Robert Merzdo / Albrecht Kunze

ROBERT MERDZO

n.a.q.o.b. (DoCD)

ALBRECHT KUNZE

Testarchiv (Do EP / CD)

Doch ein sopranähnlicher matter Schrei aus dem nicht denkenwollendem Kleinhirn machte dem Zwang zur krampfhaft originellen Mitteilung ein Ende und schon war man nach mehreren Schnäpsen wieder zu Hause. Und was hatte man nicht alles gesehen: Mittelklassemenschen in den Läden, Mittelklassewagen auf den Strassen, Mittelklassegedanken aus Mittelklassemedien aus Mittelklassemündern. Und alles schillerte selbstredend in honigfarbenem Hochglanz. Diese Medienpatina machte so verwirrend wichtig. Aber wenn doch alles neu und wichtig sein soll, was fangen wir dann mit Platten wie diesen an? Geduldig zuhören, denn Unspektakuläres doch Gutes aus Münchens Disko B gibt noch immer genug unverhofften Anlass zu Freude. Die zwei Frühjahrslongplayer von dort beinhalten konkret-kompakte Elektronik aus den letztes Jahr häufig fabrizierten Schnittstellen Band- und Bühnenformat und basteln das noch weiter aus. Keine neue Vision, dafür solide Dissonanzen aus erfahrenen Randzonen und holprige Gefälligkeiten für neugierige Interessenten aus dem Alternativsegment. Robert Merzdo, Songwriter, Komponist und Soundworker, u.a. für das spanische Theater „la fura dels baus“, kommt vom Bandgefüge Mass, wo er Gitarrist und Sänger ist. Das elektronische Projekt „not a question of balance“ existiert seit drei Jahren mit Bülent Kullukcu, und auf dem aktuellen opulenten Longplayer mit 140 Minuten Spielzeit werden diverse rauhe Erfahrungen zu Minimal-, Industrial- und Elektroscapes verarbeitet. Die Tönung dieser Klangrythmik changiert zwischen grau und schwarz, dazwischen glitzern ungewöhnliche Partikel. Geloopte Gitarrenriffs sind mit sequentialisierter Rythmik verbunden und verkonstruiert, der Kitt ist köchelnder graumelierter Industrial. Nicht immer neu und originell, aber mit vielen Überraschungen. Viele gute Tracks wechseln sich mit einigen wenigen Langeweilern ab, das ganze erinnert an den Japaner „Sympathy Nervous“, wobei die Rythmik zuweilen ins Altertümliche hinkt. Sympathisch, aber insgesamt wäre ein Einzelalbum sinnvoller gewesen. Albrecht Kunze releaste bislang mit „lamé gold“ auf Studio 54 und „B Recordings“ auf Cheap und Payola. Zudem produziert er Hörspiele über „Krieg und entertainment, Girlgroups und Frontbetreuung, Sound und Zerstörung. Zur Zeit arbeitet er an einem Hörspiel über Sly Stone.“ Soweit der Infotext. „Testarchiv“ arbeitet sich sehr sauber und geschickt durch analoge, oftmals jazzige Strukturen hindurch und erschafft zuweilen eine überaus gelungene Verbindung von Swing mit Elektroglasur, das alles jedoch noch obskur genug, um schräger Film noir mit Originalitätsfaktor zu sein. Sehr oft erinnert das an „Tipsy“, das verlotterte easy L-Projekt mit den virtuellen Erinnerungen auf „Asphodel“, und manchmal guckt sogar Bernhard Herrmann um die Ecke. Das gehypte Phänomen „Weilheim“ gespiegelt via Disko B, von supergut bis leider zu bieder ist alles drin. Wir warten aufs nächste Jahrtausend.

(Disko B / EFA)

(Testcard)

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