Les Robespierres

WIR SIND DIE FUSSGÄNGER UNTER DEN INTELLEKTUELLEN

Hamburg schon wieder. Hier werden Polit-Popbands gemacht, liesse sich angesichts einiger neuerer Auswüchse mal kackfrech feststellen. Muss auch sein (das kackfreche Feststellen logisch), sonst glaubt mensch denen ja jedes Wort, was sie sagen, & was über die so geschrieben wird. Die LES ROBESPIERRES sind schon länger dabei & nicht ganz unschuldig: Sänger & Gitarrist Klaus Ramcke arbeitete früher in der Schokoladenfabrik, Ted Gaier schlägt den Bass bei den Goldenen Zitronen, Stefan Rath prügelt (indeed!) u.a. live für Workshop & Organist Sergej Tolksdorf haut hingebungsvoll in die Tasten & hatte beim Konzert im Kölner Underground Geburtstag (Das war die Fan-Info). Ihre erste Single war sogleich der mexikanischen EZLN gewidmet, aber cutten wir jetzt den Bio-Schmarren & steigen lieber gleich in den O-Ton ein, dann weiss jedeR am Ende eh, worum’s hier alles so geht.

7: Ihr dealt mit Politik?

Klaus (Überrascht) Meinst Du „to trade in“? (Ich erkläre die ambivalente Bedeutung: handeln / zu tun haben) Ja, insofern, dealen wir damit, aber wir machen keinen Trade. Aber es könnte natürlich sein: Warum überhaupt – & warum zahlt sich das nicht aus? Vielleicht könnte es das ja eines Tages – also, um Dein Argument etwas stärker zu machen für diese Formulierung. Natürlich ist das immer noch ungerechtfertigt. Ich finde es aber gerechtfertigt „to trade in politics“, wenn man das auf eine gewisse Art & Weise macht, die einen Zweck verfolgt, der in der Vermittlung von politischen Inhalten liegt, & wenn dabei ein geschäftlicher Gewinn abspringt, finde ich das so gesehen nicht schlecht. Wenn Du sagst: „Zynisch mit Politik handeln“, dann wäre das…(zögert lange)…absurd. Man kann das zwar sagen, aber ich glaube nicht, dass das irgendwie greift. Da gibt’s eigentlich keine andere Möglichkeit, das zu verifizieren, als sich anzugucken, was wir machen.

7: Wie siehst Du das, Ted?

Ted: Ich seh das auch so. Warum auch gerade wir? Egal, welchen Job man macht – das kommt automatisch, wenn man in der Öffentlichkeit steht & Leute erreichen kann, dann soll man das machen, so sehe ich das.

K: Was man „institutionelle Kritik“ nennt, meinst Du das mit Deinen Formulierungen?

T: Das wär, wenn man Politik als Attitüde benutzt – das macht meinetwegen so ne Band wie Stella. Auch dagegen will ich gar nichts sagen, sondern: wenn man so ein Urteil trifft, möcht ich bitte hören, wie Du dazu kommst.

7: OK. Zum einen ist wohl klar, dass Leute, die sich mit linker Politik befassen, dadrinstecken & politisch arbeiten, nicht so eine Band wie ihr aufziehen würden, um Asche abzuziehen, weil das 1fach nicht geht. Ich denke, das ist klar. Aber: Ihr bewegt Euch natürlich in einem Strukturrahmen kapitalistischer Subkulturindustrie. Was Ted zu Stella sagt, finde ich sehr richtig, ich habe Ihnen letztens diese Fragen auch gestellt.

K: Was haben sie gesagt?

7: Es war alles halb so wild von wg. politics. Teilweise war es sehr naiv, vor allem, was Elena gesagt hat. Ich hatte vorher dieses Bandinfo von Tobias Levin (Cpt. Kitk &, Blumfeld) bekommen – & das fand ich schon ziemlich fahrlässig (Dieses Info codiert Stella & ihre Musik eindeutig in einem Pop-politischen Rahmen).

T (nickt): Ich auch (Klaus kennt es nicht). Da wird schon eine ganze Interpretationsmaschine aufgefahren, die diesen Zusammenhang herstellt, da werden so Schlagworte missbraucht, die mangelnde Hipness haben, wie „Marxismus“ oder „Feminismus“, & man macht sie plötzlich wieder hip. & es wird in der Rezeption nur DARÜBER gesprochen. Aber über den eigentlichen Umstand, warum es Sinn machen könnte, Marxismus wieder ins Spiel zu bringen – darüber wird nicht geredet. Allseits freut man sich nur über Tabubrüche & ein stillschweigendes Einvernehmen – & das ändert an einer gewissen Sache natürlich überhaupt nichts. Mich fragt man immer nur: „Ja bitte, & wann geht’s denn los?“ Zu was führt das denn dann real? Da sind Zeichen auf dem Markt, die sind gerade nicht besetzt, & man nimmt sie sich. Klingt jetzt natürlich ein bisschen unfair, weil ich weiss, dass es Elena schon sehr ernst meint. Nur, wie das dann rüberkommt…es ist sehr clever, & ich finde es auch super, wie sich diese Band in Interviews verkauft, dieses Hü-Hott-mässige (Der Verdacht ist: Stella schauspielern in Interviews gekonnt Kontroversen). Nur: ich würd das nicht im Polit-Kontext sehen. Weil, das ist halt so stylish, & das hat das Übergewicht zu dem Sachproblem. & das war auch das Problem bei den Wohlfahrtsausschüssen, dass der Style die Sache dann völlig überrannt hat. Das Konzept, Hipness und Politik zusammenzubringen – das scheitert eher, würde ich sagen, weil man ist eh immer der Langsamere. Es hat wenig Sinn, mal ein halbes Jahr Schaufensterscheiben einzuschmeissen, bloss weil es hip wäre. Deswegen ist es auch bei uns so, dass wir uns eigentlich ausserhalb eines Poprahmens bewegen, sowohl optisch, als auch musikalisch. Du findest auf unserer Platte überhaupt keine Einflüsse von Musik der letzten 2 Jahre, oder politische Diskussionen – also auch innerhalb der Texte. Das ist doch weitgehend ausserhalb des musikalischen Materials zu suchen. Unser Rahmen ist nicht Pop, es ist vielmehr fahrendes Theater, oder Folklore. Deshalb würde ich nicht sagen, dealen wir damit – sondern sind draussen.

7: Wie soll das gehen? Aber ihr seid Euch der Intention meiner Frage & der Widersprüchlichkeit Euerer Situation innerhalb der Subkulturindustrie klar bewusst?

K: Man muss mit Widersprüchen leben. Man kann vom Verkauf nicht leben. Aber: Man muss ja leben. Man kann nicht aus dem Off sprechen – Ich bin nicht Gott.

T: Nimm mal unsere Texte. Die sprechen eine ganz andere Sprache als Stella, oder auch Blumfeld. Das spielt ja alles in einem fiktiven Raum, ein traditioneller Raum, quasi ein vormoderner Raum, der symbolisch steht für etwas. Man kann uns natürlich vorwerfen, dass gerade das eine Strategie wäre, sich aus den Problemen rauszuwinden, im allgemeinen Tagesgeschehen nicht mitmachen zu müssen. Wir haben uns da aber nichts interpretatorisch zurechtgelegt – so wie Tobias zb. im Stella-Info -, solche theoretischen Debatten führen wir gar nicht darüber. Also, es ist eher wie Folklore, es kommt halt so. Die einzige strategische Überlegung, die wir bei der neuen Platte hatten, war, dass es nicht so klingen soll, das man schon wieder sagt: 60ies & gute Anzüge. Das war eigentlich das Hauptmotiv.

K (mischt sich ein): Klingt so, als hätten wir völlig aufs Geratewohl gearbeitet. Ich finde, dass wir da schon sehr konzeptuell sind. Das ist überhaupt der Punkt, dass wir diese Sprache benutzen, & das es auf der Bühne so abläuft.

7: Ein Konzept habt ihr dann aber nur bandintern überlegt, aber nicht in Abgrenzung zu anderen Bands?

T: Genau. Keine Abgrenzung.

K: Im Gegenteil – eher eine Annäherung (Gelächter).

7: Warum?

K: An Mexiko. Unsere erste Single war ja über die EZLN, gleichzeitig mit dem Aufstand, als wir von der Erhebung gehört hatten,haben wir dieses Stück gemacht. Wir hatten halt die Gelegenheit, eine Single zu machen, & das wurde dann tatsächlich so im Übungsraum entschieden. & das ist sozusagen die Entstehungsursache, dass unsere Texte in portugiesisch sind. Natürlich kommt auch noch hinzu, dass ich das kann (Klaus Mutter ist Brasilianerin). Und es ist angebracht, einen Protestsong in einer Sprache zu machen, die ich kann.

7: Bleibt aber auch ein potentieller Exotismusvorwurf bezüglich der Texte. Du hast mal gesagt, dass im Bezug auf Rythmik & Klang gerne auf ethnische Ideen & Strukturen zurückgegriffen wird. Exploitation, damit es exotisch klingt, in der Popkulturgeschichte bekannt. Das kann man doch auch auf die Texte beziehen?

K: Ich fand es falsch wiedergegeben in dieser ungenügenden Zeitung. Ich habe gesagt: Wenn ein Körper aus Ethnien gemacht wird, sind die Beine meist der Rythmus, die Trommeln. Bei uns ist es halt umgekehrt. Wir versklaven die Handarbeit & setzen relativ begrenzte Latino-Elemente ein. Aber der Text ist portugiesisch / brasilianisch, dem ordnet sich das restliche Geschehen unter, so dass es eine umgekehrte Kolonialisierung ist, wenn man so will. Viele Journalisten werfen mir diesen Sprachgebrauch vor, von wegen: „Es ist ja gar kein richtiges Portugiesisch!“ 1. Das stimmt nicht & 2. Wenn es so wäre, wäre es superscheissegal – & das ist natürlich der Exotismus! Dabei sollte so ein Gebrauch doch normal sein. Klar sind wir nicht naiv: Multikulti ist nix weiter als hegemonieller angloamerikanischer Konsens.

7: Eueren Sprachgebrauch erklärt Ihr mit einer höheren Bereitschaft der ZuhörerInnen zur Reflexion. Das geht aber nur mit Textblatt. Daher nochmal die leidige Dauerbrennerfrage: politische Texte, & dann hier gesungen, warum nicht auf deutsch, oder wenigstens englisch?

K: Es ist ja nicht so, dass wir in unserer Schmiede eine Waffe herstellen, die aus Popland kommt & unheimlich effizient ist. Das stimmt hinten & vorne nicht. Aber: auch wenn man kein portugiesich kann, hört man, dass hier jemand beleidigt wird. Also, diese diskursive-rationelle Ebene ist gar nicht so wichtig.

Politische Begriffe oder Analyse da hineinzubringen – nein! Wir sind auch noch ne Band!

T: Was ich auffällig finde: hier wird mehr über die Texte gesprochen, als über die Musik.

K: Obwohl es keine Referenzhöllentexte sind.

7: Was seht ihr denn für Möglichkeiten, die wirklich „funktionieren“ im Bereich „Subkulturindustrie“, dh: euerem politischem Anspruch gemäss?

T: Wir haben keine Konzepte oder Masterpläne, wie es bei so vielen HH-Bands erscheint. Man kann heute ohne Stars & Hierarchisierungen erfolgreich sein & in die Charts kommen, oder als erfolglose Band sein Geld von der Plattenfirma bekommen – gerade von „Diskursbands“ gibt’s da ja in letzter Zeit einige Beispiele. Man muss sich halt entscheiden: mach ich das jetzt zu meinem Hauptberuf, lasse ich mich dafür bezahlen, oder behalte ich meinen Job –

7: – wenn ich denn einen habe –

T: – & sing 15 Jahre meine alten Punklieder. Leute, die in den Charts sind, können auch die netten Jungs von nebenan sein, dufte drauf & für die RAF spielen oder was weiss ich…

7: Mmmm….(means: Zweifel is in the house). Aber es gibt dann genauso diese Leute, so wie ich, die kommen daher & machen den Spielverderber & stellen dumme Fragen.

T: Die Antwort darauf ist, dass es nicht das Thema ist: kollaborieren, dem Image gerecht werden, Publizität, Popularität. Ich sage: das ist gar nicht mehr nötig.

7: Das ist nicht der Punkt. Es geht ja um diese politischen Images & Codierungen. Die alte Kritik ist ja: Popmusik taugt für politische Aussagen überhaupt nichts. Poplinke stöhnen dann wieder auf: „Wir müssen aber dieses wichtige Feld beackern“ & schreiben de facto nur den nächsten Pro-Pop-Artikel. & sagen: diese Kritik ist doch uralt, total abgefrühstückt. Ich sage: das sind billige, vorgeschobene Argumente. Die gesellschaftlichen Widersprüche sind da, härter denn je. Heute werden gegenüber Popmusik unglaublich viel Zuschreibungen gemacht, fast mehr als bei jedem anderen Feld kapitalistischer Kultur – Zuschreibungen, die die ProtagonistInnen oft weder einfüllen wollen, noch können.

K: Es werden halt viele Anforderungen gestellt. Lügengebäude werden gebaut, sowohl von Journalisten, als auch von Musikern.

T: Es herrscht aber heute ein grosses Bewusstsein, wie abhängig man ist & in welchen Widersprüchen man sich befindet.

K: Das betrifft ja die Lebenswelt von Pop-Musikern. Du sprichst ja von Pop als politischem Instrument, & da finde ich schon die Perspektive verfehlt, muss ich ehrlich sagen, so daranzugehen. Ich dachte eigentlich, dass es sich erledigt hätte, so darüber zu sprechen.

7: Stöhn. Heisst: Hipness-Haltbarkeitsdatum überschritten?

K: Man sollte das nicht so überschätzen, es ist nicht so wichtig – gerade bei sogenannten Popstars, die sich selber so wichtig nehmen – die sind die eigentlich Gearschten in dieser Beziehung.

T: In England & den USA gibt es diesbezüglich einen simpler gestrickten Politikbegriff. Trotzdem, ja, ich denke schon generell, dass die Popsprache das Politische eher verstellt, anstatt es freízulegen.

7: Es findet zudem immer noch enorm viel Diskursivität darüber statt: HH-Schule, Querverbindungen, ist die Band auch radikal genug etc. – & das versperrt den Weg zu den politischen Problemen, auf die es wirklich ankommt. Wir befinden uns hier zzt. auch in diesem diskursivem Zwischenfeld, wo etwas herausgefunden werden sollte.

T: Stimmt.

7: Daher auch die Frage: wie dealt ihr mit diesen Rahmenbedingungen?

K: Wir sind die Fussgänger unter den Intellektuellen. Also auch so referenzmässig. Es gibt Journalisten, die stellen Referenzhöllen her, wo es bei uns doch eher simplizistisch daherkommt. Klar sind wir auch in dem Rahmen & kenne die Leute.

7: Das ist zu simpel, auch diskursiv seid ihr da drin.

T: Wir sind ein Wanderzirkus & machen Folklore.

K (Klaus lässt bisweilen gut versteckte alte Mod-Arroganz heraushängen, die empfindliche Gemüter nerven könnte, aber er hat das gut im Griff): Warum sollte ich Journalisten auch was anvertrauen, warum sollte ich zb. Dir was erzählen, mich im Ernst darüber unterhalten, was ich darüber denke? Mach ich aber immer. Aber wir überlegen, das völlig wegzukippen, gar nicht einzusteigen in diesen Diskurs.

7: Ok, du legst mich jetzt unter „Journalist“ ab, aber ich mache auch selber Musik & kenne diese Zuschreibungen & Widersprüche. Das andere ist: wenn ich mich hierhersetze, dann möchte ich mit Euch über Politik reden, & nicht über irgendwelche Bandscheisse: Ey, was spielstn Du für’n Instrument? Welchen Amp hast Du? Interessiert mich nen Scheissdreck.

T (lacht): Scheisse! Ok!

7: Wenn ich ein Interview bezüglich dieser Interessen mache, ist das 1fach was anderes. Ich möcht Euch auch nicht abfilen unter: So, ihr seid jetzt NUR das.

T: Ich find das auch überhaupt kein Problem, solche Gespräche sind auch immer völlig gut zur, zur –

K: – Klärung von eigenen Standpunkten.

T: Da wir eben über bestimmte Sachen ein Einverständnis haben, sind wir klar auch nicht ständig genötigt, das zu thematisieren. Aber die Frage ist doch: wie kann Politik überhaupt aussehen? In soetwas wie einem Bandkonzept. Wir stellen das vor allem live dar, wir machen immer soetwas wie ein Rollenspiel. Manchmal ist das auch enttäuschend, manchmal ist das sehr gut. Klaus mimt den Patron, den Ausbeuter,& wir sind seine Untergebenen, die er alle als austauschbare Idioten aus Billiglohnländern darstellt. Also keine agitatorischen Ansagen, oder EZLN-Sammelbüchsen.

7: Vorbilder oder Paralellen?

T: Nein, das hat sich so entwickelt. Kann auch heute ganz anders sein. Hier kann das Publikum eingreifen. Das Ganze ist eher Kasperletheatermässig. In Wien zb. griff das Publikum ein, weil Klaus seine Rolle zu weit getrieben hatte.

K: Wir sind eine Volkswirtschaft, ich bin die herrschende Klasse, es gibt notorische Querulanten, Gleichgültige – das ist die Situation.

7: Was hat das Publikum in Wien denn gemacht?

K: Die äussern sich! Wenn ich da sage, die da spielen besser für weniger Geld, sagen sie: Dann mach es doch selbst! Oder die Menschen besingen ihre eigene Lethargie –

T: Ich sagte: das kann ich nicht mehr sehen, mit Eurer – ich stand da & hab gerungen mit den Worten, & das Publikum rief gleichzeitig: „Lethargie!“ (Gelächter). Kaspereletheater, pass auf Kasper, da ist der Polizist, auf einem ganz primitiven Level, aber das ist natürlich auch Politik.

K: Viele fahren halt die Nummer: Ich habe so&soviel DM bezahlt, ich will jetzt Dienstleistung – & da polarisiert sich halt was.

(Es folgt ein längeres Gespräch über die Publikumsgespräche, die Kristof Schreuf bei „Brüllen“-Konzerten anstrebt).

REPENTISTA / REPETISTA

7: So der Titel der neuen Platte: Improvisateur / Wiederholer. Improvisieren auf der Bühne?

T: Machen wir eher nicht viel.

K: Das geht zurück auf die Figur des Moritatensängers im Norden Brasiliens. Der kommt auf die Feier, bekommt ein bisschen Geld – & ist informiert. Das ist heute auch ein Studentenjob für die Touris. Ist mir selber passiert, als ich am Strand lag, da kam einer an & legte los: „Du siehst aus wie Elvis Presley“ – aber alles halt in Reimen, aus dem Stehgreif. Das Gute daran ist, dass aus dem Augenblick eine Ordnung geschaffen wird, die total schnell wieder kaputtgemacht wird. Ein Versmassaker, es wird sofort in eine Ordnung gegossen & dann wieder gesprengt. Das finde ich faszinierend, dass man aus dem Stehgreif Gesetzgeber sein kann. Das ist eigentlich genau das Gegenteil, was in dem Begriff drinsteckt: klar, er benutzt immer die gleichen Phrasen & Versatzstücke, aber er variiert sie je nach Situation. Das eine ist für mich ein bisschen so ein Bild für eine mögliche Utopie, für eine wirklich realisierbare Utopie, während der Wiederholer das ist, was man allgemein so vorfindet, was etabliert ist als Ausweglosigkeit.

7: Abstrakter Wiederholer. Es heisst ja auch: Vom Blatt ablesen.

T: Ein Grund, warum die Platte so heisst, ist auch, dass sie eine thematische Fortsetzung der ersten (Liberdade / Liberalidade) ist. Das Thema ist Ausbeutungsverhältnisse, Neoliberalismus – jetzt mal grob formuliert. Und solange das nicht gegessen ist und sich auf der politischen Ebene die Lage nicht geändert hat, wird das wiederholt.

K: Wir glauben auch, analytisch gesehen, dass sich so schnell nichts ändert. Es gibt genügend Ausbeutungs- & Hierarchieverhältnisse in Bands, scheinbar lockeren Arbeitsverhältnissen, oder –

7: Vermeintlichen Kollektiven.

K: Genau. Es besteht zudem der aktuelle Drang, so Nietzsche-mässig ein neues Zeitalter auszurufen. Das macht wohl unheimlich Eindruck, aber man verliert, glaube ich, dabei den Faden. Deshalb kommen wir mit Beispielen aus der feudalen Welt, zb. im „Repetista“-Song, wo der Cowboy entlassen wird & sich selbst dafür verantwortlich macht. Wir glauben nicht, dass sich diese Verhältnisse – „Ich denke, & Du handelst“ – so schnell ändern werden.

T: In den Texten ist nicht Deutschland 98, sondern eine kleine Puppenstube, eine Art Entenhausen, wo Figuren rumstehen.

7: & trotzdem sehr konkret dabei.

Das anschliessende Konzert zeigte dann, was für eine hervorragende Live-Band die Les Robespierres sind. Dieser Ruf eilt ihnen tatsächlich nicht umsonst voraus. These & Beweis, sozusagen. Und Klaus mimte den Patron wirklich überzeugend, & bei allen ironischen Brechungen von wegen „Ihr wollte Eure Konzertdienstleistung? HaHa!“ gab man dem Publikum klar, was des Publikums ist – Musik nicht nur für den Kopf, sondern für den Körper. Über Musik zu reden macht hier jedoch wenig Sinn, ausser mein Versprechen, dass die Robespierres live die Bühne abbrennen.

(Seven)

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