PARAMETER STRETCHING – IM FITNESSTUDIO MIT DILATET PEOPLES
Der Sensemann fährt mich fast um, die Nutte an der Ecke grinst ganz dumm. Was treibt mich auch nach Pigalle, der alten Mausefalle mitten in Paris? „The Platform, it takes respect to perfect the art form, at times a battle ground where rappers get their hearts torn.“
Ich denke mal, es sind diese ziemlich aufregenden und neuartigen Raps aus Los Angeles in meinem Walkmann, die einen bösen Peugot fast meine unachtsamen Beine zersägen liessen (Props to RD Brinkmann!). Dilated Peoples sind in der Stadt, gaben gestern eine kleine Show im legendären Bains Douches und vermachen sich danach sofort wieder gegen Britannien. Da muss man hin, um einige Worte mit einer der besten Westcoast-Crews überhaupt zu wechseln. Erfreuten sie uns bereits seit zwei Jahren mit hochqualitativen 12″es auf Beni B’s ABB-Label, die von dem 98er Smasher „Work The Angels“ gekrönt wurden, rollt nun mit „The Platform“ via EMI ein ziemlicher Brecher mitten in die HipHop-Community, der unglaubliches Potential besitzt und in der Lage sein könnte, dem, was Manche immer noch gerne verträumt Underground-Rap nennen, in eine andere Liga zu katapultieren. Die Sensorien mutieren hierzulande allenthalben durch einen immer qualitativeren Output, und wenn die Entwicklung so weiter geht, lässt sich, was das Musikalische, und logisch auch das Geschäftliche angeht, Grosses erwarten. Im Hotel dann eine perfekte Trias: Michael Perretta (Evidence), Rakaa Taylor (Iriscience) und Chris Oroc (DJ Babu). Michael und Rakaa hatten bereits 1994 ein Album an Sony vertickt, das leider nie das Licht der Welt erblickte – „Wir sind zur Schule gegangen“, brummelt Rakaa unter seinem Rasta, „aber es war gut so!“ Nach weiteren Rückschlägen und Umdrehungen in diversen Promotionmaschinen erkannte man, dass eine veritable Crew unabhängig bleiben muss – durch und durch. Vertreibt dann ein Major das fertige Produkt ohne auch nur einen Mucks zu sagen, ist das ok – so erklären es mir die Drei, denen die sympathische Entspannung und Gelassenheit geradezu ins Gesicht geschrieben steht. 1997 kletterte dann Babu, übrigens eine Hälfte der legendären Beat Junkies, und ungelogen einer der besten HipHop-DJs dieser Welt, mit ins Boot, und etwas besseres als dieser freundliche Koloss, der seine sehr erweiterten Fähigkeiten in Sachen Turntablism einbrachte, konnte den beiden eh schon herausragenden MCs aus der Stadt der Engel gar nicht mehr passieren. Überhaupt: erweitern. Die Dilated Peoples strecken das Vokabular des HipHop ständig weiter aus, das ist ihr ungeschriebenes Programm. Rakaa, ein As der Poetry-Szene LAs seit frühester Jugend und ebenso Graffitikünstler, ergänzt sich hervorragend mit dem für seine perfekten Produktionsskills bekannten Evidence, der irgendwann das taggen sein liess und sich tief in die Materie der Beatproduktion hineinkniete. „Wir hegen eine gewisse Balance in unserem Tun“, so Babu, „es ist unsere Chemie, die uns so gut macht. Es ist nichts übernatürliches. Hier sind nur drei Typen, die sich gegenseitig sehr respektieren und genug Freiräume lassen. Das macht uns so besonders. Ansonsten: Sehr bewusste Lyrics, Beats, Cuts.“ Wow, das sitzt. Und Evidence erklärt mir sehr genau das unprätentiöse Programm der Drei: „Es braucht immer Innovateure, um die Parameter zu erweitern, Leute, die Risiken eingehen, auch auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden. Wir loten Möglichkeiten aus – künstlerisch, psychologisch, philosophisch, auch politisch. Offen sein, weiter gehen. Even into space.“ Sun Ra, ick hör Dir trappsen. Trotzdem ist euer Album bei aller Klasse ziemlich auf dem Boden geblieben. „Ich denke, am Ende gewinnt Einfachheit. Kompromisse sind wir nicht eingegangen. Wir definieren für uns – und hoffentlich auch für Euch.“
(Intro)