dass man die Lebendigkeit dieser Szene nahezu atmen kann. Auch hier ist Intakt stets präsent, viele Quer- und Seitenlinien finden sich. Denn neben der internationalen Anerkennung ist die Reflektion von lokalen Zusammenhängen stets wichtiger Teil der Labelgeschichte gewesen, und das Erarbeitete setzt sich auch hier fort und damit neue Akzente. Heute hat sich Landolt zugunsten des Labels aus der Livemusik-Organisation verabschiedet, ist der Szene als anerkannter Impressario und Mitkurator des Zürcher „Unerhört“-Festivals jedoch nach wie vor stark verbunden. Auch, weil er einfach die Erfahrung hat, die die Musiker nicht haben. „Und im Moment ist einfach musikalisch wahnsinnig viel los in dieser Stadt. Zürich hat gerade eine Hochblüte von guter Musik, aber es fehlt das Forum, um das manifest zu machen.“ Jedoch gibt es zivilgesellschaftliche MusikerInnengruppen wie zB. OHR, die von Irène Schweizer und dem Organisator der WIM-Hausband „Billiger Bauer“, Omri Ziegele, als autonome Clubsache organisiert sind – so schreibt sich für Patrik Landolt die Geschichte einer freien Musikkultur, die nicht vom Etat kontrolliert wird, fort. Ziegele, der, wie viele seiner Mitspieler vom „klassischen“ Jazz kommend, das WIM früher als eine Spielstätte, die „von den der eigenen Sache komplett widersinnigen Ge- und Verboten des Free-Jazz geprägt war“, eher uninteressant fand, spielt mittlerweile einmal pro Monat selbst mit seiner seit 7 Jahren existierenden Workshop-in-Progress-Band „Billiger Bauer“ öffentliche Probenkonzerte. So schließt sich ein Kreis und öffnet sich gleichsam durch Grenzüberschreitung wieder. Dass er mit Schweizer, der grande dame der Szene, zusammen OHR organisiert, macht da nur Sinn. Mittlerweile unterrichtet Ziegele, genau wie die ebenfalls mit Intakt stark verbundene Saxofonistin Co Streiff, im WIM. Die Musiker wissen, dass ihnen mit Intakt das beste aller möglichen Label in Zürich begegnen konnte und loben uneingeschränkt Patrik Landolts Überzeugung, Willen, Einsatz, Engagement und Umtriebigkeit, wenn es darum geht, die oft komplexe Musik herumzubringen und bekannter zu machen. Geben wir ihm also das Schlusswort: „Es gibt einen Zusammenhang einer ästhetisch und politischen Ambition, oder Idee, oder Tendenz, aber das muss erkämpft werden, das ist nicht einfach so. Und es ist eine wahnsinnige Informations- und Vermittlungsarbeit und Präsenz nötig, damit ein Teil der politisch interessierten Leute auch avancierte Kunstformen überhaupt zur Kenntnis nehmen und sehen und hören lernen können.“

Zum Weiterlesen unbedingt empfohlen:

Die lachenden Aussenseiter“. MusikerInnen und Musiker zwischen Jazz, Rock und neuer Musik. Hrsg. Von Patrik Landolt und Ruedi Wyss, Zürich 1993.

Eine ausführliche Diskografie und mehr auf www.intaktrec.ch

(Jazzthetik)

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