Bob Humid

Twisted Repairs (CD)

Twisted Despairs (CD)

Um Zukunft soll es hier gehen? Vielen schlafen schon beim gegenwärtigen Andenken bestimmter musikalischer Genres die Gedanken ein. Verständlich. Nehmen wir mal „Drum & Bass“ – Was ist denn da Mitte 2001? Halt, nicht weglaufen! War da nicht mal was? Gab es da nicht mal Four Hero, Acen, Omni Trio, 2 Bad Mice, Hidden Agenda, Goldie, Hyper-On-Experience, Blame & Justice, Photek, Dom&Optical, TeeBee oder Klute? Und waren da nicht Versprechen wie Materialisierungen von Geschwindigkeit, Energie, Funk, Seele, Science Fiction, Tontechnik und eben auch Pop, die diese Produzenten via Drum & Bass in gewisser Weise als „Königsdisziplin“ der Danceproduktion umsetzten? Der in Uruguay geborene Kölner Musikproduzent, Tontechniker, Labelbetreiber, Partyveranstalter und Journalist – u.a. betreut er die Technikseiten der „Groove“ – Bob Humid hat in seiner über lange Jahre andauernden Teilnahme an Drum & Bass und dessen Rezeptionskultur endlich seinen eigenen und damit einen notwendig neuen Entwurf fertig erarbeitet, der einfach über die Spezialistenklientel hinaus gehört werden muss. „We care because they won’t“ hiess programmatisch die erste 12″ Auskopplung des als Doppel-CD erscheinenden Albums, konsequenterweise kongenial von Bernhard Deissler, dem „Kölner Chris Cunningham“, als Video in Szene gesetzt. Doch hier geht es nicht ums HipHop-mässige Dissen ala „Nein, so nicht“, sondern einfach um eine ganz logische wie leidenschaftliche futuristische Variante von elektronischer Musik, die von Drum & Bass aus-, aber weit darüber hinausgeht. Es geht natürlich auch um eine mögliche Variante von Drum & Bass nach dem Motto „So hätte es auch passieren können, und so sieht es aus, wenn man da scharf bremst und dorthin abbiegt“. Dorthin: das heisst Sheffield-mässige Producerskills und ebensolches Bewusstsein, dass Drum & Bass nämlich a. nicht nur auf dem Floor zuhause ist, sondern auch im Kopf, b. eine futuristische Bewusstseinslage den tighten Funk und die exakte Rythmik des Genres nicht ausschliesst und c. sich beim Verlassen der Gewissheiten wie immer die spannendsten und scharf konturiertesten Ungewissheiten auftun, die Musik letztlich weiterbringen. „Twisted Repairs“ hat Killertracks wie „Driller Killer“, „Prediction“ und nicht zuletzt „Shiny Black Bug“, wo die Beats sich rasant-fulminant über – you name it: – Käpt’n Fleischherz‘ Stimme kesseln – neue Konzepte in Rythmik und Klang, die twisten, wackeln, rocken und bewegen, das gibt es noch. Doch das Konzept geht weiter: „Twisted Despairs“ variiert diesen Entwurf aus einer imaginären Replik auf das Geschaffene aus dem Jahre ca. 2035 heraus – und da morpht sich die Rythmik in diverse schwarze Löcher, verglüht knisternd in Sternennebeln am Tannhäuser Tor oder erfährt eine lautvolle Odyssee im Beat-All, in der auf einmal die „drunken aristocrat“ Stimme von Carla „Fetischpark“ Subito über die Bordlautsprecher des in unendlichen Weiten taumelnden Mutterschiffes kommt. Ein verdammt spannendes Unterfangen, eine notwendige Redefinition des Genres und eine Adrenalinkur für neue Bewegungslinien.

(Serve And Destroy / Groove Attack)

(Testcard)

Schreibe einen Kommentar