Yo La Tengo

FIVE DAYS A WEEK

Erzähle, wie jemand erzählt. Ira Kaplan, Gitarrist und Sänger von Yo La Tengo aus Hoboken/New Jersey, macht trotz Musikjournalismusvergangenheit natürlich auch lieber Musik, als darüber zu reden. Trotzdem liegt drei Jahre nach der letzten Platte „I Can Hear The Heart Beating As One” ein konkreter Anlass vor, um über jene mehr als erstaunliche, bewegende und einzigartige Musik dieser Band zu reden: es ist das soeben erschienene, wiederrum in Nashville eingespielte Album „And Then Nothing Turned Itself Inside-Out”, das erneut die Gemüter begeistern und beruhigen wird. Und bereits beim ersten Hören wird wieder klar, dass diese zwischen Songs und Tracks changierenden sanft glänzenden Juwelen in ihrem oft melancholisch-präzisen Gestus, aus dem sich ein sensibler Alltagshumor spinnt, für lange Zeit nicht mehr den Weg aus dem Musikplayer und dem Körper finden wird. Feine Feedbacks in den Hirnzellen, sanfte Schwingungen in den Herzkammern. Und Seele brummt. Die Platte fängt tatsächlich mit Verstärkerbrummen an. Das gibt es also noch, genauso wie die genial-karge Bandbesetzung aus Ira, seiner Frau Georgia Hubley an Stimme und Schlagzeug und James Mc New am Bass, die in Studio und Proberaum auch gerne mal die Instrumente austauschen. Überhaupt die Räumlchkeiten. Als ich Ira frage, was denn eine der grössten Veränderungen gewesen sei, seitdem wir uns im Sommer 97 vor einem phantastischen YLT-Konzert in Köln trafen, das nicht nur mir, sondern auch anderen langjährigen Fans der Band, wie zb. EA 80 Sänger Martin, seit langer Zeit mal wieder Gänsehaut bei einem Konzert beschert hatte, antwortet er ganz lapidar: „Wir sind in einen anderen Proberaum gezogen.” Für eine Band wie YLT, die früher in einem typischen Raumkomplex spielte, sehr bedeutsam. „Es war nie richtig ruhig dort, was aber sehr wichtig für uns ist. In Hoboken wird jedoch zzt. alles in Appartments umgewandelt, also wurde das alte Gebäude abgerissen. In dem neuen Komplex in Jersey City”, so Ira, „ sind wir tatsächlich die einzige Band.” Traumhafte Bedingungen für eine Band. Wie oft probt ihr denn? „Normalerweise fünf mal die Woche, von Montags bis Freitags.” Ulp. Äh. Ok. Das erklärt vielleicht einiges an dieser Band. „`Üben´ ist ein grandioses Wort, um das zu umschreiben, was wir machen. Je näher wir an die Platte herankamen, desto ernsthafter wurden die Proben. Vorher gibt es oft launige Jams oder Cover von dem, was wir so gerade im Radio hören. Dann aber…! Einige Tage sind verspielt, andere schlimmer als härteste Arbeit, und andere fühlen sich wie völlig verschwendete Zeit an. Du reagierst unwirsch auf die Anderen, und alles fühlt sich sehr depressiv an.” Die Bandklassiker galore – YLT leben sie natürlich. „Es ist jetzt sehr privat, wir sind nun an einem Punkt angekommen, wo alles sehr freundlich und leicht erscheint.” Trotzdem ist das neue Album kein sonnendurchstrahlter Ausdruck davon, sondern legt in einer sehr ruhigen und ungemein gelassenen Art auf typische Weise Zeugnis von der Welt des Trios ab, das sich gerne in eine Nusschale mit nur den Menschen zurückzieht, denen man vertraut, wie dem langjährigen Produzenten Roger Mountenot, aber auch den Cellisten Tim Harris, David Henry oder der aus der Improv-Szene NYs stammenden Perkussionistin Susie Ibarra. Das fragile Klangbild und die klare Produktion gehören zu den offenen Geheimnissen ihrer Musik. „Für uns ist der Klang nur ein Weg, eine Stimmung zu erzeugen, aber ein sehr wichtiger. Es gibt Songschreiber, deren Aufnahmen nur das Ziel haben, diese Songs zu dokumenieren, mehr nicht. Aber für uns sind der Song und sein jeweilger Sound untrennbar.” Am Ende guckt Ira neugierig mein Plattencase durch. Ich empfehle ihm Christian Kiefer, aber er interessiert sich vor allem für Techhouse und Elektro: „Ich weiss darüber so wenig”, seufzt die unscheinbare Legende.

Und wieviel weisst Du über Yo La Tengo?

(Intro)

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