Plone

WENN ZWERGE RIESEN WERDEN

Jeder von Euch kennt die 7 Zwerge, richtig? Aber wie heissen sie nur?

Wer bekommt das noch zusammen?

Ich nicht. Und bevor hier überschüssige Energie in „Trivial Pursuit“-Orgien verschüttet wird, mache ich mich lieber auf die Socken und treffe drei nette junge britische Tagträumer in ihren Mid-Twenties, die mithilfe einer enormen Sammlung analoger Elektrogerätschaften akustische Filmchen drehen, in denen namenlose Zwerge durch die Köpfe walzern und die graziösen Sprünge elektrischer Bambis nicht nur gestandene Freundinnen zur Verzückung bringen und zu den seltsamsten Kommentaren veranlassen wie: Fein. Rosa. Ehrlich. Was ist denn nun schon wieder los? Easy, People: die Niedlichen kommen. Nachdem zb. „Mouse On Mars“ derzeit den Bogen der verspielten experimentellen Fluffigkeit wieder etwas zurückschrauben, kommen Billy, Mike und Mark daher und geben uns ihren süssen, kuscheligen Nintendo-Where-It’s-At-Strato-Klingklang. Das kann nur eines heissen: Lolek und Bolek im Synthieland auf dem Weg zur Tele-Tubbies-Disco. Oder waren’s doch die drei kleinen Schweinchen?

Der böse Wolf kommt auf jedenfall mit einem Sack voller Fragen ins Zimmer. Und eine davon muss lauten: Warum seid ihr mit gerade mal einer Single, der September 97 erschienenen „Press The Key“, von überbegeisterten „Warp“-Records gesignt worden? Das ist doch auch ein Zeichentrick-Träumfilm, oder? Die 3 lachen leptosomisch. „Es war wirklich alles ganz einfach. Wir hatten einen Gig mit „Broadcast“, die Single war gerade draussen. Sie kamen auf uns zu, wir schickten ihnen dann ein Demo, und das war’s.“ Das ganze passierte in Birmingham, wo unsere 3 subsonisch dahergrummelnden Comicmännlein herkommen. Getroffen haben sie sich zuvor in Wolverhampton, zwei studierten dort Arbeitslosigkeit, der andere lebte bereits von der Stütze. Es war 1993, als „Plone“ das analoge Licht der Welt erblickte. Als die Uni mit Abschluss verlassen wurde, hatte das herumslackern den tiefen Wunsch in ihnen geboren, eine Band zu gründen. Und dieser Vorstoss war ihnen wichtiger als die Musik selbst. Nach dem üblichen 4-Spur-Krach-Experiment-Homerecording-Sessions mit einem billigen Sampler und haufenweise analogen Synthies und Drumcomputern, die damals noch extrem preiswert und häufig zu haben waren, gewann der „Plone“-Sound über die Jahre vor allem eines: Struktur. Und Atmospäre. „Unser Sound kommt klar aus dem Equipment, erst gucken, was man damit machen konnte, dann wurden wir immer selektiver.“ In Second-Hand-Läden wurden Tasten gedrückt und Potis geschraubt, und auf einmal gingen ganze Geschmacksknospenfelder der Erinnerung auf: Kannst Du Dich an diesen Sound auf dieser Platte erinnern? Jetzt haben sie ein ganzes kleines Zimmerstudio voller Zeugs, das meiste dazu in einem erbärmlichen reparaturwürdigen Zustand. „Habt Ihr keine Freunde, die scharf auf’s Reparieren dieser alten Teile sind?“ „Es gibt nicht viele Leute, die das gut machen können, die meisten machen’s nur noch schlimmer.“ „Plone“ aber vertrauen ihren intuitiven Fähigkeiten. Der analoge Klangzirkus wird zwar digital arrangiert, aber sehr oldschool, per Atari und Cubase. Ab und an werden alte Rythmussounds und Percussions von Orgeln gesampeld, mit einem EMU, natürlich. „Plone“ mögen Songs, haben aber keinerlei Rocker-Attitude. Eher sehen sie sich als elektronische Songschreiber, denen Melodie und Klang das Wichtigste ist. Voller Stimmungen und Künstlichkeit. Einer sagt: „Es gibt soviele Platten, die in den ersten Minuten völlig aufregend sind, aber dann kommt gar nichts mehr.“ Einer gähnt zustimmend. Willst Du einen „Plone“ wachmachen, red über Equipment! Minimoog. ARP-Odysee. KORG Polysix. Teisco S100P. Kawai. Jam. Dr. Rythm. 606. Drumatrix. Oder frag nach Referenzen. Die Beach Boys begeistern definitiv. Ein „Plone“-Track heisst schliesslich: „Be Rude To Your School“. The Whitenoise, unerreicht durchgeknallte Psychedeliker. Der „Midnight Cowboy“ – Soundtrack. Der „Forbidden Planet“-Soundtrack – alles psychedelische Klassiker.“ Die unglaublichen „Dreamies“ und ihr 1973er Meilenstein „Auralgraphic Entertainment“ jedoch kennen sie genausowenig wie den „Captain Future“-Soundtrack, dabei sind das auch ihre nächsten Verwandten. Jetzt sind sie wach. Was ist mit Disney, Mark? „Es gibt diese Disney-Platte von Sun Ra, sein Tribut an seine Songs. Wunderbar.“ Das Geheimnis von „Plone“ ist ganz einfach: Keep your naivity! Wie ein kleines Kind die Melodien spielen und damit die grossen Kinder um den Finger wickeln. Nicht umsonst heisst ihr Beitrag zur „We Are Reasonable People“-„Warp“-Compilation „Plaything“ und ihr Debütalbum „For Beginner Piano.“ Alle Herzen fliegen ihnen zu, wenn nur die warmen Brummbässe ihrer Synths erklingen. Klingt nicht nur kitschig, ist so. John Peel lud sie zu seiner „Meltdown“-Veranstaltung in die Londoner Festivalhalle ein, und sie rissen das Publikum von den Stühlen – und das, obwohl sich die Keyboards ständig verstimmten, DI-Boxen für ungewollte Explosionen sorgten und ständig irgendetwas ausfiel. Die Leute stiegen darauf ein, klatschten und schrien. Unsere 3 panikten erst wild herum, dann lächelten sie in Unschuld mitten unter die Leute und gewannen. Daydreamer beat the system.

Woher kommt eigentlich der Name? „Wir hörten von einem Wissenschaftler, Arnold Plone. Den schnappten wir uns.“

Es muss ein verrückter Wissenschaftler gewesen sein.

(Style & The Family Tunes)

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