Babicz / Tietchens / Auch / Twintone

ROBERT BABICZ

Desert (CD)

ASMUS TIETCHENS

Teilmenge (CD)

AUCH

Kiss tomorrow goodbye (CD)

TWINTONE

Parallel Universe (LP / CD)

Ein schneller Blick auf vier neue Platten von vier miteinander verknüpften Frankfurter Labeln. Auf „Mille Plateaux“ das neue Album von Robert Babicz. Wer ihn immer noch mit Rob Acid assoziiert, hat ein wenig geschlafen, da bereits sein „Momente“-Album auf selbem Label ein grossartiger Beweis für seine Entwicklungsfähigkeit war. Der Mann schafft hier kleine Klanglandschaften mit Atmosphäre und seltsamem, sehr eigenem Witz, der nicht Humor ist. Was andere nicht schaffen, da sie sich in pathetisch-epischen Drones verlieren, gelingt Babicz, dessen kleinen Stücke wie mundlose Fischwesen oder wenigstens Amphibien anmuten. Die brummen dann den Nahrungsvakuolen-Blues, das aber im Vaudeville-Stil. Wer minimale „Drone“-Singles mag, bekommt hier unaufdringliches, aber intensives Material geboten. Asmus Tietchens dann als ergänzende Antithese auf „Ritornell“. Es ist vielleicht bekannt, dass der seit den 60er Jahren an Klangformen in akustischen Räumen arbeitende Tietchens, den weder die Parameter Rythmus noch emotionale Projektion auf die dabei entstehenden Klangperspektiven sonderlich interessieren, ein weniger humorvoller Zeitgenosse ist. Das wurde mir erst wieder bewusst, als ich die Fussball-WM-Reportage des Endspiels von Bern 1954 mit dem superhysterischen Reporter Herbert Zimmermann und das längste der hier abgelegten Stücke, das 36-minütige „Drei Teilmengen“, miteinander vermischte. Wir brauchten gerade konkretes Fussball-Hörmaterial für den Ammer / Einheit-Artikel, da kam die frisch hereingekommene Tietchens-Platte gerade recht. Ergebnis: sie sperrte sich komplett, wollte nochnichteinmal einen düster-drohenden Kommentar zu diesem für Deutschland so wichtigem Spiel geben, das den internationalen Aufstieg des Landes nach 1945 auch symbolisch wieder ankurbelte. Tietchens Platte blieb störrisch, mürrisch, eigen, noch verstärkt durch das äusserst klinische Klangbild, dessen Unkommunikationsschleife äusserst geschlossen, selbstreferentiell und nahezu autistisch klang. Auf dem Cover wieder das übliche Cioran-Zitat, diesmal aus „Vom Nachteil geboren zu sein“: „Jede Generation lebt im Absoluten: Sie führt sich auf, als sei sie am Gipfel, wenn nicht am Ende der Geschichte angelangt.“ Viel Spass damit. Das Projekt „Auch“ dagegen repräsentiert den typischen Output von „Force Inc“: rythmusbetonte Strukturen, die technoide Konzepte gelassen feiern, obschon da ruhig mal ein Teelöffel Schönheit – übrigens eine Währung von mir – dabeisein darf. Die 13 Stücke, die bisweilen stark an Basic Channel-Material erinnern, zelebrieren mit melancholischer Stärke eine relativ unintellektuelle Monotonie, ohne stumpf zu sein oder sein zu wollen, das gefällt, und ein Titel wie „I should have stayed at home“ ist auch schön und brauchbar. Twintone schliesslich beendet den Frankfurter Reigen auf „Position Chrome“ mit einer funktionalistischen Two-Step-Strecke, die wohl wirklich nur echte Drum & Bass-Headz und Dauertänzer erfreuen wird. Volker Thiel ist tatsächlich ein Talent und wird sicherlich noch so manche schöne Platte herausbringen, allein ist dies das einzige Album in diesem Zusammenhang, auf dem der Rythmus unverzichtbar ist, und Pech auch: das nervt. Doch es wird zunehmend besser, die schrottigen Hi-Hats verschwinden irgendwann, und Tracks wie „Vampires“ und „Mesentery“ entwickeln sich inmitten einiger Filler gar zu ähem Killern. Wir beenden unser heutiges Labelpanorama.

(Testcard)

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