The Third Eye Foundation / Snooze

THE THIRD EYE FOUNDATION

I poopoo on your juju (CD)

SNOOZE

Going Mobile (CD)

Matt Elliott lebt in Bristol und will da weg. Verständlich. Vor kurzem noch vertraute er mir an, dass diese Stadt, die er durch seinen Plattenladenjob im „Revolver“ musikalisch zu sozialisieren hoffte, verlassen wolle, und England sowieso: kein Mensch interessiere sich da für interessante Musik, die er ja mit den bemerkenswert eigensinnigen Postindustrial-Definition „Ghosts“, „You Guys Kill Me“ und der letztjährigen Weiterentwicklung „Little Lost Soul“, in der Drum&Bass-Idiome mit opernhaften Gesangslinien und einem spezifisch sinistrem Gespür für krude aurale Cinematografien verbunden wurden und die Musik des Projektes auf ein neues Level brachten, selber beispielhaft vorgelegt hat. Jetzt ist Schluss damit. „I poopoo on your juju“ (Kinderslang, etwa: Ich mach a-a auf dein Kharma“) ist das letzte Album der „Third Eye Foundation“, aber keine Tränen, denn zu gut ist der Abschiedsgruss, an dem in einem knappem Jahr Acts wie z.B. Yann Thiersen, Tarwater, Remote Viewer, Chris Morris und Blonde Redhead in Form von Exlusivremixen von teilweise noch unerschienenem Material gearbeitet haben. Die 8 Tracks oszillieren zwischen instrumentalchanson-, song-, soundtrack- und droneexperimentalartigen Stimmungen bei gleichzeitiger Erweiterung dieser Strukturen. Diese Tongebilde gehören zur besten Filmmusik, die es seit langem gegeben hat. Es soll ja Leute geben, die dazu noch den Film verlangen. Unverständlich. Genervt von der Nonreputation des Projektes beschloss Matt, es zu den ewigen Akten zu legen und vielleicht nochmal anders komplett neu anzufangen. Vielleicht kann er sich ja jetzt endlich in Holland zurücklehnen und in Ruhe Dub und Tim Buckley hören, bevor er – garantiert! – etwas neues ausbrütet. Snooze ist ebenfalls ein Mensch, der Filmmusiken sehr schätzt. Verständlich. Seine Herangehensweise ist jedoch ungleich anders gewichtet: weniger auf eine experimentelle Erweiterung und Verschiebung kommt es ihm an, als auf eine stilvolle Einarbeitung klassischer und zeitgenössischer Popidiome aus den Bereichen Soul, Funk, Easy Listening und House. Die Sprache des 97er Albums „The Man In The Shadow“, sein hierzulande schwer unterschätztes, dabei hochqualitatives Debut, ist nun auf dem Nachfolger „Going Mobile“ noch geschmeidiger geworden. Snooze gelingen nach wie vor herausragende Arrangements für seine inspirierten Groove-Träumereien, die Anzahl der Vokalistinnen hat sich zudem erhöht und sorgt für eine Auflockerung der Stimmungen, die sowohl den filmischen wie auch den jazzigen Moment, den beiden Fundamenten von Snoozes‘ Schaffen, sinnvoll auffächern. Nach wie vor samplet er Basslines so dezent treffend, dass sich eine virtuelle Combo vor Orchester denken lässt, die hier im Studio dirigiert und arrangiert wird. Snooze schreibt natürlich wirklich professinell Filmmusik, erst letztens für einen nur in Frankreich herausgekommenen Film, der leider katastrophal floppte. Das die Arbeit dieses Menschen nicht verdient. Zum Glück gibt es Snooze, das Popprojekt. Für „Doremifa Girl“ möchte ich ihm einen Nobelpreis aus Zitroneneis verleihen, für das ewiggestrige DubhouseImitat „It’s more expensive for this“ allerdings einen Gülleeimer voller unanständiger Fragen über den Kopf kippen. Unverständlich. Aber egal: Snooze ist nicht die Schlummerfunktion für unser Distinktionsbewusstsein, sondern ein sanftes Viviseziermesser für den rigorosen Geschmacksfaschismus in uns, der Schluss macht, ohne überhaupt erst anzufangen. Löse dieses Rätsel. Enten…Eller. Luxus in harten Zeiten.

(Testcard)

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