Del

DOIN WELL – DEL

Del ist da, endlich! Die letzten Anrufversuche beim Funky Homosapien aus Oakland wurden spätnachts in schönster Regelmässigkeit vom Chip des Anrufbeantworters geschluckt, Hilferufe beim Büro der „Hieroglyphics“ verhallten ebenso ungehört in den unendlichen Weiten des neunstündigen Zeitunterschieds Rheinland – Kalifornien. „Die Jungs sind supernett“, versicherten mir die deutschen Promoter, „aber manchmal etwas schusselig.“ Ist das vielleicht der Grund, warum sie so grandiose Musik machen? Man versucht es weiter. Auf einmal ist der Mann dann direkt am Ohr, und was macht er ? Er spricht ausgeschlafen, klar, inspiriert – und äusserst diszipliniert.

Mit „Both Sides Of The Brain“, Dels mittlerweile viertem Soloalbum, liegt ein weiterer Beweis für die grossartige innovative Qualität des HipHop von der kalifornischen Bay Area vor. Dels seit 1991 existierende Stammcrew „Hieroglyphics“ gilt als einer der Vorläufer von verrücktem, schrägem und vor allem ironischem HipHop, der seit den fulminanten Debuttagen von De La Soul den industriellen Klischees der kettentragenden Gang-Abziehbilder des Rap ein vergnügliches wie auch bewusstes Gegenbild bietet, das in die Beine UND in den Kopf geht. Dels Debut von 1991, damals auf Ice Cubes „Street Knowledge“-Label erschienen, und auch die Top-10 Hitsingle „Mista Dobolina“ zeugten bereits vom allgemeinen Erfolg und der Aktzeptanz dieser HipHop-Variante. Statt auf Klischees setzt Del auf Stil und musikalische Weitsicht, zugleich strotzen seine Stücke vor Funk, Humor und Tiefe. Trotzdem war das Majorlabel „Elektra“ unzufrieden mit den ausgefuchsten Produktionen der „Hieroglyphics“ und liess sie fallen, worauf diese ihr eigenes „Hieroglyphics Imperium“-Label gründeten. Diese Lektion ist gelernt. „Viele Majorcompanies haben tatsächlich kein grundsätzliches Verständnis von HipHop“, so Del, „Du findest so viele Opportunisten, die sich tatsächlich auf Trendscouts verlassen. Und wenn Du ihnen ein Album lieferst, und sie mögen es nicht, ist es einfach kein Album, verstehst Du?“ lacht er bitter. Seine Prinzipien für die Musik sind klar und fest: es muss original sein und etwas Neues zum Spiel beitragen. „Als Teil der Musikindustrie habe ich mich oft genug an den eigenen Kopf gefasst und mich gefragt, was ich hier eigentlich mache. Jetzt gibt es ein neues Publikum für meine Musik – vielleicht kleiner, aber universeller, mehr an Musik generell interessiert, und nicht nur an einem Genre“. Dels Konzept scheint aufzugehen, denn jetzt lässt es sich ungleich entspannter und zugleich konzentrierter arbeiten. „Ich bin jetzt 27, aber mit all den Informationen, die ich jetzt habe, fühle ich mich viel jünger. Und es macht die Sache so viel einfacher.“ Das neue Album hat Del in seinem voll digital ausgerüstetem Heimstudio in Oakland sehr genau vorbereitet, um es dann mit diversen Gästen wie den „Hieroglyphics“ Casual und A-Plus, Khaos Unique von „Sanitation Department“ aus Oakland, aber auch mit „Company Flow“’s El-P oder – nahezu logisch – Prince Paul innerhalb von nur zwei Wochen in einem grossen Studio aufzunehmen. Del war immer auf dem neuesten Stand der Technik. Für Videospiele zb., deren Klänge er für einige seiner aktuellen Stücke wie zb. „Proto Culture“ sampelte, begeisterte er sich schon lange bevor er rappte, und mit dem Computer arbeitet er seit der 4. Klasse. Trotzdem wägt Del genau ab und setzt stets auf Spiritualität statt auf Technikeuphorie. „Technik hat mit wahrer Kreativität nichts zu tun. Wenn Du ein blosser Techno-Egomane bist, kann sie deine Sachen nicht besser machen.“ Und doch hat sich Del mit seinem Ko-Produzenten Domino und seinem Toningenieur Matt Kelley tief in die Materie hineingekniet, um anhand von zb. Platten der Beatles oder Jefferson Airplane audiodynamische Studien zu betreiben. „Wie sie wollten wir einen 3-D-Klang auf einem Stereosystem erzeugen, also haben wir uns die Tricks nochmal genau angehört, um diesen Panoramasound auf „Both Sides“ zu perfektionieren. Zur Zeit lerne ich derart viel, auch Noten lesen und schreiben. HipHop ist etwas müde geworden, es ist Zeit, dass sich wieder etwas weiterbewegt.“ Für Del ist HipHop das Erbe des Jazz, wie auch die neue Version davon. Er, der Miles, Monk und Mingus genauso schätzt wie den genrebegründenden basslastigen Sound aus Jamaica, setzt ganz auf- und abgeklärt auf die afrikanischen Wurzeln, die die Vergangenheit nur zum Wohle der Gegenwart preisen. Musik soll vor allem Spass machen, aber es gibt auch eine Botschaft: öffne deinen Geist, sonst kommst Du nicht weiter.

(Jazzthing)

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