Forces of Nature

VIRTUOSITY KILLED THE CATS

Mit Naturkräften & Wiedervereinigungen von Werten (Say: Refusionierung) im Drum & Bass Kontext von 97 zu verhandeln geht sich ja auf den ersten Blick erstmal ziemlich reaktionär an. Während hierzulande massenkompatible D&B-Styles durchs Formatradio schmieren wie ehedem SchlagerHipHop & Deppentechno, scheint zumindest London ein Country zu sein, der zzt. von seinem Trip runterkommt: Hard-bzw. Darkstepstyles rulen wieder, erinnern sich an Ragga-Wurzeln & versuchen sich an experimentellem Weiterkommen (Bsp. T-Power, Doc Scott, Kemistry, No U-Turn-Posse, just to name a forefront). Motto: Jetzt ist’s wieder da, wo wir’s (hand)haben wollen – die Detroit-Purismus-Analogie lässt grüßen. Die andere Variante ist D&B als Poptransformation, including Virtuositäscomeback: Viele schmoove mellow styles, listening only, oft hart an der Grenze zur Käsigkeit. Hierzu lieferte LTJ Bukem letztes Jahr DEN Blueprint überhaupt ab, andere sollten Folgen – wobei sich vor allem Moving Shadow mit einem klar zu verzeichnenden Willen zum POP hervortat (E-Z Rollers & andere). ‚Forces of Nature’ fielen letztes Jahr durch das äußerst perfektionistische D&B-Pop-Fusion-Album „Live from Mars“ (One little Indian/Virgin) auf, in dem sich mellow programmierte D&B-waves mit live eingespielten Instrumenten zu einer 97er Version von virtueller JazzFusion synthetisierte. Ähnliche Faszination für 70er Fusion-styles ala Return to Forever, die zumindest ich früher gerne mit spitzen Fingern berührte, wenn nicht gleich mit dem Vorschlaghammer bearbeitete (Im Vereinsheim der Frickler & Gniedler e.V.), gab es ja zuhaufe bei einigen Clear-Acts, letztlich vor allem Daniel Ibbotson, & bei Language, hier insbesondere die äußerst funktionierende „we equate machines with funkyness“-Variante programmierter Virtuosität von Endemic Void. Forces of Nature aus Bournemouth haben logisch auch eine Geschichte & einen Ort in der D&B-Producerszene: der schon etwas ältere aka erfahrenere DJ Chalke Lom/Paul Chambers – einer seiner „long time admirer“ ist angeblich ein gewisser Daniel Williamson, auch als LTJ Bukem bekannt , von dem Chalke auch Producercredits für Scores wie ‚Demons theme‘ & ‚Logical Progression‘ erhielt – bildet mit dem erst 19 jährigen klassisch-musikalisch ausgebildetem Tony Reeves eine kreative Partnerschaft, die sich bei aller Produktionsperfektion (ich werd den Steely Dan Vergleich nicht mehr los) tatsächlich als innovativ & futuristisch begreift. „Es ist 90erFusion, vergleich es mit den 70ern, als es Mainstreammusik wie Disco gab – heute ist das House -, aber es gab Leute wie Herbie Hancock & Eddie Henderson, die wirklich experimentelle Musik machten & Stile fusionierten. House ist der kommerzielle Stil von heute, aber es gibt immer Leute, die den Sound von Morgen, der Zukunft machen. Wir benutzen die Technologie allerdings, um die Gefühle aus den Sounds zu holen. Wir wollens nicht zu kompliziert machen, unser Studio ist klein. Viele Leute versuchen sich zzt an einer D&B/Jazz-Fusion, indem sie Miles Davis samplen, über einen Beat legen & sagen: Das ist der neue Jazz. Bollocks to that! Du musst deine Breaks perfekt programmieren können, aber der Jazz-Freestyle der Performance ist die Verbindung! Zurzeit ist in London der harte & dunkle Stil angesagt, wir versuchen eine mehr musikalische Variante zu machen.“ Favorite original Jazzmusiker der Forces sind Roy Ayers, Curtis Mayfield, Eddie Henderson, Herbie Hancock, Donald Byrd, Groover Washington, Miles Davis. „Sie haben nie aufgegeben & kommerziellen Käse geschrieben – they wrote, what they felt“, so Tony. Die Forces sehen sich selber null & nimmer als commercial cheese, sondern als X-perimentelle Vorreiter eines „Virtuosity with soul“-Stiles, der sich durch einen wertkonservativen Kanon vom verhassten Mainstream elitistisch differenzieren & konsolidisieren will, eine eigene Distinktion innerhalb des Systems erschafft & letztendlich einen Kulturkonservatismus generiert, der bisweilen sehr schmackhafte Früchte trägt: Try „Train of life“ early in the morning, perfektionierter Post-‚Inner city life‘-Vocal D&B. Trotz allem wirkt das „We’re only in it for the music“ der Forces, in allerbester Fusion-Tradition, etwas abgezirkelt & selbstbezogen, & eine Musik mit dem Eigenprädikat „for the future“ sollte vielleicht doch etwas konzeptioneller sein. Mit dem LTJ Bukem zugeschriebenem Begriff „radical beauty“ konnten sie jedenfalls nichts anfangen, & die Entscheidung, beim aus der Punk/Anarcho/Squatterszene hervorgegangenem Label „One little Indian“ zu signen, war logisch auch nicht politisch motiviert: „Wir versuchen uns aus Politik herauszuhalten. We’re just in it for the music. Unser Label gab uns die Freiheit, die wir brauchten. Und weil wir hauptsächlich Jazz-beeinflußt sind, wollten wir kein reines D&B-Label.“ Seufz. Na gut, Chalke, dann wenigstens zum guten Ende noch ein Statement zu Chick Corea & Return to Forever? „Blinding!“

(Seven)

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