Mike Ladd

NEUES AUS DER NACH-ZUKUNFT

„Man hat’s nicht einfach im HipHop, wenn man viel denkt“, so Mike Ladd im Frühjahr 2000 zu mir. Ein update der Aktivitäten einer der besten und intelligentesten Stimmen des zeitgenössischen und unabhängigem HipHop – nicht umsonst ist Mike mit Saul Williams befreundet – bringt gute Neuigkeiten: es wird ein neues Soloalbum geben und eine Fortsetzung des wüsten HipHop-Comic-Kollektiv-Projektes „The Infesticons“, das diesmal die Aktivitäten der „bad guys“ auf eine ziemlich witzige und sarkastische Weise aufs Korn nimmt: die „Majesticons“, jene neureichen Rapper, die das Business zu rulen meinen, bekommen Besuch von einem adligem altreichem Fatzke Marke Great Gatsby, der ihnen Benimm und Regeln beibringen will. Näheres dazu erklärt Mike im Stream-Interview. Auch sonst erfährt man hier grundsätzliche Dinge über seine Arbeit: wie er seinen Weg aus einem „black academic circle“-Hintergrund seiner Familie und den Universitäten in Boston und Cambridge mit einem frühen Interesse für Slam-Poetry und Bandmusik unter den vehementen Einflüssen von Punk – seine neue 10″ stellt ein Tribut an die Bad Brains dar – , Funk, 60ies Rock und HipHop verband, und was ihn schliesslich nach New York führt, wo er seitdem in der Bronx solo und im Kollektiv an einer sehr eigenen und politisch sehr bewussten Definition von HipHop arbeitet. Sein Album „Easy Listenin For Armageddon“ war ein Kommentar der hysterischen Zustände aus Milleniums- und Technologiewahn in den USA, dem Nachfolger „Welcome To The Afterfuture“ dann liegt ein besonderes philosophisches Konzept zugrunde, das Mike im Interview bündig zusammenfasst und erläutert. Es geht – nach Baudrillard – um eine Definition der Jetzt-Zeit nicht als einer Nachfolgezeit der sogenannten Postmoderne, sondern um eine Ära der „Nach-Zukunft“, in der die Technologie sich schneller entwickelt, als dass wir darüber reflektieren und philosophieren können. Diesem Umstand begegnet Mike durch seine Musik, vor allem im Stil seiner Lyrics und dem ganzen Gestus der Behauptung: „die Kapazitäten der Vorstellungskraft müssen ebenfalls beschleunigt werden“, so Mike, damit wir mit diesen Herausforderungen umgehen können. „Es ist nicht gesagt, dass diese Nach-Zukunft ein komplett schlechtes Ding ist“, behauptet Mike in bester Baudrillard-Manier, „es ist nur mein statement und meine Analyse, dass es jetzt eben so ist.“ Die alten Träumen über die Zukunft – das eben ist die Nostalgie, die derzeit noch soviel ideologische Verwirung stiftet. Was sich hier recht komplex anhört, füllt Mike Ladd in seiner Musik mit sehr witzigen und bodenverhafteten Texten. Musikalisch beschäftigte er sich den ganzen Sommer des letzten Jahres nicht zuletzt mit Popmusik – „alles, was im Radio läuft und was16-jährige so hören“ – auch darüber verät er einiges, vor allem, wie sich das auf seine Definition von HipHop auswirken könnte. Die stetige Zusammenarbeit mit dem Anti-Pop-Consortium liess ihn nämlich zunehmend mehr in Richtung Minimalismus gehen – diese sehr bewusste und intelligente Vermischung von disparaten Stilen ist typisch für Mike. Ausserdem: warum er lieber in der unhippen Bronx als im zugehypten Williburg in Brooklyn lebt, wie er generell die Möglichkeit politischer Aussagen durch seine Arbeit, auch als Lehrer, bewertet, wie die Öffentlichkeit in den USA seine Art oder die von Geistesverwandten wie Skiz von „Word Sound“ bewertet und wie er den Regierungswechsel in den USA kommentiert. Zum Abschluss gibt’s dann noch eine Kostprobe von spontanem Live-Freestyling von Mr. Mike Ladd.

(Intro)

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