JEMAND ZUHAUSE?
Live 1.4.2001 Düsseldorf, Tor 3
Von Marcus Maida
Heuer ging’s freiwillig zum Sozialarbeiter: eine glückliche Zigarettenmarke hatte geladen, und das Tor 3 brummte. Während Vanessa Mason aus Berlin den Abend u.a. mit ihrem Stück „Ohne Worte“ eröffnete, schlängelten wir uns durch das Familientreffen. Durchweg ältere Semester, gereift wie ein Camebert, wie man so bös sagt, insgesamt aber eine coole, relaxte und erwartungsvolle Meute. Rastas, Kappen, Flygirls, Skins in Fred Perry, Soul-Ladies, Stinos – I saw freaks, I saw life. Selten bei einem HipHop-Konzert ein so nett gemischtes Publikum gesehen. Klare Sache, der Name Guru zieht immer noch wie ein Magnet.
Als nächstes gab’s eine Kostprobe vom Talent der hoch gelobten Lina aus Houston bzw. LA zu hören. Inmitten der famosen Flower-Brothers, Guru’s Begleitband – Bassist Vic ist übrigens ihr Liebster – präsentierte sie ihre Version von jazzigem Slo-Mo-Funk und angeswingtem r&b, was bisweilen sehr 70er mässig rüberkam. Sehr vital und konzentriert, ihre Stimme erinnerte teilweise gar an Diana Ross, machte sie in Pailettenbustier, Silberstiefeln und Federboa Stimmung, vor allem, als sie einen vierköpfigen Chor aus dem Publikum angelte, der so gut und witzig war, dass man fast glauben wollte, die seien an jedem Tourabend dabeigewesen. Gewippt, gejohlt, geswingt, und vor allem bei den Ladies kam ihre Art an: sexy, aber nicht obszön. Diese Frau hat Stil und Verve.
Dann aber der Meister selbst, unverkennbar, denn wer beherrscht so schön die alte B-Boyfolklore des Call und Response wie Mr. Elam? do that shit / I like it / motherfucker, / who’s in the house – Guru hätte auch „Hundekuchen“ rufen können, und die wogende Masse hätte begeistert intoniert. Die Gebrüder Flower schafften sich zum Einstieg prompt mit unglaublich tightem Funk, über den Guru, logisch mit sunglasses after dark, sehr souverän seine Consciousness-Raps in die Menge warf. Mit „Jazz it up“ zollte er Coltrane und all den anderen, die einst „giant steps“ machten, Tribut und gab dem Nachwuchs eine kleine Schulstunde. Sein Swingduo mit Lina kam original Minnie Mouse & Kater Karlo-mässig, danach wurde mit „Hands up“ auch noch alte Gang-Starr-Scheisse gereicht, und es herrschte Bombenstimmung. Der Bass wurde tiefergelegt, es gab jede Menge Schweiß und Hasch zu riechen. Und weniger Jazz als eben präzis reduzierten Funk und nassen Streetsoul. Oben auf den Rängen tanzten die B-Boy-Artisten zu dieser Schulstunde in Tiefe und Funkyness. Guru verteilte die Jump-Ups wie Kamelle, feuerte seinen Tour DJ B-Side aus Berlin (of Mellowbag-Fame) an – der insgesamt einen okeyen Eindruck hinterliess, aber auch nichts abfackelte –, pfefferte sein nasses Handtuch in die ersten Reihen und sah danach direkt auf seine klobige Uhr. Nach ruhigeren Momenten mit spirituellen Vibes gab es noch jede Menge Zugaben: alle mussten „Revolution – Evolution“ rufen und „Stop the Violence -Save the Children“ brüllen. Dann holte Guru den Berliner FreestyleMC Serafinale auf die Bühne, der den Leuten den Rest gab.
(Intro)