TERRE THAEMLITZ
Love For Sale
ROBERT BABICZ
MoMente
(CD)
Terre Thaemlitz öffnet die stock exchanges seiner „Queer National Trust“. Welchen kapitalistischen Kurs hast Du? Bist Du dein Leben überhaupt wert? Reagierst Du auf Angebot & Nachfrage? „Love For Sale“ ist täuschend ruhig, betörend fast, steht aber ständig unter Spannung. Die gewohnten Störungen überraschen immer noch im Material, auch nach mehrmaligem Hören. Mal kokelt eine Akustikgitarre auf dem elektronischem Grill, mal werden die Frequenzen oszillierend in der Schwebe gehalten & drücken sich dann aggressiv nach vorne. Es gibt keine normierte Verstörung hier, vielmehr eine selbstverständliche & gewohnheitsmässige Brechung eines bewusst wahrgenommenen Alltags – vordergründig vor allem dem der queer-community und ihrer konkret miterlebten Historie, was im text- & theoriereichem Booklet mit allen Hintergründen nachgelesen werden kann: Treibstoff für reflektierten Klang, der sich ohne Anbiederung mitteilen will & zur Diskussion auffordert. Wenn elektronische Musik, die politisch sein will, politisch sein kann, dann diese! Klang, der keinen dekorativen Zweck zeitgenössischer Musik mehr erfüllen will, der weder erfreuen, noch rocken noch besänftigen will. Überaus ruhige & hypnotisch übereinandergelagerte Pianoloops verführen die Unaufmerksamen, balsamieren die Wahrnehmung ein. Dann schmort die Elektrik durch. Kaltes Feuer in Leitungen aus Blut & Fieberglas. Mit „MoMente“ kommt ebenfalls bei Mille Plateaux ein ungewöhnlicher Stromfluss von Robert Babicz heraus, in dem die Konstruktionsteilchen sich wie Abfall vor einem Filter eines Sperrwerks sammeln, um dann in einer leeren Halle aufgebahrt auf den Zufallsgenerator & den Pathologiesequenzer zu warten. Der seziert mit messerscharfen Filtern und zieht blutendweisse Schneisen in das Tonfleisch & holt Gewebeproben für das interessierte Auditorium hervor: schlecht ausgeleuchtete Tracks mit hypnotischer Kleinteilrythmik wie „Bar“, andere („Formung“) rauschen im Geräuschrauschen keinem Ziel zu. Babicz hat hier sehr genau gearbeitet, was amorph wirkt, ist noch lange nicht beliebig. Die Stücke vermitteln die Klangästhetik einer unbegeisterten Postindustrialität – means: kein Hi-Tech-Fetischismus & kein affiges droppen von hippen digitalen Codewörtern -, die Reste einer organischen Industrialität werden umstandslos gesammelt & in fragmentarisch-paradigmatischen Momentaufnahmen in einer Art bizarren Kuriositätenkabinett im Jahrmarkt der Eitelkeiten „One Before Milleniums End“ ausgestellt & dem Publikum überlassen. Ob das was davon übriglässt?
(Mille Plateaux / EFA)
(Testcard)