Amanda Stewart

SELECTED POEMS

(CD & Buch)

Voc: Amanda Stewart

Written, performed and produced by Amanda Stewart

Technische Produktion: John Jacobs

Spieldauer: 65:44

Split Records / No Mans Land / *****

Amanda Stewart ist die Vokalistin der australischen „Machine for making sense“, jenem aussergewöhnlichem gemischtgeschlechem Improvisationsquartett, das bereits die Texte des Experimentaldichters und -vocalisten Chris Mann verarbeitete. Innerhalb des Projektes nimmt Amanda Stewart, neben Jim Denley (Reeds), Stevie Wishart (Drehleier & Violine) und Rik Rue (Digital und Analog Sound Manipulations), eine Sonderstellung ein: sie arbeitet, ganz die klassische Stimme, nur mit Textblatt und Stimmbändern. Und zwischen diesen Polen geschieht eine Menge. Von reiner Geräuschhaftigkeit bis zu faszinierenden Overlayings von Vokalschichten, wenigen minimalen Manipulationen der Stimme ist einiges vorhanden, was die Einzigartigkeit und Variationsmöglichkeit der Stimme als Instrument hervorhebt und extrapoliert. Im Vergleich zu anderen ExperimentalvokalistInnen wie zb. Meredith Monk, Diamanda Galas, Phil Minton, David Moss, Maggie Nichols, Jaap Blonk oder Dorothee Schürch ist es doch vor allem ein very remarkable feature, das die Ausnahmevokalistin – selten traf dieses oft benutzte Wort besser zu als hier – von Anderen unterscheidet und hervorhebt: der unbedingte Bezug zur Semantik. Amanda Stewart ist innerhalb der Experimentalvokalszene eine der Wenigen, der es explizit um Inhalte geht. Die erklärte Anarchosyndikalistin, die übrigens vor kurzem auch ein Libretto für die Sydneyer Oper verfasste, hat nun eine erste Auswahl ihrer Gedichte herausgegeben, was nur in der Edition „CD & Buch“ Sinn machen kann. Einerseits können Rezepienten der Band nun endlich nachlesen, welche Inhalte Amanda in den rasenden Improvisationsfluss der „Machine“ hineinwirft, zum anderen sind diese Semantiken ohne die Dekonstruktion, Verbiegung und Formung durch die Stimme überhaupt nicht denkbar. Die Verbindung der Optionen von Form und Inhalt gelingt hier so gut wie bei kaum einer anderen Aufnahme von Experimentallyrik. Ernst Jandls „bist eulen?“ von 1984 funktioniert ähnlich in seiner Konsequenz, aber doch unter ganz anderen Vorzeichen. Zudem gibt es hier Stimme pur, Wörter und Bedeutungen werden neu konstruiert, in Echtzeit zusammengesampled, und immer wieder gibt es kontextuelle Verweise, historische Stränge aus privatistisch-sozialistischen Halbheiten / Ganzheiten und Viertelsemantiken, die multifunktional, aber nicht beliebig, ergänzt werden. Buchstaben, Wörter und Icons werden einer neuartigen Doppelbedeutungshelix gleich über die Seiten gezogen und kopiert, dabei verwischt, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine der ganz grossen kleinen Taschenmonumente aus Worten der Jetztzeit.

(Jazzthetik)

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