Matrix / Invisible Soundtracks / Beige

MATRIX

Various Films

V.A.

Invisible Soundtracks: Macro 3

BEIGE

I don’t either

Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo sich bei elektronisch fundierten Labeln eine klare Corporate Identity abzeichnet. Bei den einen wird das klar und konzeptionell von Anfang an durchgezogen, bei den anderen ergibt sich das über die Zeit, oder, wie es so schön, aber viel zu selten zutreffend heisst: es bleibt spannend. Wer beim Berliner Label Chain Reaction Überraschungen erwartet, kann auch auf sechs Richtige im Lotto hoffen. Das hört sich jetzt negativer an, als es gemeint ist. Schliesslich sind auch die Vorgaben klar, dass Chain Reaction ein Label ausschliesslich für einen abgezirkelten Kreis ist, dessen Zentrum das mittlerweile in die Jahre gereifte Basic Channel-Projekt ist, dazu assoziierte Projekte wie zb. Vainquer, Ridis oder Monolake. Das letztjährige Album „Vibrant Forms“ aus Griechenland war zb. eine Basic Channel Exegese reinsten Wassers, heisst: ein ausdifferenzierter Stil wurde erneut ausdifferenziert. Matrix hingegen ist ein japanischer Produzent – Namen sind bei diesem Label nach wie vor Schall und Rauch -, der durch die ansprechende EP mit den „Blue Film“-Tracks im letzten Jahr bereits Freude bereitete. Das Autorenalbum besteht nun weniger aus auralen Schnappschüssen als eben Filmen. So lässt es sich Zeit, in 14 Tracks eine gewohnt unterschwellig pulsierend eingesetzte Bassdrum die Grundlage für bewegende und mitunter endlos tiefe minimale Stücke zu geben, die zwischen geheimnisvoller Hypnotik und kristalliner Transparenz abwecheln, genauso jedoch zwischen designter Eintönigkeit und spannender dramatischer Schichtung oszillieren. Gleichsam Matrix zweifelsfrei eine weitere Apotheose der Labelphilosophie darstellt. Das britische Label Leaf dagegen erscheint ungleich disparater im Materialoutput, auch wenn hier ein klares Konzept zugrundeliegt. Die 1995 begonnene Serie, die angeregt durch die Musik von Eno und Barry Adamson, verschiedenen Produzenten einen Rahmen gibt, Musik für einen „unsichtbaren Film“ zu kreiiren – ein Unterfangen, dass schon mal gerne in die Prätentiosen-Hose gehen kann -, kann auch im 2000er Relaunch noch klar Akzente setzen, allerdings unterschiedlichst gewichtet. Manches ist lieb, manches streift sinnlosen Eso-Dreck und darf ohne Umschweife als „gekünstelter artsy-fartsy Müll“ bezeichnet werden, manches klingt wie von 1995, und manches ist wunderschön bis nahezu brilliant. Irgendwie schwebt manchmal Mike Oldfield über den Wassern dieser Musik, und wem jetzt nicht gruselt, der freut sich. Ruhige Tracks sind die Regel, Beats eher die Ausnahme. Das führt zu der Leaf-Soloplatte von Beige, die ich, obwohl oder gerade weil ich befangen bin, als eine der besten dieses Jahres bezeichnen möchte. Beige produziert abgenagten, nahezu skelletierten Funk der Marke „Kalter Schweiss“, der in allen Zwischenräumen silbern schäumt und Spass macht. Zudem schraubt er schon so lange an seinen exzellenten Tracks herum, dass alle erleichtert „Endlich!“ aufstöhnten, als der Wahlkölner, der noch Material ohne Ende, vor allem aber auch eine unbarmherzige eigeneingebaute Qualitätskontrolle auf Lager hat, endlich diese Platte herausbrachte. Tatsächlich hat es das so noch nie gegeben, diese an P-Funk geschulte Metrik- und Harmonielehre, die ohne jegliche prätentiöse elektronische Ernsthaftigkeit, aber mit viel nervöser Gelassenheit zusammengecuttet und -pastet wurde. Wirklich grosses Ding, und selten sowas. (Matrix: Chain Reaction, Compilation & Beige: Leaf)

(Testcard)

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