Blumfeld

ZWISCHEN DEN ZEILEN, DA KOMMT NOCH LICHT HER

“There’s not much room for indifference.”

Bill Callahan / Smog

“So what you’re gonna do / in private?”

Dusty Springfield

Jochen ist alleine da, schade eigentlich. Blumfeld spielten gerade ein Soli zusammen mit Superbilk für die Besetzer der ex-Rheinarmee Häuser Kaiserswerther 290 in Düsseldorf. Beteiligte der Besetzer, Redakteure der Erkrather Schülerzeitung ‚Antimaterie‘ & wir kommunizieren über die Frage: Wie lassen sich konkrete politische Optionen öffentlich bzw. im Feld von Kultur verhandeln & umsetzen, ohne weder in herrschaftliche, noch in alternative Machtdiskurse & Dispositive zu verfallen? Es ist auffällig, wie Jochen von explizit politisch-identifikatorischen Zuschreibungsmodellen, die ihm auch während des Gesprächs zugetragen werden, häufig auf das Terrain des vermeintlich Privaten rekurriert. Sinnlos, dieses Gespräch auf ein paar positivistische Thesen & Pseudoergebnisse zu verknacken, lieber einmal Distelmeyer im O-Ton & dann die Textmaschine anwerfen.

„Wichtig ist, dass man überhaupt Identität als Essenz oder Differenz als Essenz denken kann, also die Problemstellung überhaupt weiß, & wenn man da öfter drüber nachdenkt sich das auch hoffentlich materialisiert in einem. Das ist für mich neben dem, was man da immer kritisch denken kann, auch gleichzeitig äh – Hoffnung. Also, ich glaube daran, weil ich darüber nachdenken kann, dass es beispielsweise Formen gibt wie Kollektiv oder soziales Zusammenkommen, Beziehungen herstellen untereinander, das sich außerhalb von modellhaften Identitäten & Zuschreibungen von Identitäten bewegt. Ja? Ich freu mich darüber, dass ich das denken kann. Genau wie ich mich darüber ärgere oder darüber traurig bin, dass ich alle möglichen Versuche, das hinzukriegen, ganz oft umkippen sehe, in ihr Gegenteil, aber sogar dem kann ich mittlerweile eine gewisse … Würde abgewinnen.“

Blumfeld = die Spannung aushalten zwischen Allgemeinheit & Individuation. Die Antagonismen stehen lassen können, die Widersprüche nicht nur anerkennen, sondern aktiv umsetzen, damit leben & arbeiten können, aus der dialektischen Spannung Energie gewinnen, damit trotzdem & gerade konsequent & zielgerichtet handeln, sich aktiv in offenen sozialen Räumen bewegen, diese Räume dabei öffnen, sich selber immer wieder öffnen. „Ich sehe keine andere Chance als Kommunikation.“ Privatheiten nicht solipsistisch definieren, jeder geschlossene Raum ist ein Sarg. Alles ist sozialer Raum, es gibt keine sozialen no-go-areas. We are an entity. Identität: Der Staat bin ich. Der Staat & ich. „Ich“ wie eine Nation begreifen & überwinden, denn „Ich-Maschine“ produziert Egozentrismen, Nationalismen. Ziel: Das scheinbare ‚private only‘ sozial zu analysieren & kontextualisieren, Mechanismen aufzeigen: Körperkapitalismus, Bio-Kapitalismus, Verhaltens-kapitalismus. Me & my Baby. Me & my (Bio)body. Liebe, Sex? Na, das ist doch was, was ich höchstens mit meinem Partner/in teile, nicht? Draußen auf Kaution, die Vereinzelung, im Privaten & in vielen Bereichen. Dagegen: Kooperation & Kollektiv als Idee/Zitronen – Gefahr: 68er-Renaissance, das „gemütliche Einrichten“ (Ted Gaier) in der Dissidenz. Warum sagten viele bei der neuen Zitronen ‚Das ist doch eh klar!‘, warum kreischten so viele bei der ersten Blumfeld ‚Die Platte spricht von mir!‘? Ein (selbst)bewußtes Kollektiv kann nur aus (selbst)bewussten Individuen bestehen. & jedes Kollektiv muss sich wie ein Individuum ständig reflektieren & positionieren. Aber wo fängt Macht an? Innerszenische kryptoautoritäre Strukturen sichtbar/handhabbar machen. Was’n hier los? Politische Korrekturen als Kontrollmechanismen vs. anarchistische, unkontrollierte ‚Spaßfraktion‘ -ist Spaß denn kontraprogressiv? HeyHo, ist Konsequenz etwa spießig? Können sie hier einen Spießer sehn? Hallo, aufwachen! Wie ein Staat im Staat das Unkontrollierbare kontrolliert machen wollen. Szenen durch protestantisch-ethische Rigorosität anklagen & ausschließen, anstatt sie als Partner/Brothers & Sisters zu akzeptieren & zu gewinnen. & dann RazzFazz: Integrität vs. Indifferenz & rhizomatische Spielchen, kein Austoben im symbolischen Terrain der Kultur bzw. sich in deren Kanälen in Distinktionsgefechten immer mehr zu differenzieren & letztlich aufzulösen – was wollten wir eigentlich noch hier? We’re lost in culture. Channel-Zapping: Diskursivität erstmal als Errungenschaft begreifen, klar, inkl. Gefahr als potentieller Politikersatz. Denn sonst kommt’s dicke: Linke Schreibweisen als Agitationsersatz, raschelndes Papiertigertum, dabei Reproduktion von Herrschaftswissen & -Codes. Darin logischerweise Verbalradikalismen ohne Ende & Dissing a-gogo als politischer Kampfersatz, schöne linke Schützengräben im sicheren handwarmen Schlachtfeld der Kultur. Kein Schulterklopfen, Junge. Wer hat hier die radikalste Haltung, wer hat den geringsten sozialen Effekt? & Attitude pays, comrade. Which side are you on? It’s a long his-story of linke Selbstzerfleischung. We are different, aber klar doch, da sind wir uns EINIG. One nation underground. Wir reproduzieren keine Dispositive der Macht, wir sind kein CDU-Ortsverein, wir sind LINKSzwodreivier! Um was geht’s hier überhaupt? Ich will meine Sinnhirarchie wiederhaben! Blumfeld liefert Texturen zur Reflektion des Flottierens in rhizomatischen Kanälen, nicht nur für Kulturabreiter, äh Arbeiter, übrigens. Stehenbleiben, spiegeln, umkippen, wieder zurück, das Erfahrene mitnehmen, verarbeiten, weiter. Der Zwischenraum ist keine ratifizierbare Größe, sondern das, was politische Existenz & Weiterkommen überhaupt erst möglich macht. & 1sam sitzt der Text am Schreibtisch, nachts womöglich, um den Kunstkitsch perfekt zu machen: Die Nation ist dunkel, aber zwischen den Zeilen, da kommt noch Licht her. Es sind diese Zwischen(T)räume, die uns retten. Wie kann ich Handlungsoptionen deutlich machen & umsetzen, ohne sie identifikatorisch zu instrumentalisieren? Wie kann ich mich diskursiv bewegen & kommunizieren, ohne auf verbale & sozioökonomische Zuschreibungen hereinzufallen. Vom Navigieren in Strategien & Identität(en). Schafft ein, zwei, viele Identitäten! Macht verrückt, was euch verrückt macht! Die Kontroll-Direktive „Arbeit“ negieren, was in realiter ja doch selten etwas anderes bedeutet, als das zu tun, was Milliarden tun: Zahlen in kapitalistischen Verwertungsstrukturen umherschieben. Jonglieren mit Einheiten. Davor Respekt haben, davon sich kontrollieren lassen? Dann lieber Sübkültürindustrie oder was? Also bitte! Wie können Kulturproduzenten überhaupt politisch sein = wollen & wirken, ohne süße kleine dissidente Zulieferanten zur allmächtigen großen Kulturindustrie zu sein? Hallo Zwangspaktierungen, hallo Eingebundensein, Grüß dich Bewegungslinie, Servus Fluchtpunkt! Bei allen sozialen KunstIrrealitäten & Virtualitäten von Proberäumen & Redaktionsräumen, Himmel & Hölle, mach doch x jemand den Kulturkack aus, NEIN, doch nicht – KLICK.

und von dem satz geht’s in die praxis

(Seven)

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