Freeform / Maeror Tri / Heaven Deconstruction / Antiphony

Freeform
HETERARCHY

Maeror Tri –
LANGUAGE OF FLAMES & SOUND

HEAVEN DECONSTRUCTION

V.A.
ANTIPHONY

Von Marcus Maida

Hier der definitive Pool für Leute, die Interesse an völlig anderen Klangformen haben, wie sie sonst auf diesen Seiten vorgestellt werden. Oder sagen wir: eine Pfütze. Aus selten-seltsamen Klängen, Tönen & Geräuschen. Spiegelst du dich drin & erkennst du was? Die Menschen, mit denen du diese Klänge teilen kannst,sollten deine Freunde sein. Wer hiervor wegläuft, muss noch etwas lernen. Vielleicht nur, dass es noch andere Möglichkeiten der Musikerzeugung gibt, als (semi)akustische Instrumente möglichst perfektionistisch nach dem Terror okzidentaler Tonlehren zu beHERRschen. Oder dass es noch andere Härtegerade & Formen gibt, dass sich Töne mit deiner Physik – die ja auch nichts anderes ist als ein Klang-Körper – verbinden, als gerade Basstrommel nachts um halb 4. Die hier aufgeführte Musik formuliert Möglichkeiten unhierarchischer Musik, bei aller Form, in der sie letztlich aufgezeichnet wurde, bleibt sie im Fluss & in Bewegung, kehrt sich um & wechselt die Richtungen. Sie ist nicht immer dieselbe, das kommt daher, da sie keine identifizierbare Form einnimmt, keine codierte Struktur zitiert, benutzt, weiterführt. Sie schafft sich durch ihre Bewegungen ein autonomes Terrain, in dem & mit dem sie sich bewegt, aber nicht ein- & abgeschlossen, sondern offen, im ständigen Austausch & voller Potentiale. Hey, nicht in Ehrfurcht versinken, wir haben es hier nicht mit beknackter Kunst zu tun. Schmier dir deine Philosophieassoziationen aufs Brot & geh raus in eine Wirklichkeit von Vielen, & du wirst Greuel hören, Musiken, die die Körper umwindet & an Bekanntes bindet, Musik, die ein Kitt für diese Verhältnisse ist, Musiken mit der Brutalität von Dampframmen, die so fein & unmerklich einen unsichtbaren Kokon der Unterdrückung um die Menschen spinnt, dass sie es nie bemerken würden, sich im Gegenteil für aufgeklärt, vorurteilslos & natürlich FREI erklären.

Freeform: Jahr 2011? Simon Pyke aus Croydon ist sehr weit voraus, vielleicht weiter als Aphex Twin, which is POP. Logisch wieder ein Technologiestudent, der in seinem Computer versinkt & mit den Bits verkehrt. Er sagt, es geht darum, Toningenieur zu werden, also Konstruktur & De-Konstruktor. Was war noch x ein Musiker? Veröffentlicht hat er bereits auf Autechre’s ‚Skam‘-Label, Worm Interface & – Warp. Da enden sie alle. Erstmal. Logisch wieder so ein junger weisser Engländer mit komischer Bartkultur, ElektroTechno-kenntnissen ohne Ende & einem selbstverständlich virtuosem Umgang damit, der einem Punk-Approach verdächtig nahekommt. Freeform produziert auch richtige Tracks, mit Beats & so (Vrgl .Glob-EP/Musik aus Strom), aber was hier vorgeht, hat noch keine Sprache & Kategorien, ausser den eigenen.

MAEROR TRI aus Bremen gibt es nicht mehr. Das in der letzten SEVEN vorgestellte Klangkollektiv, in der bewussten Generierung von unstrukturierten Klangformen mit einfachen, meist analogen Mitteln sehr weit vorne, hat sich kürzlich aufgelöst. Das Nachfolgeprojekt zweier ex-Mitglieder nennt sich ‚Troum‘ & arbeitet an einer Weiterentwicklung des Maeror Tri-Sounds. ‚Language of flames & sound‘, die letzte MT-Veröffentlichung, erschien auf dem italienischen Label Old Europe Cafe in einer 1000er Auflage. Im Gegensatz zu ‚Myein‘, dem 95er IndustrialAmbient-Wunderwerk, welches sich innerhalb von 3 Tracks in 75 Minuten Raum & Zeit für eigene, fast unmerkliche Bewegung gab, die innerhalb einer kontinuierlichen Spannung aus schwebender Statik & brodelndem Chaos zu einer filigranen Festigkeit aufbaute, die fast Gas-gleich, also prägnant, aber nicht greifbar im (Hör)Raum molekular entstand bzw sich regelrecht selbst erzeugte, generiert ‚Language‘ ungleich verzerrtere, rauhere & brüchigere Plateaus, deren Bewegungen nicht einfach zu folgen ist. Löcher, Risse & Zwischenräume überall. In den 5 Stücken HERRSCHT keine Kontinuität durch abstrahierte Zeit-Raumverhältnisse, zwischen deren festgesteckten physikalischen Parametern sich Musik disziplinarisch kontrolliert bewegen darf.

HEAVEN DECONSTRUCTION ist das Sideprojekt der Young Gods. Die experimentelle Arbeitsweise zu deren letztem Album ‚Only Heaven‘ veranlasste die drei Schweizer, bestimmte Texturen daraus weiterzuschreiben, an- & aufzureissen & zu collagieren. Es entstand eines der besten experimentellen Ambientalben der letzten Zeit, in seiner eigenwilligen Konsequenz durchaus mit FREEFORM vergleichbar. Es gibt keine Beruhigung hier. Die Schraffuren sind äusserst reduziert, strich-haft & nur angedeutet. Vieles steht scheinbar für sich selbst wie ein verottender Zaun in der Landschaft. Du willst ihn verächtlich umtreten, & du verletzt dich dabei. Er steckt tiefer in der Erde, als du sehen kannst. Cy Twombly-Ambient wäre eine selten dämliche & zudem verdammt prätentiöse Umschreibung, aber wenn damit einiges deutlicher werden würde, was hier geschieht, lasse ich sie stehen. HEAVEN DECONSTRUCTION ist ein Erlebnis.

ANTIPHONY ist auf zwei CDs die Fortsetzung des letztjährigen A FAULT IN THE MORNING-Samplers, auf den hier noch einx ausdrücklich verwiesen wird (Ausgangspunkt-Compilation für Klangformen abseits codierter Formen, die neben Bekannten wie Merzbow, Oval & Panasonic nur in Kennerkreisen gehörte Klangarbeiter wie Rehberg/Bauer, Ralf Wehowsky, Achim Wollscheid & einige andere vorstellt). Antiphony folgt diesem Konzept weiter, neben nahezu schon etablierten Leuten wie Bruce Gilbert, Chris & Cosey & Atom Heart gibt es radikale Klang-Generierungen & Synthesen, die oft im Terrain von purer Geräuschhaftigkeit entstehen. Auf ‚Ash International‘ finden sich konzeptuell viele Strom-Bearbeiter, die atmosphärisch-physikalische Frequenzen einfangen & wieder freilassen. Brummen & Schleifen, Knistern & Crackeln, Volt-Ex- & Implosionen werden nicht als geräuschhafte Noise-Sahnehäubchen einem exotischem Industrialverständnis aufgespritzt, sondern radikal zentriert & wieder dezentriert. Hertztöne anstatt Herztöne. Wer immer noch glaubt, Labels wie Mille Plateaux wären die Forefront & das Ende der Geschichte von musikalischen Herrschaftscodierungen, sollte nicht nur sondern MUSS sich geradezu mit diesen Ton-Welten auseinandersetzen, um die inhärenten Mikro- & Makrostrukturen zu entziffern, das Chaos zu akzeptieren, um in ihm arbeiten & leben zu können. Radikalität beginnt mit radikalen Umwertungen von Bestehendem & allseits Akzeptiertem. Umwertung, Aneignung, Nutzung. Intention & Stosskraft jenseits von teleologischem Zuschreibungsterror & indifferentem Spontitum. Keine Kunst-Revolution. Basic operations for future intentions, selbstverständliches & offenes Hineinbegeben in neue Räume & auf andere Ebenen. Hab keine Angst, du kannst dich nicht verletzen. The only fear to fear is fear itself.

(Seven)

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