HEUTE IST DER LETZTE TAG DEINER KINDHEIT
…denn es geht darum, ob ein Mensch erwachsen werden will, also seine & des Umfeldes Gegebenheiten erkennt – & progressiv voranschreiten will, anstatt sich trotzig in sicheren Kindheits(auch: Kultur)nischen einzugraben. & dann wahrscheinlich auch noch gerade das für progressiv hält. Richard D. James aka The Aphex Twin tut dies nicht. Keine Fake oder Roots-Hype-Diskurse & Szenen. Ich bleibe einfach in meiner Welt, bei mir & meinen selected Buddies. Da kann man etwas länger derselbe bleiben. Wie lange noch? „Ich bin nicht in irgendeine Szene involviert. Tatsächlich mag mich keiner, in vielen Szenen. Aber es kümmert mich nicht wirklich. Ich will nicht wie irgendjemand sonst sein. Ich will für mich sein, & meine Dinge tun, wie ich es immer gemacht habe, & nicht wie irgendjemand sonst.“ Die Spielkameraden heißen Tom Jenkinson, Mike Paradinas & Luke Vibert. Sie machen auch Musik. Purity, Reinheit, ist etwas, was Richard – wie so viele, die mit elektronischen Klängen & Rythmen SPIELEN – anstrebt: In meiner Musikwelt stimmt immer alles, wenn nicht, hau ich sie kaputt wie eine Sandburg. Purity ist auch etwas, das er in vielen easy listening Sachen entdecken kann. Da muss man zwar durch Haufen von Scheiße hindurch, aber dann finden sich Dinge, die keinen Namen, kein Konzept, keine (Band/Star/Autor) Identität haben – „It’s just Music for Music’s sake.“ A childlike view…Aber das ist nur schön, wenn man selbst zu hektisch & zu ernsthaft wird, dann braucht man belanglose Wunderbarkeiten, die ein Grinsen ohne Bedeutung auf das bartbestoppelte Gesicht zaubern können…A fool’s eye view…leider superschlau, dein Pech, wenn du das Wunderkind unterschätzt. „Ich mag vor allem total kaputte & dunkle Musik, wirklich schnell – oder langsam. Du mußt ALLES persönlich nehmen, zu diesen LOGISCHEN EXTREMEN bringen. That’s a really good idea, i think, take it to the EXTREMES basically – that’s what I’m doing.“ Und easy listening IST extrem, verglichen mit Breakbeats, sagt er, & er hat logisch recht. Wer Extremes an einer fucking KUNSTFORM festmacht & sich darüber identifiziert & definiert, ist ein romantizistischer Spinner. Attentäter hören Rolling Stones, Serienmörder Phil Collins. Easy listening aber hat nichts mit Bands oder Egos zu tun. Der Zwilling sitzt im Dunkeln & verschwindet lieber im Netz, das Netz ist sein Club, x gucken, was heute läuft. This is my party & I laugh when I want to. Richard zieht sich Software, Ideen & Sounds raus & rein, er interessiert sich auch sehr für Mathematik, ich ertappe mich, wie ich denke: ‚Was ein Nerd!‘ Jimi Tenor zb. hält das Netz für total langweilige Zeitverschwendung, absolut lächerlich. „Stimmt, es ist völlig lächerlich. Aber ich mag lächerliche Dinge.“ Wie die dummen Nursery-Rhymes der Girl/Boy EP, davon hat der Zwilling noch einige herumliegen. Er schrieb sie sehr schnell, er hat nicht darüber nachgedacht.
Denkst Du über aktuelle politische Entwicklungen nach? „Ja, ziemlich. But music is taking the backseat in election campaigns. Es gibt eine Menge verrückter Dinge & Veränderungen, die zurzeit vor sich gehen. Seit 2 Dekaden gibt es dieselbe Regierung. Fast jeder, den ich kenne, hasst diese Regierung. Ich denke, viele meiner Generation sind lazy bout politics, & die Leute scheinen vergessen zu haben, dass sie tatsächlich wählen & Dinge verändern können. Die Dinge verändern können & es nicht tun, das konnte ich an Leuten beobachten, als ich aufwuchs, es war ziemlich verwirrend.“
Dein letztes Album ist wahrscheinlich der letzte Punkt eines Prozesses des Aufwachsens. Unsere Idee war: Das Hauptthema ist das Aufeinanderprallen von Kindheit & Erwachsenwerden. „Ja, das hört sich richtig an. Aber ich will meine Kindheit nicht vergessen, ich liebe meine Kindheit, ich habe sie wirklich so genossen. Ich liebe die Dinge wenn du klein bist, & ich hasse wirklich die Tatsache, dass man wirklich viele gute Dinge verliert, wenn man älter wird. & ich versuche es so jung wie möglich zu erhalten, diese kindliche Mentalität. Es gibt so viele wirklich coole Sachen, die du vergisst. Wenn du älter wirst, wirst du langweilig & fängst an darüber nachzudenken, was die Leute wohl über dich denken. Ich mag wirklich diese kindliche Mentalität, kindische Sachen tun, it makes me feel nostalgic things.“ Denkst du denn, du hast jetzt einen Endpunkt im Prozess des Aufwachsens erreicht, kannst du sagen: Das ist ein Kapitel, & es ist jetzt geschlossen? „Nein, nicht wirklich, denn das tue ich nie – es wird nie geschlossen, until I’m dead. I never grow up. (Pause) I haven’t reached a turning point.“ Könntest du was Gutes oder meinetwegen Cooles im Erwachsenwerden sehen? „Ja, LERNEN hauptsächlich. Früher konnte ich nicht richtig verstehen, wo in der Welt ich war, really tricky war die Welt. Du kannst die Dinge dann nicht so verbinden, wie wenn du älter bist. Aber dann wirst du älter & siehst auch Dinge anders, die dich früher gefreut haben. Ich weiß nicht…….es hat viel mit dem Wissen über den Weg zu tun.“
Drei Fotos von Meatyard. Beim letzten dann…
Richard (lacht): That’s fucking weird. Scary. Spooky!
7: The Kid’s wearing a witch-mask. The Guy often used to photograph children.
Richard: I like that best.
(Seven)
Anmerkung: Ich zeigte Richard D. James das besagte Meatyard-Foto bei unserem Interviewtermin im Oktober 1996. Er war ZIEMLICH begeistert. Als ich 1997 dann das „Come to Daddy“-Video sah, wusste ich warum … well done, mate!