Assemble the Remixes and Mash-Up the Coverversions!

Referenz, Re-Work, digitale Folterkammer – Popmusik als System der Wiederverwertung.

„ Es wird immer weitergehen / Musik als Träger von Ideen“

Kraftwerk: Techno-Pop (1986)

I. INTRODUKTION

Popkultur bzw. –musik ist ein System der Wiederverwertung.

Sie alle wissen, was Wiederverwertung ist. Im biologischen Betrieb bedeutet dies z.B. Häckseln, Kompostieren, Düngung. Im Kontext der Kunstprodukt- und Rohstoffwiederverwertung hat sich der Begriff des Recycling durchgesetzt. Sie kennen das aus ihrem nächsten Alltag. Der Fleece, den sie z.B. vielleicht gerade tragen, war früher wahrscheinlich einmal eine PET-Wasserflasche.

Als Recycling wird laut Wikipedia der Vorgang bezeichnet, bei dem „aus gebrauchten, defekten, unmodernen oder sonst wie nicht mehr benötigten Produkten (meist Abfall) ein vermarktungsfähiger Sekundärrohstoff wird“[1].

Hier sind wir schon bei einer treffenden Recyclingdefinition für den ästhetischen Bereich: aus gebrauchten, defekten, unmodernen oder sonst wie nicht mehr benötigten Produkten – meist Abfall – der alten Musik wird ein vermarktungsfähiger Sekundärrohstoff für die Neue. Aus alten ästhetischen Rohstoffen wie Beats, Riffs, spezifischen Sounds oder Vokalgesten werden neue Produkte konstruiert. In der Musikgeschichte ist dieser Bezug auf altes Material eine bewusste Hinwendung und Überarbeitung der Tradition ins Heute. Und spätestens seitdem die Ästhetik postmodern definiert worden ist und die technischen Möglichkeiten der digitalen Reproduktion die Regel sind, ist die Rekombination und Reproduktion bereits vorhandener Formen und Inhalte Standard geworden.

Man kann dieses Phänomen der kreativen pragmatischen Wiederverwertung jedoch auch auf eine archaischere Weise interpretieren, nämlich als ästhetischen Kannibalismus. Die Einverleibung des Gegners oder des Anderen gibt mir dessen Kraft, nimmt diesem die Macht über mich und macht mich gleichzeitig stärker und besser. Im Pop galt dies längere Zeit in Bezug auf die mächtige Tradition der klassischen Musik. So könnte man es z.B. interpretieren, wenn ich als Werbejinglekomponist und Disco-Funk-Produzent Beethoven aufesse – wie Walter Murphy es 1976 mit A Fifth of Beethoven getan hat, das später via Saturday Night Fever weltbekannt geworden ist –, so mache ich mich dadurch stark und stärker als der gute alte Ludwig Van, bis es für einen Platz 1 der Charts reicht. Wie ja auch geschehen.

Kannibalismus ist ein archaisches System, gewiss. Es will so gar nicht zu einem System der postmodernen ästhetischen Re-kombination unter Zuhilfenahme der modernsten digitalen Techniken passen, doch geht es im kreativen Wiederverwertungsprozess natürlich auch um ein mythologisch aufgeladenes und dahinter jedoch streng kodifiziertes Ausschlachten. Begriffe wie ‚Respekt’, ‚Stil’ oder ‚Qualität’ könnten hierbei z.B. mythische Triebfedern oder aber auch kreative Münzwährungen sein, nicht selten sind sie beides.

Der Kannibalismus im Pop scheint jedenfalls seit den letzten 20 Jahren enorm zugenommen zu haben, spätestens, seitdem es erwartbare und Revival gibt[2], bei denen Coverversionen und Re-Kombinationen als kollektive Identitätskraftkleber eine gewichtige Rolle spielen. Die Wikipedia schreibt in ihrer aktuellen Definition von „Coverversionen“:

„Der kommerzielle Hintergedanke von Coverversionen spielte zwar schon immer eine Rolle, aber besonders seit den späten 1990er-Jahren lässt sich vermehrt ein „Ausschlachten“ der Originale beobachten.“[3]

Ein Grund für Kannibalismus könnte aber auch die Selektierung aufgrund von Inflation sein: Wenn zu viele da sind und zu wenig Nahrung vorhanden ist, verzehrt das eine Teil das Andere. Bei einer institutionalisierten Perpetuierung dieses Prinzips verzehrt sich ergo das ganze System. Die Briten nennen dies auf die Popkultur bezogen gerne ‚Pop will eat itself’.

Doch auch dieses Phänomen ist nicht so neu und sozusagen Teil der systeminternen Wiederverwertung. Die gleichnamige Band gab es bereits 1986, und auch ihr Name war, freundlich gesagt, recycelt.[4]

In einem Interview mit der Zeitschrift SPEX im September 2010 mit dem britischen 80er-Pop-Duo OMD beschwerte sich deren Mitglied Paul Humphreys über die Coverversion ihres Hits Enola Gay durch das Pop-Techno-Trio Scooter: er sei kein Freund dieser deutschen Unart, jede bekannte Melodie durch einen 140bpm-Eurodisco-Filter zu jagen und als eigene Leistung das Gebrülle auszugeben:

„’Let me see your hands in the air!’ Für mich war das, als habe sich ein Elefant auf meinen Hochzeitskuchen gesetzt.“[5]

Daraufhin sein Partner Andy McCluskey:

„Aber wir sind doch genauso vorgegangen, und zwar vom ersten Tag an. Wir haben aus Platten anderer Künstler gesampelt, wir appropriierten deren Konzepte, klauten hemmungslos. Während wir dies aber bloß als losgelösten Baustein unserer Musik betrachteten, dem wir unbedingt noch eine eigene Komposition oder unseren eigenen Text zur Seite stellen wollten, sind Scooter von Kopf bis Fuß eine postmoderne Band. Nur dass wir das Phänomen in England nicht als „Postmoderne“ bezeichnen, sondern wir sagen ‚Pop eats itself’.

Humphreys: Ich hasse Mash-ups.“ [6]

Sehr schön: OMD, die als Popmusiker sehr auf Innovation setzten und in der Gestaltung ihres Konzeptes extrem rigoros waren – sie waren sehr Kraftwerk beeinflusst, ihrem Drummer wurden z.B. Becken verboten – sind heutzutage, zumindest eine Hälfte von ihnen, an einem Punkt angekommen, an dem neueste Entwicklungen der Popmusik, nämlich Mash-Ups, abgelehnt werden. Warum? Typische Altersgrantelei, oder das noch typischere kulturkritische Klagen über den steten Substanz- und Qualitätsverlust der Gegenwart?

Mittlerweile allerdings scheint sich Pop tatsächlich in immer kürzeren Abständen aufzuessen, so dass man sich durchaus fragen darf und sollte, was überhaupt letztlich noch übrig bleibt, wo die Rohstoffreserven und wo die Substanz bleibt und was es bei diesem Prozess der steten Selbstverzehrung letztlich überhaupt noch Neues unter der Sonne geben kann. Was aber, wenn es bei genauer Betrachtung in diesem ästhetischen System seit jeher weniger um Substanz als um eine perpetuierende kreative Hinterfragung und ästhetische Re-Kombination von bereits da Gewesenen geht? Rainer Holm-Hadulla, Professor für Psychotherapeutische Medizin und Kreativitätsforscher an der Universität Heidelberg, gab letztens in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung auf die Frage, was Kreativität sei, folgende Antwort:

„Die Minimaldefinition lautet: Kreativität ist die Neukombination von Information.“[7]

Solang die Popmusik existiert und sich ausdifferenzierte, hat es Bearbeitungen und mehr oder minder kreative Neubearbeitungen in ihrem System gegeben. Ich möchte Ihnen im Folgenden die wichtigsten Formen und Typen dieser Bearbeitungen nennen und anhand von ausgesuchten Beispielprojekten darstellen und charakterisieren.

II. MATERIALMODUL

1. COVERVERSIONEN

Die bekanntesten Bearbeitungsformen der Popmusik sind Coverversionen.

Gegenüber dem Ideal der Werktreue, das lange Zeit die klassische Musik dominierte und in der Regel immer noch dominiert – und Sie wissen, dass es ein Ideal ist, denn eine ‚werktreue’ Darbietung klassischer Musik kann letztlich immer nur eine gegenwärtige Interpretation sein –, sind diese Interpretationen im Pop explizit und bewusst stark Interpretenabhängig.

Die Gründe von Coverversionen sind zum einen Respekt- und Referenzbezeugung, oft aber sind es rein kommerzielle Gründe. Das ist nicht immer sauber zu trennen, und das muss es auch gar nicht. Prinzipiell aber gilt im Musikbusiness: ein Hit, der das schon mal war, sollte auch im neuen Gewand einer sein. Prägend für die gegenwärtige Zeit ist auch die Zunahme von Coverversionen: waren sie in den 80er noch eher die Ausnahme, so wurde vor allem zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine gewisse Anzahl an Coverversionen in den Charts zur Regelmäßigkeit. So waren am 3. September 2001 beispielsweise sieben Titel der in den Top-10 der deutschen Singlecharts platzierten Lieder Coverversionen.[8]

Durch You Tube ist dazu noch die öffentliche Verbreitung der Akustik-Cover von Chart-Pop-Songs inflationär geworden: ob gegenwärtig Justin Biebers Baby oder Keshas Tik Tok – fast jeden Chart-Pop-Song gibt es extrem zeitnah in zahlreichen akustischen Versionen, gerne auch in klassischer Klavierversion. Von Bieber’s Baby gibt es aber auch z.B. eine Death-Metal-Coverversion – in den Zeiten des Internet wird sofort reagiert. Dies mögen Treppenwitzee der Musikgeschichte sein, auch die zahlreichen Parodien von Nr.-1-Charthits und eben die häufigen Genre-Cover[9], aber die bedeutsamen Faktoren für die enorme Masse an Bearbeitungen ist natürlich die Schnelligkeit der Verbreitung und die Multiplikation durch das Internet. In der You Tube-Klickleiste des Originals ist meist gleich die Parodie oder das Akustiv-Cover zu sehen. Derartige Navigations-Tools sind bedeutsam für die Verbreitung eines neuen Pop-Hits, die heutzutage extrem zeitnah zu ihrem Erscheinungsdatum gecovert werden.

Sie werden zu Recht fragen: na toll, und wo ist hierbei das Kreative? Die Death-Metal-Version von Bieber deutete es bereits an: es gibt Versionen, die vielmehr radikale Bearbeitungen als Cover sind. Hier kommen wir bereits in den Übergang zum Re-Work, der kreativen Umarbeitung vorhandenen Materials, zu dem ich noch später kommen werde. Jimi Hendrix in Woodstock gespieltes Cover der US-Nationalhymne gehört als ein Markstein der 60er-Popkultur hierzu, als heutiges Beispiel möchte ich auf die experimentellen Pop-Bearbeitungen des Sound-Collagisten James Kirby aka V/Vm-Records nennen. Diese digital bearbeiteten Anti-Pop-Cover sind vielmehr Pop-Destruktionen, die neue, komische, bizarre und auch bösartige Dimensionen und Subtexte im fröhlichen Gestus der Originale freilegen oder gar selbst erschaffen. Zu der V/Vm-Version von Robbie Williams Angels schrieb ein You Tube-Kommentar treffend: „It’s like satan? is singing“.[10]

Ambitionierte Coverversionen, denen es explizit um eine konzeptuelle Re-Interpretation des Ausgangsmaterials geht, gab es in der Popkultur natürlich immer schon, und nicht immer war sie destruktiv, oft auch prä-dekonstruktiv und vermittelnd. Im Bereich der Rockgeschichte ist hier die Band ELP und deren Album Pictures of an exhibition von 1971 als Meilenstein zu nennen, eine Transformation von Mussorgski in einen Prog-Rock-Kontext. Im Bereich des Jazz, der gegenwärtig oft zwischen Kontexten von Pop- und kontemporärer Klassik bzw. Neuer Musik agiert[11], gibt es entsprechend den Coverversionen im Pop die Standards, aber hier natürlich auch, nämlich der Definition des Jazz als steter Innovationsmusik folgend, in Variationen und Re-Kombinationen, so wie das aktuell etwa die Berliner Jazz-Band Die Enttäuschung mit Monks Gesamtwerk macht.[12]

Diverse neuere Cover-Bearbeitungen in der experimentellen Popmusik gehen ebenfalls in diese Richtung. Obwohl sie sich noch an das Ausgangsmaterial als Referenz halten, gehen sie immer stärker in Richtung Re-Work, d.h. die Interpreten eignen sich das Material auf eine stark eigenkonzeptuelle Weise an. Der u.a. an einem dekonstruktivistischem Queer- und Gender-Diskurs interessierte elektronische Komponist, DJ und House-Produzent Terre Thaemlitz überführt z.B. in Die Roboter Rubato von 1997 oder Replicas Rubato von 1999 homoerotische Subtexte von Kraftwerk und Gary Numan, die romantische Tradition des Rubato-Spiels sowie seinen Binär- und Identifikations-Skeptizismus in höchst eigenwillige Klavierinterpretationen.

Dann ein Ensemble wie Zeitkratzer, das sich, wenn überhaupt, ab und an im Grenzbereich zur experimentellen Popavantgarde befindet. Ihr Re-Work-Cover von Lou Reeds Metal Machine Music mittels minutiöser Notation ebenso wie ihre Versionen von Stücken und Konzepten von Xenakis, James Tenney, John Cage wie auch den Industrial Pionieren Whitehouse dient nicht zuletzt einer sehr unprätentiösen und sinnlich-konkret-direkten Vermittlung von Neuer und experimenteller Musik. Friedl und sein Soloisten-Ensemble bewegt sich inmitten von Experimentalmusik, vermittelt diese aber nahezu mit einem Avant-Pop-Bewusstsein. Friedl steht ja nicht explizit auf Pop, aber durch Zeitkratzers signifikantes lustvolles Bearbeiten von Konzepten ist es durchaus vorstellbar, dass das Ensemble dort einmal ankommt.[13]

Im öffentlichen Musik-Mainstream indes ist ein gegenwärtiger Höhepunkt der inflationären Cover-Mania auch als ein Angekommensein von Pop als Repertoirekultur zu verstehen: die Talentsucher-Formate wie Star-Search existieren quasi allein aus dem Cover heraus. Zusätzlich gibt es unzählige ‚originalgetreue’ Cover-Bands der Pop-Klassiker-Bands wie Beatles, Rolling Stones, Doors, Pink Floyd, Queen oder eben Abba, siehe zu letzteren den Erfolg des Musicals Mama Mia. Hieran lässt sich sehen, wie Pop bezüglich Werktreue der Klassik als Repertoiremusik nahe kommt und auch den Weg zum Musical gefunden hat. Und die Rockoper gab es ja nun auch schon in den 70ern. Die Genres transformieren sich immer intensiver und auch schneller ineinander, sie verkanten und amalgamisieren sich, und die traditionellen ästhetischen Wertungen der Separierung, Hierarchisierung und Abwertung lösen sich hierbei auf. Die Frage bezüglich der Popkultur jedoch bleibt:

Wo kommt bei diesen Prozessen noch Substanz und Innovation her? Wie soll sich Pop durch stetes Covern selbst ernähren, und was soll Pop hier letztlich von sich selbst essen? Seinen eigenen Kot?

Hörbeispiel:

V/Vm RecordsAngels

2. REMIXE

Remixe waren in den 1980ern in der Regel Verlängerungen der Songs auf das 12“-Format. Via Hip-Hop und Techno / IDM gab es im Laufe der Spät-90er immer mehr Remixe, die ein Re-Arrangement und eine Bearbeitung der einzelnen Spuren bedeuteten. In der Regel bedeutet Remix in der Popkultur vor allem ganz simpel: Dance-Remixes, also Beats unter einen Song legen (was zunächst einmal sehr einfach klingt, es aber in der Praxis nicht ist). Aber auch hier kann man mit oder ohne Kreativität und ‚Respect’ arbeiten. Eines der ersten Beispiele für einen derartigen Remix ist die Beat-Bearbeitung des Acapella-Stückes Toms Diner von Suzanne Vega (1987 bzw. Erstversion von 1981) durch das Projekt DNA von 1990.

„Der Remix wurde deutlich erfolgreicher als Vegas Original und erreichte in Deutschland, Österreich und in der Schweiz Platz 1 der Singlecharts. In Großbritannien und in den USA konnte sich der Remix ebenfalls in den Top Ten platzieren.“[14]

Ein aktuelleres Beispiel ist die Bearbeitung des Stückes Missing des Duos Everything but the girl durch den House-Produzenten Todd Terry. EBTG-Sängerin Tracey Thorn:

„Ein guter Remix nimmt die Qualitäten des Ausgangsmaterials mit und wirft sie nicht unterwegs über Bord. Der ursprüngliche Song muss immer erkennbar bleiben. Todd Terrys Remix von EBTG „Missing“ ist sicherlich einer der erfolgreichsten Remixe aller Zeiten, er erreichte 1996 in den Billboard Charts sogar Platz zwei.“ [15]

Missing ist nicht nur ein besonders gutes Beispiel, wie ein Remix erfolgreicher wird als das Original, sondern mittlerweile fast nur noch über den Remix definiert wird. Das fast akustische Original ist hingegen kaum mehr zu finden.

Aber Remix in der Popkultur bedeutet natürlich mehr, als einen Song oder eine Komposition Dancefloorkompatibel zu machen – was im Übrigen eine außergewöhnlich große Kunst ist.

2005 öffnete die Deutsche Grammophon ihre Archive, um Produzenten der zeitgenössischen Popmusik die Gelegenheit zur Bearbeitung zu geben. Den Anfang der Reihe Re-Composed machte der Hamburger Dub-Produzent Mathias Arfmann, der klassische Karajan-Aufführungen sampelte und Beat-Bearbeitungen daraus machte. 2006 dann überraschte Jimi Tenor mit Bearbeitungen von Steve Reich, Oliver Messiaen, Erik Satie, Nikolai Rimsky-Korsakov, Pierre Boulez oder Edgard Varèse. Der dritte Teil wurde 2008 von den Technoproduzenten Moritz von Oswald und Carl Craig – letzterer seit dem Beginn seiner Karriere ein gefragter Remixer – mit einer Neuinterpretation von Ravels Bolero und Mussorgskis Bilder einer Ausstellung gestaltet. 2009 dann bearbeiteten unter dem Titel Re:Haydn verschieden Interpreten der Elektronikszene anlässlich des Haydn-Jahrs den Komponisten, 2010 bearbeitete Mathew Herbert dann auf die ihm eigene Methode authentischer selbst aufgenommener Historien- und Referenzsamples die 10. Symphonie von Mahler. Das ästhetische Innovationspotenzial des Re-Composed-Projekts war nicht unumstritten, letztlich ist es jedoch ein Markstein für die Bearbeitung und Interaktion der Genres Pop und Klassik geworden.[16] Denn letztlich ging es auch um den Effekt, dass beide ästhetische Marken, Klassik und Pop, voneinander profitierten: Klassik zeigte sich trendy, zeitgemäß und innovationswillig, Pop erhält von der Hoheits- und E-Kultur-Patina der Klassik wenigstens einen kleinen ästhetischen Abglanz, und wenn auch einen distanzierten. Jimi Tenor konnte z.B. wegen rechtlicher Probleme seine Adaptionen von Stravinsky und Arvo Pärt nicht veröffentlichen. Auf die Frage, wie er sich die Berührungsängste erkläre, antwortete er:

„Naja, die klassischen Komponisten sind nun mal Genies und deswegen darf man ihr Zeug nicht anfassen. Manche wollen unglaublich viel Geld, wenn man auch nur eine Note ändern will, andere lassen sich gar nicht darauf ein. Natürlich gibt es auch offene Leute, die den Austausch mit jüngeren Leuten und anderen Genres suchen, aber das ist die Ausnahme. Klassikmusiker haben das auch nicht nötig, schließlich finanzieren sie sich hauptsächlich durch Steuergelder. Die in Klassik-Zirkeln vorherrschende Stimmung ist einfach super elitär, das kann einem schon gewaltig auf die Nerven gehen. Wegen dieser Grundhaltung wird das auch so oft nichts mit der wechselseitigen Inspiration.“[17]

Bearbeitungen können also auch neue Anbindungen an ein anderes Genre oder ästhetisches Plateau sein, was über die reine ästhetische Interaktion das Ziel hochkultureller Aufwertung für einen der Partner bedeuten kann. Ein Beispiel hierfür kann Jeff Mills, Detroiter Technopionier, mit er Produktion Blue Potential sein, seinem Projekt von 2005 mit dem Montpellier Philhamonic Orchestra. Die erwünschte Fusion von Techno und Klassik als Neuinterpretation bzw. Live-Remix von Mills Stücken mit großem Orchester ist faszinierend, wirkte jedoch letztlich auch etwas bemüht und überambitioniert.

Eine weitere Variante eines Remixes ist das, was sich als ‚Dekonstruktions-Remix’ bezeichnen lässt. Hier sind vom Original nur noch Splitter, verwischte Spuren oder Fetzen zu erkennen. Der Bezug ist oft nur noch auf einer metastrukturellen Ebene erkennbar. Hierbei werden einzelne Teile des Stückes mit Wiedererkennungswert herausgesampelt, die Erzählung oder Architektur des Originals wurde aufgebrochen und mit einer Cut-Up-ähnlichen Technik zerschnitten und re-kombiniert. In dem so entstehenden Track-Song dreht z.B. jemand an einem Radio, und in einer Frequenz erklingen kurz die Originalvocals des Sängers, oder eine Instrumentalpassage taucht als eine Art Echo oder Ornament auf.

Als Beispiel hierfür können z.B. diverse Remixe gelten, welche die Künstler des britischen Elektroniklabels WARP anlässlich seines 10-jährigen Bestehens untereinander für sich selbst machten, aber auch elektronische Mixe von Indie-Bands oder Artisten.[18] Manche dieser Remixe zerschreddern das Original regelrecht[19], was ja wieder enorm gut zur Recycling-Metapher in der Popkultur passt. Eine derartige Bearbeitungsform ist oft kaum mehr als Remix zu bezeichnen, sondern geht schon stark in den Bereich des Re-Work über.

Abschließend möchte ich in diesem Rahmen noch auf das Kollektivprojekt Ultra Red aus Los Angeles, mittlerweile auch Europa, verweisen. Ihre seit Anfang der 90er bestehende Audio-Praxis ist vielleicht auch ein möglicher Ausblick auf das, was im Rahmen dieses Symposiums morgen verhandelt wird, nämlich hinsichtlich der Sonification, auch wenn deren Ansätze letztlich noch etwas spezifisch anderes bedeuten mögen. Ultra Red auf jeden Fall sampeln und remixen explizit den öffentlichen Raum, um dadurch politische Kontexte deutlicher zu machen. Ihre Tracks thematisieren z.B. so die queere Besetzung des öffentlichen Raumes, HIV-Awareness, Gentrifizierung, illegale Migration oder Proteste gegen die Welthandelskonferenzen. Verbunden mit Gruppen anderer explizit politisch aktiven Klangkünstlern ist ihr Ansatz eine klangliche Re-Kombination und Neu-Kontextualisierung, ja letztlich ein politischer Remix des öffentlichen Raumes und seiner sozialen Bewegungen. Hierbei werden u.a. Techniken der Klangcollage, Elektroakustik und House-Musik als Signum queerer Gegenkultur verbunden. In den gegenwärtig vielzähligen und äußerst disparaten Feldern und Plateaus der Elektroakustik und Klangkunst sind die Arbeit mit Field Recordings oftmals Standard und Norm. Auch bei sehr guten ästhetischen Ergebnissen[20] verbleiben manche Kontexte jedoch nicht selten in einem individuellen konzeptuellen bzw. rein ästhetischen Rahmen, der bisweilen sogar geradezu privatistisch bleibt. Projekte wie Ultra Red indes stellen ihre Arbeit explizit in einen politischen und kollektiven Rahmen, was auch ihr Creative Commons Online Label Public Record unterstreicht. Die Praxis von Ultra Red lässt sich dementsprechend als ‚Public Remix’, einem Remix der Öffentlichkeit, charakterisieren.

Die klassischen Felder der Popmusik tangiert dies eher weniger, es sei denn im Bezug auf einen Stil wie House als soziopolitische Praxis.

Im Pop erscheinen die zuvor erwähnten Dekonstruktions-Remixe wie auch die der Re-Composed-Reihe bereits eher als Neubearbeitungen denn klassische Remixe, sie sind also vielmehr Re-Works der Originale. Zu dieser Kategorie später, zunächst jedoch zu der Praxis, mit der sie alle Arbeiten: dem sampeln.

Hörbeispiel:

Ultra RedSecond Nature

3. SAMPLING

Sampling ist kein eigenes musikalisches Genre, aber die Basis der Neubearbeitung von Popmusik. Auch hier gilt, dass ein Sample Respektbezeugung als auch ein neuer kommerzieller Hook sein kann. Manchmal baut ein Song komplett auf nur einem Sample auf und gestaltet sich gleichsam als ein originelles und eigenständiges Stück. Ice Cubes HipHop-Klassiker It was a good day basiert z.B. vollständig auf dem Riff von Footsteps in the dark der Isley Brothers. Vor allem im HipHop sind Sampling und die daraus gebauten Loops die Grundlage für die Musik. Und genau hier begann auch die Auseinandersetzung um die rechtlichen Kontexte, die uns bis heute begleiten und welche die Popmusik der Zukunft prägen und prägen werden. Das markante Meilensteinbeispiel hierfür ist der Rechtsstreit von Gilbert O’ Sullivan mit dem Rapper Biz Markie wegen dessen Verwendung eines unauthorisierten Samples auf seinem 1991er Album I need a haircut.[21]

Das aus diesem Rechtsstreit resultierende Grundsatzurteil war ein wichtiger Anlass dafür, dass die Samplequellen für viele Produzenten ab da immer unbekannter und obskurer werden mussten. Viele durchforsteten einmal mehr die Popkultur, die sich scheinbar einmal mehr selbst aufaß. Vor allem jedoch die Geschichte des Hip Hop baute sich auf einer Sample-Referenz-Metastruktur auf, bei der längst nicht alles in den Sampler kam. Ab Mitte der 90er wurde Indietronic-Clubmusic und die daraus kreierten Genres wie TripHop oder Big Beat allzu oft mit faden Jazz- und Retro-Funk-Samples versehen und aufgepeppt. Produzenten wühlten sich durch Heilsarmee-Charity-Shops, um obskure Samples zu finden, an denen sich auch rechtlich nicht so viel machen ließ. Im avancierten Hip Hop ist der obskure Sample auch heute noch ein veritables Distinktions- und Qualitätsmerkmal, siehe z.B. die rege Diskussion, woher der Sample aus Madvillains letztjährigem Stück Papermill stammt.[22]

Zur Begriffsbestimmung: Sampling ist kein Covern, aber streng genommen auch kein Remix. Sampling ist zunächst einmal ästhetisches Rohstoff-Recycling, das heißt es geht darum, mit einem wachen und lebendigen Ohr die Ersatzteillager und Schrottplätze der Musikgeschichte nach tauglichem oder interessantem Material zu durchsuchen. Sampling ist das grundlegende Fundament für kreative Neukonstruktionen aus den Trümmern und Splittern alter Popmusik. Sampling ist allerdings alles andere als billiger Klangdiebstahl, sondern auch eine strenge Technik und Strategie der Materialrecherche und -auswahl bezüglich Klang, Rhythmus, Ausdruck und Geschichte. Und dazu gehört eine Menge Intelligenz und Archivewiseness, die sich nicht notwendigerweise akademisch erlernen lässt.

Die beiden britischen Künstler Bill Drummond und Jimmy Cauty waren zwar keine Ghetto-B-Boys, aber punkbewusste Hip Hop Fans und von einem anarchistischem Zugang zu den Archiven der Musikgeschichte geprägt. Das heißt, es ging ihnen nicht unbedingt um Respekt und das gute Qualitätssample, sondern um einen wilden eklektizistischen Sample-Mash-Up, der Dinge zusammenbrachte, die es in dieser Kombination so vorher nicht gab. Außerdem wollten sie mit ihrer Musik nicht mehr und nicht weniger als die Musikindustrie herausfordern. Ihr 1987er Debutalbum What the fuck is going on?, das sie als The Jams aka Justified Ancients of MuMu herausbrachten, verschwand wegen ungeklärten Samples, vor allem aus Abbas Dancing Queen, schnell wieder aus der Öffentlichkeit. Ihr Nachfolgeprojekt nannte sich The KLF, u.a. übersetzbar als Kopyright Liberation Front, explorierte House, Trance und Ambient Texturen und verwendete freizügig Samples aus anderen Popmusik-Stücken, gerne auch aktuelleren, und das wurde gar nicht gern gesehen. Aber gehört: mit Doctorin’ the Tardis hatte das Duo als The Timelords 1988 in UK einen ersten Nr.-Eins-Hit. Die Coverversion der Filmmusik der TV-Serie Dr. Who war durch prägende Gitarrenriffs aus Gary Glitters Rock and Roll (Part Two) und der Sirene aus dem Hit Blockbuster von The Sweet angereichert – beides Referenzen zur Teenie-Glam-Rock-Ära der 1970er, die ihre Wirkung auf das mittlerweile etwas erwachsener gewordene Clubpublikum nicht verfehlten. In ihrem anschließend verfassten Manifesto-Handbuch The KLF – Das Handbuch. Der schnelle Weg zum Nr.1 Hit stellten sie ausführlich eine Anleitung für Alle zur Verfügung, die verdeutlichen sollte, wie man mit genug Wissen um Pop, einer gehörigen Portion Chuzpe und einem Sack voller Samples an die Spitze der Charts kommen kann. Das Handbuch ist heute ein absoluter Klassiker der klassischen Popmusik-Ära der 80er geworden, auch, weil darin sehr sarkastisch und schlau die Mechanismen der Musikindustrie offengelegt wurden. Das Handbuch ist mittlerweile als freier Download erhältlich.

An dieser Stelle machen wir einen Genresprung. Wir befinden uns historisch immer noch Ende der 80er, als sich die Konturen von House und Techno via Detroit und Chicago immer fester und deutlicher abzuzeichnen begannen, bevor sich das Genre dann in den 90ern ausformulierte und zur klassischen Blütezeit kam. Techno und House ist eine komplett aus Sampeln bestehende Musik. Die Geschichte dieser faszinierenden und für die Popkultur enorm wichtigen Genres, die sich auch aktuell noch weiter ausformulieren und rekombinieren, möchte ich hier nicht ansatzweise weiter angehen, dafür aber einen ihrer exemplarischen Vertreter anführen, der sich in seiner Arbeit durch einen konsequenten, intelligenten wie auch konzeptuell interessanten Gebrauch von Samples auszeichnet. Den seit Anfang der 90er Jahre im Bereich der elektronischen Clubmusik agierenden Kölner Produzenten Wolfgang Voigt möchte ich hier vor allem wegen zwei seiner zahlreichen Projekte erwähnen: als Mike Ink produzierte er unter dem Alias Love Inc. unter dem Titel Life’s a Gas um Samples seiner eigenen Pop-Helden wie T.Rex, Kraftwerk oder Roxy Music bereits 1996 originelle Club-Pop-Tracks, die eine referenzielle Aufarbeitung und Transformation der jüngeren Popmusikgeschichte in das damalige Hier und Jetzt der elektronischen Clubkultur war. Auf der Innenseite des Covers prangte selbstbewusst und konsequent ein Logo, ähnlich einer Bekleidungsmarke, mit der Inschrift NCN – No Copyrights Necessary. Unter dem Alias Gas indessen produzierte Voigt etwa zeitgleich sinister-schwelgerisch-neoromantischen Ambient-House, der auf der Verwendung von Klassik-Samples, hauptsächlich von alten, verstaubtenWagner-Platten, basierte. Die Verwendung der Klassik-Samples deutscher Herkunft – die übrigens auch eine Debatte über möglichen Patriotismus im Techno auslöste (der Voigt nach eigener Aussage explizit nicht interessierte) – kreierte einen schweren, auch historisch ballastreichen Ambient, der seine Dynamik nicht durch Struktur und Klangwechsel, sondern die historisch patinierte Klangfläche plus zeitgemäßer 4/4tel Beats bezog und daraus eine eher plakative denn subtile Stimmungs- und Ahnungsästhetik generierte. Voigt verwendete in beiden extrem unterschiedlichen Projekten Samples ganz klar und bewusst als akustische Trigger für das kollektive akustische Erinnerungs- und Assoziationsbewusstsein. So können wir uns die Wirkung von Samples auch vorstellen: als eine Art Patina überziehen sie die Neukonstruktionen der Popkultur mit Geschichte. Diese kollektive Wahrnehmungs- und Assoziationswirkung ist kalkulierbar, und es lässt sich im Rahmen der Popmusikgeschichte extrem strategisch mit ihnen umgehen.

Von der Patina der Geschichte zurück auf die Straße: eine der aktuelleren Entwicklungen im Bereich der urbanen elektronisch- und samplebasierten Straßenmusik ist der Footwork-Stil. Der Stil existiert bereits seit ein einigen Jahren[23] und ist die digitale Mashed-Up-Hi-Speed-Raw-Cut-Sample-Elektronik Variante von Urban Breakdance gemixt mit den dunkel-euphorisierenden Vibes von Chicago Ghetto-House bzw. Juke-House und Future-Funk. Das Phänomen dieses spezifischen Battle-Competition-Dance ist sehr auf Chicago beschränkt und drückt die Dialektik von Roots-Tradition und Rootless-Future sehr überzeugend aus. Eine erste Footwork-Compilation ist in Europa Ende 2010 auf dem britischen Label planet mu erschienen.[24] Die 25 Tracks haben in etwa dasselbe Tempo, unterscheiden sich jedoch ziemlich in Sachen Stil und Struktur. Vor allem die Schnelligkeit, welche die erwähnte Dialektik zwischen alt und neu überzeugend unter Spannung halten und zu einem veritablen neuem Underground-Pop-Stil bringen kann, ist bezeichnend für diese neue Art von Sample-Popmusik.

Besonders interessant sind die Produzenten, die als Sampling-Artisten nicht nur aus einem transformierten Avantgarde-Verständnis heraus als ästhetische Innovatoren agieren, sondern auch aus einem expliziten Interesse an Diskursen um Copyrights und so genannten geistigem Eigentum. Hier sind zunächst die Sample- und Collagier-Pioniere Negativland zu erwähnen. Das seit über 30 Jahren aktive Produzenten-Kollektiv verwendet vor allem Fremdsamples als Basismaterial, oft aus dem Popkultur-Kontext, oft auch aus Filmen, wie z.B. Disney-Filmen wie in Gimme the Mermaid oder bei den Collagen Guns oder The Gun and the Bible. Bekannt wurde ihre 1991er Bearbeitung des U2-Stücks I still haven’t found what I’m looking for, die unter dem Titel U2 unter Verwendung von Original-Samples eine Art parodistisches Cover war, nicht unähnlich den späteren V/vM-Vearbeitungen von Pophits. Produzenten wie Negativland und V/vM sind Störenfriede und Sonic Outlaws im Bezug auf die Bearbeitung von Popmusik. Ihre Neukombination ist nicht am Prinzip Pop selbst angelegt, sondern am Prinzip Cut-Up, De-Kontextualisierung und Soundcollage. Ihnen geht es nicht um die eine lustige Coverversion oder den hippen dancefloorkompatiblen Remix, sondern um die Machtdiskurse, die sich hinter dem scheinbar schützenden Begriff ‚Copyrights’ verbergen und um einen freien, fairen und verantwortungsbewussten Zugang und Umgang mit kulturellem Material. Im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit, den U2 gegen Negativland anstrebten, ist es wichtig zu erwähnen, dass das Projekt Emergency Broadcast Network, das 1995 mit 3:7:8 den ersten Track veröffentlichte, der rein aus Videomaterial gesampelt war, von U2 für deren ZOO TV-Tour als Videokünstler engagiert wurden.

Anders als Negativeland arbeitet der Australier Rik Rue, den weniger die Kontextualität und Diskursivität der Samples als vielmehr die fließende Dekonstruktion und Neukonstruktion im Sinne einer ästhetischen Improvisation interessiert. Der musikalisch aus der Improviserszene Sydneys stammende Rue collagiert sein Samplematerial live auf der Bühne, und dies sehr schnell. Sein 1998 mit der damals kurz vor der Customer-Marktreife stehenden Mini-Disc-Technik produziertes Album Sample/Shuffle/Interplay wurde, wie der Titel schon sagt, vor allem durch die live-shuffling-Technik prägnant: entweder begleitete und prägte er dadurch sein damaliges Stamm-Improv-Kollektiv Machine for making sense, oder er collagierte mit wechselnden Partnern, oft auch im Duo, und brach so den traditionellen, oft normativ wirkenden Duktus der Improvisation mit Echtzeitinstrumenten auf und forderte ihn durch die schnelle und unerbittlich konsequente Digitaltechnik geradezu heraus.

Ein sehr bemerkenswertes Duo, dessen Audio sehr durch Samples geprägt ist, ist Matmos. Das von M.C. Schmidt und Drew Daniel 1995 in San Francisco gegründete Projekt kombiniert Grundlagen und Arbeitsweisen aus dem Bereich Musique Concrete und denen der Techno und House-Kultur. Matmos wurden als notorische Sampler von Echtzeitgeräuschen im Sinne der klassischen Field Recordings bekannt, wobei diese Felder jedoch eher offen versteckte soziale Alltags-Räume waren, die von ihnen erst geöffnet werden musten. Manche Samples sind halt derart alltäglich, dass sie geradezu überhört oder ihre Quellen gar nicht als mögliches Audio erkannt werden. Siehe hierzu z.B. den japanischen Produzenten Aube aka Akifumi Nakajimader, der in den 90ern u.a. Glühbirnen oder Bibelseiten sampelte. [25] Den Sampleradius von Matmos bringt die Wikipedia aktuell sehr schön auf den Punkt:

„chirurgische Operationsinstrumente, Umblättern von Bibelseiten, elektrische Gitarren für 5 $, Kontaktmikrofone an menschlichem Haar, Heliumtanks, Totenschädel, Spielkarten, Celli, Violinen, Insekten, Ukulelen, auf eine Trommel fallende Aspirintabletten, bellende Hunde, vorlesende Menschen, unter den Füßen knirschendes Salz oder in der Sonne auftauendes Eis.“[26]

Besonders erwähnenswert ist das Album A chance to cut is a chance to cure von 2001, das hauptsächlich aus Samples medizinischer Operationen besteht, konkret Schönheitsoperationen wie Fettabsaugen, Lippenaufspritzen oder Implantateinsätzen, aber auch Hörtests oder Amputationen. Die Herkunft des Samples ist bei der Arbeit von Matmos extrem wichtig: der vom Kontext isolierte Sample wird mit seiner spezifischen Geschichte als herkunftsbeladenes Abstraktum in einem neuen Kontext erneut konkret. Wenn z.B. die Geräusche von Schönheitsoperationen in einem House-Kontext stattfinden, werden dadurch wieder neue Subtexte lesbar, die vorher verborgen waren. Und natürlich wird auch vordergründig ernsten Themen ein gewisser Humor abgelauscht.

Schließlich möchte ich noch den Produzenten Mathew Herbert erwähnen. Er ist als House-Produzent, Jazz- und Bigband-Musiker sowie als Live-Sampling-Wizzard bekannt und vor allem auch ein Verfechter des Eigensamplings. In seinem Manifest Personal Contract for the Composition of Music (Incorporating the Manifest of Mistakes) / PCCOM aus dem Jahr 2000 setzte er, ähnlich wie dem Dogma-Manifest für das Filmemachen, insgesamt elf Regeln fest, in denen z.B. auf Drumcomputer, Sound-Presets und vor allem die Verwendung von Samples bereits existierender Musikstücke verzichtet wird. Außerdem sollen sämtliche Studioproduktionen live reproduziert werden. Herbert ist für seine idiosynkratische Sample-Technik bekant geworden. Seine Samples haben in dem Gesamtkonzept der Komposition eine für die Hörer dokumentierte und nachvollziehbare Geschichte. So sampelte er für sein 2006er Album Scale klappernde Soldatensärge oder Computerdrucker, die Dossiers aus dem Irakkrieg ausdruckten, in One Pig von 2011 intendiert er, die Sample-Geschichte des Lebens eines Schweins von der Geburt über die Aufzucht bis zur Schlachtung akustisch darzustellen. Herbert sampelte als mehr oder weniger subtilen Protest gegen die Kultur der Globalisierung McDonalds-Objekte oder The Gap-Merchandise. Derartige Herbert-Stücke wie The Mechanics of Destruction sind nach wie vor als freie MP3-Downloads erhältlich. Für die bereits erwähnte Re-Composed-Reihe der Deutschen Gramophon sampelte er für die Bearbeitung von Mahlers 10. Symphonie in dessen Komponierhütte in Toblach, an dessen Grab oder an einem Krematorium.

Sampling ist heute in der Popmusikproduktion der selbstverständliche Standard geworden. Herberts Ansatz aber ist explizit eine Reaktion auf Leute, die es sich diesbezüglich zu einfach machen: Bedroom-Producer mit wenig Ideen und Konzepten, die mal eben der geilen Atmo wegen ein altes Jazz-Orchester sampeln. Das hat sich zwar eh ausgereizt, wird aber immer noch praktiziert, daher sollte man Herbert, der ein unglaublich kreativer und konzeptuell denkender Kopf ist, keineswegs als engstirnigen oder gar konservativen Anti-Sample-Traditionalisten verkennen. Vielmehr ist er ein konsequenter Reduktionist, der es tatsächlich angeht, für das Sampeln ein quasi ethisches Prinzip der Selbstbeschränkung zu praktizieren, um die kreativen Möglichkeiten, die sich durch die Beschränkung auf authentische Eigenquellen ergeben können, zu multiplizieren und zu intensivieren.

Die Welt produziert ja via Internet sowieso jeden Tag eine Unmenge an potenziellem Samplematerial, und gleichsam produziert es bekanntlich als Medium – zumindest potenziell – Rezipienten und Akteure bzw. Empfänger und Sender in einem – Brecht wäre, ausgehend von seiner Radiotheorie angesichts dessen sicherlich begeistert gewesen. Taucht im Internet etwas auf, wird es sogleich verwendet und kommentiert. Als Mitte März 2011 eine UCLA-Studentin aus L.A. namens Alexandra Wallace via You Tube gegen angebliche asiatische Horden in der Uni-Bibliothek per Video-Blog wetterte, wurde ihr Alltagsrassismus sogleich gesampelt, innerhalb kürzester Zeit zu mehreren Remixen umgebaut und postwendend ins Netz zurückgeschickt.[27] So lässt sich per Sample und Remix aus einigen Dingen des unangenehmen politischen wie auch ästhetischen Alltags sehr schön die heiße Luft herausnehmen und mit der globalen Web-Community darüber spotten, kommunizieren und die Sachverhalte für den eigenen Gebrauch neukombinieren.

Bei einigen der hier erwähnen Sample-Produzenten, namentlich Negativland oder auch Herbert, befinden wir uns schon wieder an einer Grenze zu einer anderen ästhetischen Kategorie popmusikalischer Bearbeitungen, die ich explizit vom Remix abgrenzen möchte. Diese Kategorie lässt sich als Re-Work bezeichnen. Hierzu mehr nach den Hörbeispielen.

Hörbeispiele:

NegativlandGimme The Mermaid

MatmosCalifornia Rhinoplasty

Bangs & Works Vol. 1 / Chicago Footwork:

DJ RocOne Blood / DJ RashadItz not rite

4. RE-WORK:

Ein Re-Work ist in meiner Definition ein erweiterter, oft radikalisierter und de-konstruierender Remix im Sinne eines kompletten Re- oder Neu-Arrangements des Originals bzw. der vorhergehenden Version. Er zeichnet sich durch die Neugestaltung und Re-Kombination des Materials zu einem auch strukturell völlig neuen und eigenständigen Stück aus. Dies im Gegensatz zu einem Cover, welches sich der jeweilige Interpret auch geradezu zu etwas völlig Neuem und Eigenständigem aneignen kann, das jedoch immer letztlich in der expliziten Referenz zur Ausgangsstruktur des Audiomaterials und dem Interpretationsgestus – und wenn auch in Antizipation – des Originals bleibt. Beim Re-Work wird das vorhandene Stück hingegen vorrangig als reines Audiomaterial von seinen klanglichen Möglichkeiten her gesehen. Ein respektvoller Umgang oder eine historische Referenz kann dabei durchaus intentioniert sein (vgl. Mathew Herbert remixt Mahler), muss es jedoch nicht. Es gibt durchaus Re-Works, die sich durch eine konzeptuelle oder auch klangliche Referenz zum Original auszeichnen, aber in meiner Definition ist die Referenz von Re-Work zu Original idealerweise vielmehr durch eine konzeptuelle dekonstruktivistische Distanz und explizite ästhetische Indifferenz bestimmt. Das bedeutet nicht nur, dass die originalen Audio-Ersatzteile als ästhetisch gleichwertig betrachtet werden – dies ist beim Remix häufig auch der Fall –, sondern dass die Historizitäts- und Herkunftsstruktur des Originals so weit wie möglich ignoriert und gar negiert wird. Das Ausgangsmaterial bekommt dadurch einen komplett neuen Charakter. Es wird reines Material, so unbelastet und so wenig präfiguriert und präkonstruiert wie möglich, bevor es eine neue Referenz bekommen kann. Möglicherweise lässt es sich wie einen illegalen außerirdischen Migranten vorstellen, der auf der Erde auf einmal einen Personalausweis bekommt. Die Theorie des Re-Works wird gerade begonnen zu schreiben, und häufig leitet sie sich aus den Do’s and Don’ts der Sampling und Remix-Kultur ab.

Ein Re-Work de-konstruiert und re-kombiniert das Material mitunter auf eine Weise, so dass ein komplett neues Stück daraus entsteht, dass mit der Klangreferenz des Originals überhaupt nichts mehr zu tun hat. Diese Arbeitsweise ist nahe am vorhin erwähnten De-Konstruktions-Remix, geht aber in seiner radikalen Indifferenz dem Ausgangsmaterial bewusst noch einen Schritt weiter. Eine typische negative Zuschreibung von Neubearbeitungen – meistens Covern oder Remixen – ist gegenwärtig das häufiger zu hörende Urteil: ‚You butchered it!’ – also: ‚Du hast das Stück geschlachtet!’ Der Re-Work kann tatsächlich so brutal an das Original herangehen, dass er es schlachtet – aber er bringt es danach wieder zum Laufen.

Als erstes Beispiel für einen Re-Work möchte ich den Plunderphonics-Pionier John Oswald anführen. Seine ab den Spätsechzigern von Burroughs literarischer Cut-Up-Technik beeinfluster und mit Magnettonbändern hergestellten Collagierungen führten beispielsweise bereits 1975 in dem Stück Power Hardrock-Gitarren von Led Zeppelin mit Bible-Belt-Predigerreden zusammen. Der 1990 aus zwei Versionen des Carly Simon-Songs You’re so vain hergestellte neuen Bastard aus Original und Cover kann hingegen als ein Blueprint des Mash-Up gelten, wohingegen in Plexure die Geschichte der Audio-CD von 1982 bis 1992 in einer 20-minütigen Collage aus popmusikalischen Mikroschnipseln zusammengemorpht wurde. Für derartige Herangehensweisen an Audio bildete Oswald den Begriff Plunderphonics, was bedeutete: die Popmusikhistorie auszuplündern. Dabei sind der Bezug zum Original und die Erkennbarkeit der Quelle jedoch stets wichtig.[28] Eine weitere markante Bearbeitung Oswalds ist die Umtransformation von Michael Jacksons Bad in Dab. Oswalds Stücke, so unterschiedlich sie sind, basieren zwar auf einer grundsätzlichen Indifferenz dem ästhetischen Ausgangsmaterial gegenüber, betonen jedoch ausdrücklich die Referenz zum Original. Es ist aber keine Coverversion mehr, sondern vielmehr ein referenzielles Re-Work eines Originals im Geiste einer Coverversion, die aber alle technischen Möglichkeiten wie Collage, Doppelung[29]und Geschwindigkeitsmanipulationen bereits mitdenkt und einarbeitet. Es ist ein Re-Work im ‚Play’-Gedanken. Hiermit kommen wir zum nächsten Beispiel.

Als Fortführung des Konzepts eines referenziellen Re-Works möchte ich die Plays-Reihe von Ekkehard Ehlers anführen.[30] Ehlers ist ein autodidaktisch arbeitender Produzent, der sich zwischen den Polen Freie Improvisation, Elektronik/House-Musik und Neuer Musik bewegt. Bekannter geworden ist seine Reihe: Ekkehard Ehlers plays, in der er Robert Johnson, Albert Ayler, Hubert Fichte, Cornelis Cardew und John Cassavetes bearbeitet. Wie spielt man Cassavetes? Indem man ein Stück Beatles sampelt (oder besser sampeln lässt, denn ein Freund tat es für ihn), nämlich Goodnight, und über 10 Minuten repetiert. Einige halten diesen Loop für eine letztlich einfältige, stumpf-banale oder prätentiös-belanglose Referenzhölle, für andere ergibt sich indes eine faszinierende Mischung aus Rührung und Verausgabung inmitten einer alltagsmajestätisch wirkenden Erhabenheit, geprägt aus einer reinen Materialästhetik, die einem Film wie Love Streams, Cassavetes vorletztem, zur schlüssigen fiktiven Referenz gereicht.

In der 2006 erscheinenden Produktion A life without fear transformierte Ehlers schließlich archaisch wirkende Blues- und Gospel-Sample-Referenzen um das Thema ‚Tod’. „Es ist mehr als ein dekonstruktiver Witz, wenn Ekkehard Ehlers für sein Plays-Projekt die Reverenz zum einzigen heute möglichen Weg der Referenz erklärt“ [31], so Diedrich Diederichsen in seinen Linernotes zur Play-Reihe. Da die postmoderne Ästhetik sich generell durch ein explizites und konzeptuelles Spiel mit den Referenzen auszeichnet, ist Ehlers Ansatz bezüglich der Popkulturgeschichte überaus interessant, wenn auch die Verbindung so stimmig und konzeptuell ist, dass es mitunter schon kaum mehr postmodern erscheinen mag. Was schlicht und einfach bedeutet, dass der Produzent uns eine klare Benennung und Referenz strikt vorgibt. Zum anderen jedoch verbindet er auch Elemente, die auch im Sinne der kurzen Geschichte der Popkultur nicht miteinander verbunden sind: das Weiße Album der Beatles (auf dem sich Good Night befindet), hat mit Love Streams von 1984 historisch herzlich wenig miteinander zu tun. Und doch ergibt sich gerade aus dem postmodernem Spiel – das hier, man beachte dies, immer noch unter Re-Work abgelegt ist – eine Verbindung, ein komplett neuer, aber stimmig-sinniger Nexus, ein imaginäres Rollenvertauschspiel unter einer fiktiv-kreativen Rekombination aus Elementen des Alten. Es ist ein Recycle des Vergangenen, das nicht – im Gegensatz etwa zu den Wagner-Sampeln des Gas-Projektes von Wolfgang Voigt – Modernität in ihrer eigenen jetzigen Bewegung gleichsam patiniert, sondern das sich durch eine überraschend stimmige Neu-Kombination und Referenz zu einer ebensolchen und ebenbürtigen Vergangenheit vom virulenten zum tatsächlichen virtuellen Weiterleben transformiert. Ehlers Plays-Projekt ein postmoderner intellektueller Mash-Up von Elementen der Popgeschichte, der gelungen ist.

Als weiteres Beispiel für einen Re-Work möchte ich ein eigenes Projekt verwenden. Das seit 1999 existierende Projekt Careless Semantics beruht auf der Ästhetik ‚hängender’ CDs, also einer reinen Materialästhetik, die in der Regel als ausschließliche Materialästhetik des Fehlers gehört wird. Mittlerweile gibt es Mikrosamples von hängenden CDs bei diversen Stücken der Popkultur; ein Projekt, das diese Ästhetik jedoch ausschließlich zentralisiert und strukturell auslotet, ist mir bislang nicht bekannt. Aber vielleicht wissen Sie da auch mehr als ich. Zunächst nannte ich das Projekt Digital Torturechamber, da mir eines der ersten tauglichen Stücke vorkam, als ob in den wenigen Bits, in denen sich maschinelle, inhuman wirkende Repetition minimal alterniert und verschiebt, Protagonisten der vor allem alten analogen Popgeschichte wie in einer digitalen Folterkammer befinden, die qua digitaler Technik nicht mehr aus dieser herauskommen. Mit der Zeit erschien mir der Projekttitel indes zu unpassend und martialisch. Und da es mir neben meinem musikalischen Interesse an Repetition, die ich für einen Schlüssel zu Verständnis und Praxis zeitgenössischer Popmusik halte[32], stets auch um eine dialektische Aufbereitung musikästhetischer und musiktechnologischer Spannungen ging, nannte ich es in Careless Semantics um. Die Stücke beinhalten, linguistisch gesprochen, eine popkulturelle Semantik, die in eine neue Sprachstruktur gebracht wird. Dort wird mit ihnen sorglos – und eben nicht achtlos – in einem typisch popkulturell-positiven Assoziationssinne, nämlich frisch, unbelastet und historisch referenzbefreit, umgegangen. So ist meiner Ansicht nach eine Bearbeitung popkultureller Tradition ohne das stete Abwandern in eine Referenzhölle möglich. Bei der Verwendung der Samples achte ich sehr darauf, dass die Referenzen, und dies nicht allein aus Copyrightgründen, unerkannt bleiben, um etwaige sogleich daraus entstehende musikhistorische Assoziationen so weit wie möglich zu vermeiden und um innerhalb der ‚reinen’ Abstraktion zu bleiben. Konkrete historische oder kontextuelle Referenzen sind nicht wichtig und sollen nicht im Zentrum der ästhetischen Wahrnehmung der Bearbeitung stehen. Allerdings sollte das Stück in seiner Gesamtheit stets als Artefakt, Re-Kombination und Neubearbeitung markiert sein.

Re-Works sind in der Popkultur also einmal mehr die Bearbeitung von bereits Vorhandenem, jedoch zunehmend unter der Prämisse der Indifferenz des Ausgangsmaterials. Das führt uns zur nächsten Kategorie: dem Mash-Up.

Hörbeispiele:

John OswaldDab

Ekkehard Ehlers Plays John Cassavetes Part 2

Careless Semantics12 reasons to live

5. MASH-UP:

Beim Mash-Up sind wir bei der derzeit aktuellsten Form und letzten Stufe der postmodernen Bearbeitung von Popmusik angekommen. Ein Mash-Up – zu übersetzen in etwa mit ‚Vermanschen’ – bedeutet, mindestens zwei Titel so ineinander zu mischen, dass ein neues daraus entsteht. Diese Praxis ist beim DJen mit repetetiver Beatmusik auch schon seit nunmehr 20 Jahren Praxis, wenn teilweise drei bis vier Titel im Club übereinanderlaufen. In der Popmusik jedoch wurde der Trend, zunächst unter dem Namen ‚Bastard Pop’, ab dem Jahr 2000 durch Internettauschbörsen und Softwaretools ausgelöst. MTV Deutschland startete schließlich die Videosendung Mash, die Mash-Up-Mixe spielte. Ein Undergroundphänomen wurde in der Popkultur einmal mehr offiziell zum Marketinginstrument der Plattenindustrie, die zu diesem Zeitpunkt bereits ins Stolpern geriet.

Brüche oder der bis zur Unkenntlichmachung zuarbeitenden Abstraktionen der Originale sind beim Mash-Up in der Regel nicht gewollt, im Gegenteil ist die nahtlose Verbindung und Fusion der Stücke das Ziel. Die Originale sollen hierbei auch durchaus erkannt werden, die Neukonstruktion der pophistorischen Referenzen mithilfe der Aura des Wiedererkennungswertes ist in der Regel geradezu die Essenz des Mash-Ups.

Zunächst ging es dabei ab etwa der Jahrtausendwende unter dem Synonym ‚Bastard Pop’ noch um die Vermanschung aktueller und klassischer Popstücke. Erste Underground-Reputation verdienten sich hierbei innovative Mash-Up-DJ’s wie DJ Z-Trip und DJ P, die später mit ihrer Uneasy Listening-Reihe Mash-Up-Geschichte schrieben, die ersten Meriten holte sich jedoch Richard X, der 2001 Are Friends Electric von Tubeway Army mit Adina Howards Vocals mischte. Der Underground Hit wurde noch mal ein Jahr später mit den Vocals der Sugarbabes als Freak like me aufgenommen und wurde als erster Bastard-Pop-Crossover-Hit 2002 die Nummer eins der UK Charts.

Ab 2001 veröffentlichte das belgische Duoprojekt Too many DJs diverse lizensierte Bastard-Pop-CDs. Ihr Debut As Heard On Radio Soulwax Pt. 2 enthielt eine Re-Kombination von 45 verschiedenen Pop-Tracks. Der Mash-Up A Stroke of Genie-us von Freelance Hellraiser (aka Roy Kerr), der die Strokes mit Christina Aguilera fusionierte, wurde via Internet ein Achtungserfolg. Obwohl die Samples offiziell geklärt wurden, wurde nun das Internet zum neuen Distributionsort von Neubearbeitungen der Popmusik – viele Produzenten holten sich das Material aus dem Netz und gaben es auch gleich wieder zurück. Die Verbreitung war illegal und unkommerziell. Mash-Ups wurden in Folge jedoch immer offizieller und kommerzieller: Kylie Minogue erlaubte nicht nur Soulwax’ Mash-Up ihres Hits Can’t get you out of my head mit New Order’s Blue Monday, sondern performte ihn sogar bei den Brit-Awards. 2003 mischten Go Home Productions erfolgreich und mit von beiden Seiten abgeklärten Copyrights unter dem Titel Ray of Gob Madonna und die Sex Pistols. Richtig notorische Berühmtheit erlangte aber vor allem das Grey Album des Produzenten Dangermouse (aka Brian Joseph Burton), der 2004 das weiße Album der Beatles mit dem schwarzen Album von Jay-Z derart gut zusammenmischte, dass neue Tracks daraus entstanden. Dangermouse arbeitete hier jedoch derart Beatles-samplebasiert und mit Jay-Z’s Vocals im Vordergrund, dass es sich hierbei eher um einen Remix-Re-Work handelt. Obwohl selbst der Rolling Stone es „the ultimate remix record[33] nannte, wird das Grey Album oft immer noch als das bekannteste Mash-Up-Album bezeichnet. #

Zu Beginn formulierte sich Mash-Up meist in der ‚A vs. B’-Formel, also z.B. Beatles vs Kraftwerk (von 2 many DJs), aus. Daraus ergaben sich unwahrscheinliche, aber sehr überraschende Interaktionen, z.B. Radiohead vs Dave Brubeck oder Pink Floyd vs. Bee Gees.[34] In der Folge gelang dies auch immer öfter mit einem Dreier wie z.B. Calculating Occupants, ein The Carpenters vs Kraftwerk vs Madonna-Mash-Up von Apollo Zero, oder Flowers of Romash, ein PiL vs Beyonce vs Fleetwood Mac-Mash-Up.

Portale wie Napster oder Audiogalaxy eröffneten via Internet einen riesigen und kostenlosen Materialpool, in dem die ganze Popgeschichte auseinander genommen und wieder zusammengesetzt werden konnte. Austausch- und Info- bzw. Blogsites wie Boomselection, Mashuptown und Remix.vg sind die Portale, in denen sich Produzenten und neues altes Material miteinander ‚vermanschen’ können. Die Plattenindustrie und eine vermittelnde Musikpresse ist hierbei a. außen vor und b. total irrelevant: die Distribution verläuft allein durch das Internet. Mark Vidler aka Go Home Productions bringt die alte D.I.Y.-Ethik, rejuviniert durch das Internet, einmal mehr auf den Punkt:

„You don’t need a distributor, because your distribution is the internet. You don’t need a record label, because it’s your bedroom, and you don’t need a recording studio, because that’s your computer. You do it all yourself.”[35]

Ein weiterer Innovationsschub allerdings begann mit dem, was sich als Multi-Mash-Ups bezeichnen lässt, also dem ineinandermashen von bis zu 30 verschiedenen Tracks via u.a. Beatmapping. Vor allem der seit Anfang der Milleniumswende als Mash-Up-Pionier aktive Girl Talk (aka Gregg Michael Gillis), der u.a. mit Software wie Cool Edit Pro, Adobe Audition und Audio Mulch arbeitet, ist für diesen Stil bekannt geworden. Endgültig im Overground ist die ehemalige Avantgarde dann mit den Billboard-Mash-Ups angekommen, mit denen es gegenwärtig DJ Earworm zur jährlichen Meisterschaft bringt. Hier ist das Auswahlkriterium des Audiomaterials nicht dessen Historie oder dessen coole Qualität, sondern, ob es in den Billboard-Charts war, ergo: je mehr Chart-Hits in einem Mash-Up enthalten sind, desto besser. Diese Re-Arrangements verwenden mitunter nur Schnipsel der Originale, wirken aber – wie auch die Tracks von Girl Talk – nicht nur allein durch ihr Audio, sondern auch durch ihre synchron dazu abgespielten Video-Mash-Ups.

Mash-Ups sind technisch-ästhetisch gesehen selbst ein Bastard aus Remix und Re-Work. Während die frühen und gerade als ‚A vs. B’ definierbaren Mash-Ups wie ein klassischer Remix die Referenzen zum Original auf jeden Fall betonen wollen und geradezu ins Zentrum ihrer Neu-Strukturierung stellen, sind aktuellere Mash-Ups wie z.B. von Girl Talk bisweilen kaum mehr zum Original zurückzuverfolgen. Rezeptionstechnisch bedienen Multi-Mash-Ups auch die geänderten ästhetischen Rezeptionsgewohnheiten, die auf De-Konzentration, und hier insbesondere short attention span beruhen.[36]

Bewegungen wie Mash-Up sind auch als Gegenbewegung zur traditionellen popkulturellen Kanonbildung zu verstehen – und implementieren doch gleichzeitig selbst einen Kanon, den sie – quasi durch Unkenntlichmachung der Originale – selbst wieder auflösen müssten. Jedoch ging und geht es bei Mash-Up, einmal mehr, auch vor allem darum, durch die technischen Produktionsmittel die Empfänger gleichsam zu Sendern zu machen, und die passiven Konsumenten von Popkultur zu aktiven, direkten Produzenten. Diese dem Punk verwandte lustvoll-aktive D.I.Y.-Attitude verbindet sich bei den avanciertsten Produzenten mit dem unbedingten und strengem Streben nach ästhetischer Innovation und Hörgewohnheitenveränderung der experimentellen, ja vielleicht sogar der Neuen Musik – und hierbei kann sogar Verzicht auf die beiden ultima ratio des Pop, den Beat und die Melodie, geübt werden. Die ideellen Vorgaben und das ästhetische Potenzial von der anarchischen Respekt- und Hierarchielosigkeit des Punk zusammengedacht mit der konzeptuellen Strenge und sonischen Konsequenz der Neuen Musik – das wäre ja nun einmal wirklich ein wagemutiger Mash-Up. Die aktuelle Wikipedia-Definition schreibt treffenderweise zu diesem Gedanken:

„If one extends the definition beyond the realm of pop, precursors can be found in Musique concrete, as well as the classical practice of (re-)arranging traditional folk material and the jazz tradition of reinterpreting standards. In addition, many elements of bastard pop culture have antecedents in hip hop and the DIY ethic of punk.“[37]

Hörbeispiele:

Girl Talk creates a Mash-Up (Ausschnitt aus RIP – A Remix Manifesto, Open Source Dokufilm von Brett Gaylor, 2008)

Girl Talk – Feed the Animals

DJ Earworm – United State of Pop 2009 (Blame It on the Pop) – Mash-Up of Top 25 Billboard Hits

III. THEORIEMODUL & PRAKTISCHES RESÜMEE

In meiner Dissertation Transformation und Vermittlung [38] über den Wandel ästhetischer Formen und Wertungen habe ich vier Phasen der Popmusik definiert, die ich wie folgt zusammenfasse:

„PHASE 1: IDENTITÄTSDISTINKTION

Zunächst gibt es innerhalb der Popkultur bzw. auch in den singulären Subsystemen, die sich in ihr neu bilden, eine extreme Phase der Abgrenzung und Distinktion und Außen. Das Ziel ist generell die Distinktion zwecks Identitätsbildung, später auch die stilistische Diversifikation. Historisch bezeichnet diese Phase ca. die 1930 / 40er bis spätestens Mitte der 1960er Jahre.

PHASE 2: INSTITUTIONALISIERUNG

Die Phase der Stärkung und Stabilisierung als Konkurrenzmodell. Die Popkultur hat sich als eigenständiges ästhetisches System gegenüber der Hoch- oder E-Kultur abgegrenzt und ist durch diesen Prozess in spezifische Formen der Konsolidierung, Systematisierung und Institutionalisierung gelangt. Darin konnten mittlerweile wiederum systemoriginäre Substrukturen und Subkulturen entstehen. Das System Popkultur ‚funktioniert’ mittlerweile als ein eigenständiges ästhetisches System im kulturellen Gesamtsystem. Historisch ist diese Phase ungefähr ab Mitte der 1960er bis Ende der 1990er Jahre zu setzen.

PHASE 3: INFLATION

Die Phase der Aus- bzw. Überdifferenzierung und der Übersättigung. Diese Phase bezeichnet ungefähr das, was in der Popkultur ab Ende 1990er bis heute zu beobachten ist. Das ästhetische System ist institutionell in der Mitte der Gesellschaft verankert. Der Ausstoß von ästhetischen Stilen und Produkten ist enorm und kaum mehr zu überschauen. Die ersten innersystemischen Strategien der Retrobewegungen finden statt. Gleichsam ist dies auch die Phase der Kanonbildung und der musealen Archivierung der ‚Klassiker’ des ästhetischen Systems sowie der – leider oft unterrepräsentierten – kontextuellen Aufarbeitung.

PHASE 4: INDIFFERENZ

Diese Phase bezeichnet den generellen Einbruch jeglichen ästhetischen Distinktionspotenzials. Der Wille sowie auch die Fähigkeit zur Distinktion sind in diesem ästhetischen System verblasst bzw. derart unintensiv, dass es keine nennenswerten inhaltlichen und auch keine stilistischen und ästhetischen Auseinandersetzungen mehr darin gibt. Die standardisierte Reproduktion überwiegt bei der ästhetischen Herstellung. Das ästhetische Material des Systems ist gleichsam ebenso reichhaltig wie in Phase 3, eventuell noch ausdifferenzierter und reichhaltiger, aber es verhält sich prinzipiell indifferent zueinander und ist demgemäß – ähnlich wie das System der Mode – durch die Institutionalisierung des Formenwechsels bestimmt. Das System definiert sich nun zunehmend retrospektiv aus dem formalen und inhaltlichen Fundus seiner eigenen Vergangenheit und variiert sich in Zitationen, Referenzen und Re-Kombinationen mit retrofuturistischem Anspruch.

Die Popkultur, strukturell mit dem System der Mode vergleichbar, hat sowohl den ästhetischen Fundus wie auch gegenwärtig noch das energetische Potenzial, sich als ästhetisches System solange selbst wiederzubeleben, zu vitalisieren und re-juvenalisieren, bis sie von einem anderen kulturellen Paradigma mit

distinktionellen Zu- und Abwertungen sowie neuen ästhetischen Wertungen ‚angegriffen’ wird und sich aus diesem interaktiven Prozess eine Transformation des Systems ergeben kann.“[39]

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: wir befinden uns meiner Ansicht nach in der Endphase von Phase 3 und im Übergang auf Phase 4, die wir noch nicht vollständig erreicht haben.

Noch gibt es einen regen Bezug auf Tradition und Vergangenheit, noch gibt es klar ausgewiesene Referenzen und Respektbezeugungen, noch gibt es kreative Neubearbeitungen und auch Reaktionen, z.B. in Form von Destruktionen und radikalen Neu-Konstruktionen. Aber inwiefern sind diese dann auch letztlich Pop im Sinne von ‚populär’? Vielleicht will Pop sich hier als ästhetisches Prinzip ewig weiter transformieren, oder auch aufessen, mit Sicherheit aber will das System Pop hier via ästhetischer Subsysteme ein System der bloßen Repertoiremusik vermeiden, stets unter dem idealistischem Anspruch, dass aus dem eigenen Materialrepertoire doch noch immer etwas Neues und Innovatives entstehen muss.

Wie heißt es in Kraftwerk’s Techno-Pop von 1986:

„ Es wird immer weitergehen / Musik als Träger von Ideen“

Aber wie lange noch?

Die immer noch virulente Separierung zwischen E- und U-Kultur, welche überwiegend vom universitären Fachdiskurs partiell vom medialen Diskurs noch gepflegt und aufrecht erhalten werden, sind kultur- und auch musikwissenschaftlich analytisch nicht hilfreich, ja geradezu kontraproduktiv. Publikum, Produzenten und Material lösen diese antiquierte und oft hierarchisierende Traditions- und Wertungsgebundenheit jedoch durch die spezifische Dialektik von Publikumsdiskurs und Produktionsdiskurs auf innovative und herausfordernde Weise auf.

Gleichsam hat bereits seit einiger Zeit in der Popkultur die Kanonbildung eingesetzt: statt multidirektionaler postmoderner Vielheit gibt es hier immer noch den Versuch des Universalismus bzw. einer ästhetischen Universalklammer mittels des Qualitätsdiskurses. Innerhalb des Pop gab es immer schon Annäherungen an die bürgerliche Hochkultur. Beim System des Jazz geschah und geschieht dies schon längst, doch auch der Pop nähert sich zunehmend dieser Transformation, hier vor allem durch die Rezeption belegbar. Pop hat sich schon längst ins Feuilleton verlagert, und es gibt repertoirehafte Referenzaufführungen ganzer Alben von den Bands selbst wie z.B. von Slint und Sonic Youth.[40]

Das ist die Aufwertung von Pop als einer Ästhetik, die heute nicht mehr durchgesetzt werden muss, sondern die einem heute überall und selbstverständlich begegnet. Eine Verteidigung und Implementierung von Pop mittels Qualitätsdiskurs oder auch als politische Projektion ist heutzutage obsolet geworden und gleicht vielmehr einem beständigen Einrennen offener Türen. Pop ist als Prinzip durchgesetzt und muss daher nicht mehr mittels Qualitätsdiskurs oder politischer Projektion verteidigt werden.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch immer noch die Abwertung: es gibt Feindbilder, den niederen Pop, den ‚bösen’ Pop, den ‚Schurken-Pop’. Die Stichworte sind hier: Starmania, Star-Search-Formate, Teenie- und ‚Retorten’-Stars. Pech und Schade dann leider, dass dieser Pop auch noch populär ist.

Ich unterscheide daher im Bezug auf Pop mittlerweile in Pop und PopPop[41], wenn man das Prinzip der Verdoppelung indes nicht philosophisch als Differentialpotenzial denken kann, sondern nur mehr als schnöden Pleonasmus, ist auch die Bezeichnung ‚E-Pop’ möglich. Doch dazu gehört natürlich ein Gegenpart, und das wäre in diesem Fall der ‚U-Pop’ – und hier wird es bereits absurd und lächerlich, wenn gerade innerhalb des Systems der Popkultur mit den alten E- und U-Kategorien der bürgerlichen Hochkultur einfach so weiter(ab-)gewertet wird, als sei nichts geschehen und als hätte es keinen formalen und ästhetischen Wertungswandel gegeben.

Der Hass der E-Pop-Fans jedenfalls – die es in der Geschichte der Popmusik immer schon gegeben hat – auf Teenie-Popstars ist ein traditionelles Leitmotiv der Popkultur und aktuelle am Beispiel Justin Bieber wieder einmal bestens zu beobachten.

Die Abwertung kommt also einmal mehr von Seiten der Werter, der Qualifizierer und Separierer, die in der Popkultur – wie in der E-Kultur – natürlich seit jeher aktiv waren. Auf der anderen Seite gibt es eine Quasi-Abwertung durch die Behandlung von Popkultur als bloßem Ausgangsmaterial. Danger Mouse respektierte die Beatles, aber seine Bezugnahme war vielmehr ein postmodernes Spiel: das weiße Album der Beatles vermischte sich mit Jay Z’s Schwarzem zum neuen Grau – und damit zu einer der pop-unkompatibelsten Farben überhaupt. Girl Talk behandelt die Popgeschichte oft nur mehr als ästhetischen Schrottplatz und eben nicht mehr unbedingt als Wertstoffhof des Guten, Wahren und Schönen. Diese Qualitätszuschreibung auf ‚das gute Sample’ – durchaus vergleichbar mit dem ‚guten Buch’ –, das Mitte der 90er noch Ziel der Referenz war, sei es zu didaktischen Zwecken (àla ‚den Kids via Qualitätssample die wahren Roots stecken und nahe bringen’) oder zwecks Hipsterdistinktion[42], ist gegenwärtig immer weniger der primäre Fokus bei der Bearbeitung von Popmusik. Beobachtbar ist mittlerweile vielmehr ein überaus pragmatischer und indifferenter Umgang mit dem Material, der definitiv nicht mit Gleichgültigkeit zu verwechseln ist. Vielmehr sind bei den Produzenten – ähnlich wie in der DJ-Kultur – ein enzyklopädisches Wissen und eine spezifische und geradezu serendipytisch vorgehende Archive-Wiseness für den Umgang, die Bearbeitung und Neukombination des Materials von eminenter Wichtigkeit. Ansonsten ist ein unbekümmerter und geradezu offensiver Umgang mit Material zu beobachten, das früher als Fremdmaterial und geistiges Eigentum gebrandmarkt wurde, das durch diverse Pioniere und Praktiken der Bearbeitung von Popmusik aber mittlerweile nicht mehr als krimineller, sondern geradezu als pädagogischer Akt, nämlich im Bezug auf einen enzyklopädisch geweiteten und dabei fairen und verantwortungsbewussten mit der Musikgeschichte verstanden wird.

Das größte Problem, das sich hierbei ergibt, ist natürlich der rechtliche Aspekt, konkret die Copyrights aka Urheberrechte. Die neuen Artefakte werden von traditionell-rechtlicher wie auch ästhetischer Seite nicht als Eigenprodukte angesehen, sondern simpel und nahezu traditionell als Diebstahl. Und genau hieran lassen sich die ästhetischen Diskurse der Zukunft anzetteln und starten.

1990 bekam John Oswald Post von der Canadian Recording Industry Association, die diesen in der Interessenvertretung mehrere Mitglieder – u.a. Michael Jackson – höflich aufforderte, alle noch nicht ausgelieferte Kopien des Plunderphonics-Albums unter Androhung einer Klage bitteschön zu zerstören. 1991 wurde Negativland nach der Veröffentlichung von U2 umgehend von ebendieser Gruppe verklagt, da deren Markenrechte durch Cover und unauthorisiertes Sampeln verletzt werden würde. Außerdem würden die auf das neue U2-Album wartenden Fans durch die Negativland-Single verwirrt und verstört. Was ja auch nicht ganz falsch war. Auf jeden Fall stand zu dieser Zeit innerhalb der Popkultur die Tatsache, dass ein derartiger Umgang mit den Originalen letztlich auch einen rückwirkenden Werbeeffekt auf diese hatte, noch nicht diskutiert oder für voll genommen. Als das Grey Album von Danger Mouse 2004 vor allem über das Internet publiziert und populär wurde, folgte immerhin schon ein ausgiebiger Diskurs über Copyrights, geistiges Eigentum, Remixkultur und Creative Commons.[43]

Das Prinzip des Web 2.0 tendiert seit seiner Transformation des Internets zu einer Praxis des Remix und Mash-Up unter zusätzlicher starker Initiation der Free-Software und Free-Data-Bewegung. Über Web-APIs, also Web-Programmierschnittstellen, sind Web 2.0-Angebote möglich und auch usus geworden, die zum einen den interaktiven Zugriff auf Nutzerdaten und Anwendungsfunktionen ermöglichen und so zu einer Öffnung von Datenpools unter einer Art offenen Remix-Kultur führen, zum anderen sind unter dem Prinzip des Mash-Ups Verknüpfungen und Amalgamisierungen verschiedener Inhalte und Funktionen von Webangeboten gebräuchlich geworden. Jede neue Verknüpfung und jeder neue Remix ist gleichsam eine Werbung und eine Trafficerweiterung für den anderen, also den vorhergehenden wie auch den Folgenden. Im Internet geht es nicht etwa nur um die einseitige Ansammlung von Stammdaten, sondern vielmehr auch um den vertrauensvollen, korrekten und nachhaltigen Umgang und Austausch mit anderen Daten.

Wer Daten freisetzt, wird auf Dauer belohnt, wer Nutzer und ihren Traffic einsperrt, auf Dauer bestraft. Danger Mouse schrammte trotz EMI-Drohung am Law-Sue gerade eben vorbei und konnte von der Situation in den folgenden Kontexten seiner ästhetischen Produktion mit seiner artist brand als Mash-Up-Genius letztlich sehr profitieren.[44] Viele Stationen in meinem Abriss der Recycling- und Bearbeitungshistorie der Popkultur sind mittlerweile Anekdoten und Meilensteine geworden, und nicht wenige haben geholfen, die heutigen Standards im Umgang mit dem Material zu setzen und die alten Grenzen der ästhetischen Restriktion zu überschreiten und niederzureißen. Wie viele Bearbeitungen durch und via das Internet werden heute nach dem play and product-Prinzip gemacht: heute gedacht, morgen gemacht, übermorgen im Netz – das ist schon lange der neue Standard. Die ästhetischen Neuerungen, welche die Web-Mash-Digitalität gebracht haben, waren oft auch Herausforderungen des Urheberrechts. Eine Ästhetik der kreativen Wiederverwertung benötigt indessen rechtliche Freiheit wie auch den verantwortungsvollen Umgang mit dem originalen kreativen Material.

Einer der bekanntesten und profiliertesten Fürsprecher für eine freie Remixkultur unter der Prämisse der Creative Commons war und ist Lawrence Lessig, Juraprofessor in Harvard, renommierter Verfassungsrechtler, Autor, Creative Commons-Gründer, Open-Content-Befürworter und entschiedener Gegner eines restriktiven Copyrights im Bereich immaterieller Güter.

In seinem zum freien Download erhältlichen Buch Remix stellt er anschaulich die Erblast des Urheberrechts aus dem vergangenen Jahrhundert und seinen ästhetischen Wertungen und soziokulturellen Kontexten dar, die im Bereich der Open-Source-Bewegung immer noch zu zahlreichen Kriminalisierungen, kreativen Behinderungen und ästhetischen Verzerrungen führt. Lessigs Ideal ist eine Hybridökonomie, in der auf der einen Seite Creative Commons und Open Source die von allen bereitgestellten Ressourcen sind, mit denen für die andere profitorientierte Seite frei gewirtschaftet werden kann.

Die neuen ästhetischen Erkenntnisse, Umwertungen und Re-Definitionen finden auch zunehmend im akademischen und universitären Umfeld ihren Niederschlag und setzen dort Wurzeln. Als Beispiel für einen aufgeklärten akademischen Umgang mit dem Thema kann das Essay Plagiarism, originality, assemblage von Eilola / Selber aus dem Jahr 2007 gelten.[45] Die Autoren gehen unter einer didaktischen Perspektive davon aus, dass die meisten Studierenden bereits in einer Remix-Kultur leben und arbeiten, deren diskursiven Praktiken allerdings von der ästhetischen Vermittlung und Lehre, spezifisch der Kompositionslehre, oft nicht respektiert und akzeptiert wird.[46] Dies liege an der historisch determinierten traditionellen (Über-)Bewertungen von Autorschaft und Kreativität, in denen der Mythos der Originalität einen zu wichtigen, es lässt sich auch sagen, zu universalistischen Platz einnimmt, der sowohl einem zeitgemäßen Prozess der Kreativität als auch der Vermittlung hinderlich sein kann.

Ihre kurze Geschichte der Assemblage zeigt, wie sehr sich diese als ästhetische Praxis in diverse kreative Bereiche wie Musik- bzw. Audioproduktion, Architektur und Design, und hier insbesondere Web-Design, transformiert hat und prägend für diese Kontexte geworden ist.

Eilola / Selber hinterfragen letztlich die Hierarchie, die, gerade auch im didaktischen Bereich, immer noch zwischen den Bereichen ‚originaler’ und ‚geliehener’ bzw. ‚zitierter’ Produktionen und Artefakte gemacht werden. Die ersteren werden per se traditionell höher bewertet als letztere, und genau dies sei auch der Grund, warum so viele Artefakte tatsächlich gestohlen und als eigene ausgegeben werden würden. Wenn aber diese Hierarchie endlich angegangen und fallen würde und ein Teil der Assemblage eher für seine unterstützende Funktion im Ganzen als für seinen Platz in einer traditionellen Bewertungshierarchie genommen werde würde, würden Fähigkeiten und Fertigkeiten der postmodernen kreativen Neukombination von bereits vorhandenem Material endlich anders bewertet werden können. Die Praxis des Remixes und Reworks kann in diesem Sinne als ein Ausweg aus dem Dilemma des steten Zwangs von Originalität werden – vor allem, wenn letztere mehr Mythos als tatsächliche Originalität ist. Ein stetes Beharren auf Originalität kann eben diese selbst im kreativen Prozess verhindern und stattdessen eher einen Fetischisierung der Originalität erzeugen, die ständig versucht, das Rad neu zu erfinden. Eilola / Selber hierzu:

„In the end, as we see it, this all comes down to a reconfigured notion of ‘creativity’, one more in line with postmodern work. Creativity is no longer, as we said, re-inventing the wheel, which does not remove creativity but shifts it tom the assemblage: Take what already exists and make something else, something that works to solve problems in new, local contexts. Creativity, in this rearticulation, involves extensive research, filtering, recombining, remixing, the making of assemblages that solve problems. Citation is no longer a way subordinate elements in a text to downplay their value in student work but a way to reward students for their new skills, to situate texts not only in pre-existing but new contexts.” [47]

Derartige progressive wissenschaftliche Sichtweisen unterstützen die These, dass Pop sich gegenwärtig nicht zwangsläufig selbst aufisst oder seine Einzelteile kannibalisiert – diese Metapher des ‚Pop will eat itself’ ist vielmehr als eine erste Reaktion auf den beginnenden und zunehmenden Prozess des Samplings und Remixes innerhalb der Popkultur ab Mitte der 1980er Jahre zu verstehen –, sondern dass sich die Popkultur in ihrem Material eher – wenn wir bei einer kulturhistorisch-biologischen Metapher bleiben – in einem evolutionären Prozess ständig recycelt und verändert, in dem die Einzelteile, und seien es die kleinsten Zellen, ständig miteinander re-kombiniert werden. Die vierte Phase der Popkultur definierte ich wie gesagt folgendermaßen:

„Das ästhetische Material des Systems ist gleichsam ebenso reichhaltig wie in Phase 3, eventuell noch ausdifferenzierter und reichhaltiger, aber es verhält sich prinzipiell indifferent zueinander und ist demgemäß – ähnlich wie das System der Mode – durch die Institutionalisierung des Formenwechsels bestimmt. Das System definiert sich nun zunehmend retrospektiv aus dem formalen und inhaltlichen Fundus seiner eigenen Vergangenheit und variiert sich in Zitationen, Referenzen und Re-Kombinationen mit retrofuturistischem Anspruch.“ [48]

Das System der Popmusik, ein System das nur vordergründig genuin aus Künstlichkeit und Innovation zu existieren schien, beginnt nun endlich, sich komplett und hochvirulent auszudifferenzieren und dabei in zahlreichen Subsystemen endlich – endlich! – unübersichtlich und – auch in seiner vermeintlichen Gleichförmigkeit – unüberschaubar und damit ‚natürlich’ zu werden. Popkultur generiert sich so zu einem quasi natürlichen System, in dem es immer weitergeht, aber nicht unbedingt in einem dialektisch-teleologischen Progress der Historie zur Zukunft, sondern eher einem evolutionärem Zirkel und quasi-biologischem Recycling-Rundlauf ästhetischer Transformationen, in dem die Dinge tatsächlich immer weitergehen, wie Kraftwerk vorhersagten, aber in einer Weise, dass sie, wie in einem Karussell, welches sich bei der Fahrt permanent selbst umbaut, immer anders gleich oder gleich anders wiederkommen: Plus ca change, plus c’est la meme chose.
Einige popkulturelle Phänomene kehren dabei, und diese Metapher verwende ich im Bezug auf Popkultur besonders gerne, auch als Zombies wieder. Und diese essen bekanntlich auch gerne selbst, aber nicht sich selbst, sondern die noch Lebenden. Und das ist dann eine besonders interessante Geschichte: die toten Teile der Popkultur kommen zurück und essen die Lebenden.

Doch ganz bodenständig zurück zur Praxis der ästhetischen Assemblage: es kann meiner Ansicht nach gegenwärtig nur darauf hinauslaufen, deren Prozesse zu umarmen, zu unterstützen und sie selbst zu intensivieren, voranzutreiben und mitzugestalten. Entgegen dem bildungsbürgerlichen Mythos-Fetisch der Originalität und des geistigen Eigentums, der letztlich auch für die Errichtung des falschen Bollwerks ‚Copyrights’, das früher kreative Prozesse beschützen sollte und sie heute vielmehr behindert und geradezu verhindert, so dass ganze kontextuelle Netzwerke ästhetischer Produktion nicht mehr effektiv miteinander kommunizieren können, gilt es die Forderung auszurufen:

ASSEMBLE THE REMIXES AND MASH-UP THE COVERVERSIONS!

Was bedeutet diese Forderung für kreative Neubearbeitungen? Ist ab jetzt alles nur kreative Klischee-Anarchie, wild umhersampelnde Copyright-Outlaws und Alle gegen Alle?

Und ist Ex-Ministers Guttenbergs Dissertation ab jetzt keine Fälschung mehr, sondern einfach eine postmoderne Assemblage?

Keineswegs das. Der aufgeklärte postmoderne Umgang mit dem Material sollte – und hierbei lässt sich einmal mehr von der DJ-Kultur lernen – von Archivewiseness, Respekt und Mit-Verantwortung für das Ganze geprägt sein. Je mehr die Assemblage eine akzeptierte Praxis in der Ästhetik ist, desto weniger muss die Produzentenseite so tun, als ob sie etwas ‚ureigenes’ hervorgebracht habe und je weniger muss sie ihre Quellen unkenntlich machen oder verfälschen.

Die Re-Kombination vorhandener – und hierbei oft auch alter, mitunter sehr alter – Formen und Muster durch gegenwärtige Praktiken von Remix, Re-Work oder Mash-Up erzeugen brandneue Artefakte, die überaus eigenständige und letztlich auch wieder originelle Züge aufweisen. Dabei jedoch, und dies ist das wesentliche, immer als diese Artifakte, Re-Kombinationen und Neubearbeitungen erkenntlich sind oder zumindest sein sollten.

Von daher lässt sich auch die Gefahr entkräften, dass in Zukunft nur noch blind, blöd und seelenlos geklaut wird. Ganz im Gegenteil – ein explizites Kennenlernen der Archive sowie ein verantwortungsvoller Umgang damit sollte vielmehr der Fall sein. Und was ein Haupteinwand zur Assemblage betrifft, nämlich die oftmals beschworene Gefahr der Profillosigkeit und des ästhetischen Uncharismas der zu erwartenden Artefakte, dem ist zu antworten: die Assemblage charakterisiert sich ja durch die Art ihrer Herstellung letztlich auch eben durch Originalität, aber durch eine aufgeklärte und un-genialische und von Kenntlichmachung und Vermittlung geprägte Originalität.

Selbstverständlich: Indifferenz bedeutet ja nicht Unterscheidungslosigkeit. Und auch die Crux des ästhetischen Qualitätsurteils ist ja – noch – nicht gelöst oder aufgelöst.

FAZIT

Ich fasse zusammen:

Popmusik ist ein System der Wiederverwertung, das zunehmend (entweder bewusst oder unbewusst) unter den Prämissen von Ent-Auratisierung und Un-Originalität agiert.

Die Praxis der Wiederverwertung, die Assemblage, das Zitat und die Transformation werden hierbei definitiv zunehmen.

Begünstigt wird dies im Wesentlichen durch drei Faktoren:

  1. Eine zunehmende ästhetische Indifferenz: das bedeutet einen zunehmenden ästhetischen Wertungswandel sowie Verschiebungen der Wertigkeiten von Auratik / Original und Originalität zu Transformation und Assemblage / Re-Kombination.
  2. Damit einhergehend: geänderte Rezeptions- und Produktionsgewohnheiten aufgrund neuer technischer Standards.
  3. Damit einhergehend: eine zunehmende Verfügbarkeit und Öffnung des Datenpools via Internet, und hier spezifisch der Bereiche Open Source, Free Data und Creative Commons. Und hierfür braucht es eine Reform der rechtlichen Seite bzw. neue rechtliche Strukturen, die einen kreativen Umgang mit den neuen Verhältnissen begünstigen und die traditionellen restriktiven Copyrights einschränken. Sollte letzteres nicht geschehen, müssen sich die Produzenten eben solange das nehmen, was nötig ist, bis es wieder unnötig geworden ist.

Soweit und bis auf weiteres. Es wird schon immer weitergehen.

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse.

Marcus Maida

März 2011


[2] Das 50er-Revival ist eigentlich immer; das 60er-Revival dito, war aber besonders Anfang der 90er in Subkulturen und später im Mainstream-Indie-Pop virulent; das 70er-Revival ist partiell durchgespielt (weniger Prog-Rock und Fusion, umso mehr in zeitverschobenen Intervallen Funk, Heavy-Rock, Disco und Punk sowie New Wave); das 80er-Revival haben wir in all seinen aus den 70ern ausdifferenzierten Stilen enorm hinter uns bzw. sind partiell immer noch mitten drin; das 90er-Revival lässt in Bezug auf das explizite Covern seiner Historie noch auf sich warten, diverse prägende Stile der elektronischen Popkultur wie Techno, House und IDM – weniger z.B. Drum & Bass, aber auch dies partiell – setzen sich ja auch immer noch in die Gegenwart fort. Die 00er Jahre waren bereits das Pop-Jahrzehnt des eklektizistischen Kannibalismus und der offensiven Re-Kombination – aber auch hier sind in diesem Verlauf bereits ‚Klassiker’ geschaffen worden.

[4] Vgl. die britische Band gleichen Namens, die unter diesem Namen von 1986 bis 1996 existierte. Die Gruppe um Clint Mansell reicherte ihre Tracksongs mit zahlreichen Samples aus Musik und Medien an und kreierte ein umfangreiches Merchandise, das auf The Designers Republic zurückgeht. Der Name der Band ist selbst recycelt und geht auf ein NME-Feature über die unbekannt gebliebene Jangle-Pop-Band Jamie Wednesday zurück: “The name Pop Will Eat Itself was shamelessly stolen from an NME feature on the band Jamie Wednesday, written by David Quantick, which proposed the theory that because popular music simply recycles good ideas continuously, the perfect pop song could be written by combing the best of those ideas into one track. Hence, Pop Will Eat Itself.”

http://web.archive.org/web/20041010210309/http:/www.sickamongthepure.com/files/2002/07/Mansell/Mansell.html Die Band war ebenfalls Namensgeber für „Will pop eat itself?“, das dritte Buch des Kulturjournalisten Jeremy J. BEADLE (London 1993). Beadle, ein enzyklopädisch informierter Musikjournalist in Print und Radio, der angeblich jeden No. One-Hit der letzten 35 Jahre auswendig aufsagen konnte und der ebenso ein großer Kenner der klassischen Musik war, bereitet in diesem sehr detail- und materialreichen Buch Geschichte und Gegenwart von Revival und Re-Kombination in der Pop Musik auf. Hierbei konfrontiert er zu Beginn deren gegenwärtige Praktiken mit denen der ‚High Art’ der Vergangenheit. Das Buch strotzt vor Namen, Titeln, Details und Chartsplatzierungen, die heute in Wikipedia wahrlich besser aufgehoben sind als auf totem Holz. Gleichsam ist Beadles Arbeit in dem Versuch einer ersten Bestandsaufnahme der Sample- und Remix-Kultur zu respektieren und zu erwähnen. „For the first time I can remember, pop-music – to use that broad, nebulous term again – is going round in an everdecreasing circle which remains unchallenged. Pop is always eating itself, but it seems to be producing the inevitable kind of waste as a result.”, ebda. S.244.

[5] SPEX , 9/2010 S.34, OMD-Interview und Blindfold-Test mit Max Dax und Martin Hossbach.

[6] Ebda.

[7] „Wilde Denker“, Interview von GÖRICKE, Jutta, mit Rainer Holm-Hadulla, Süddeutsche Zeitung 26-2-2011, S.V2/9

[9] Ab dem Ende der 70er Jahre wurden z.B. die häufigen Punk- und New-Wave-Coverversionen von alten und ‚lahmen’ Rockhits oder gar Schlagern beliebt und sprichwörtlich wieder geläufig. Dies waren indes meistenteils, sogar bei Devos den Rock-Groove der Rolling Stones zerhackenden New-Wave-Coverversion von deren Satisfaction, in letzter Instanz Hommagen und die für Coverversionen typischen Respekt-Referenzen, sogar, wenn es um die Stimmungs-Seeligkeit des Fun-Punk ging. In Zeiten des Internets und der hyperbeschleunigten und steten Produktion von Coverversionen bedeutet ein Cover jedoch auch oft ein Diss aka eine negative öffentliche Abwertung und Zur-Schaustellung, vor allem, wenn es um einen bekannten Charts-Songs geht. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist nicht nur Justin Bieber, sondern vor allem Rebecca Blacks Friday.

[11] Vgl. Hierzu auch MAIDA, Marcus: How High is Jazz? Jazz als Hochpopkultur. http://hoteldiscipline.net/?page_id=273 Erweiterte Fassung des Vortrages auf den 6. Schaffhauser Jazzgesprächen vom 15. Mai 2009. Gekürzte Printversion in „Schaffhauser Jazzgespräche. Edition 03“, Hrsg. von RENTSCH, Christian und RÖLLIN, Urs, Zürich 2010.

[12] Ein interessanter Punkt hierbei ist: Jazz als Repertoire-Musik gilt unter Improvisateuren oft als verpönt – ‚die spielen ja nur nach’, so ein gängiger Angriff. Die ketzerische Frage ist, ob es im Improv, also der sog. freien Improvisation, nicht ebenso viele traditionelle Modi und Gesten von Improvisation als ‚Standard’ gibt, die quasi neuverpackt Improv-gecovert werden.

[13] Auf die Frage, ob es für ihn Grenzen gebe, antwortete Friedl in einem Interview mit der TAZ: „Keine bewaffneten. Irgendwelche Mauern stehen nicht rum. Aber es gibt natürlich Musik, die nicht in Frage käme, bei der ich nicht sehen würde, dass die reizvoll wäre. In Popmusik zum Beispiel kenne ich mich total schlecht aus, bei Madonna würde mir erst einmal nichts einfallen. Aber wenn ich jetzt nachdenke, könnte man sagen, hey, man könnte auf diesen oder jenen Aspekt eingehen.“ (TAZ 5-11-2010, Interview mit BOEHME, Caspar)

[15] Sie führt weiter aus: „Terry sagte mir, er habe damals das Gefühl gehabt, der Song an sich sei schon so stark, dass er nicht mehr hinzufügen müsse. Seine einmalige Leistung bestand darin, den Song für den Dancefloor kompatibel zu machen – und das war’s. Fast alle Remixer sind mit meinen und EBTGs Kompositionen so umgegangen, und trotzdem haben sie uns jedes Mal überrascht.“ (SPEX 7 / 2010, S.135) Dies stimmt überaus, wenn man sich z.B. den Remix von Thorns Grand Canyon durch die Kölner Minimal-Tech-Produzentin Ada anhört.

[16] Ein bedeutsames Pop-remixt-Klassik-Projekt war auch die 2000er Produktion Schwanensee Remixed der Wiener Volksoper unter Mitarbeit der renommierten Wiener Elektronikproduzenten Patrick Pulsinger und Erdan Tunakan, die zur erfolgreichsten Produktion der Volksoper seit ihrem Bestehen wurde und eineinhalb Jahre lang ausverkauft war.

[17] Das ursprünglich angestrebte Konzept bestand aus einer geplanten 50/50-Balance zwischen den Originalen und der Musik Tenors. Die Arbeit gestaltete sich indes letztlich anders: „Die Auftraggeber wollten keinen radikalen Remix, kommentiert Tenor das Geschehen. Auf die Frage, ob er mit dem Material besonders vorsichtig umgehen musste, erklärt er im Welt-Interview: Ja. Die noch lebenden Komponisten mochten die Idee überhaupt nicht, dass jemand mit ihren Stücken Schindluder treibt. Es sind ihre Kinder. Einer sagte: Remix bedeutet nichts anderes, als deine kleine Tochter in die Hände eines Vergewaltigers zu geben. …

Bei Varéses Ionisation dagegen habe ich erst das richtige Tempo gesucht, den Rhythmus mit dem Computer aufgenommen, dann aus dem Original gesampelt und dieses Sample meinem Rhythmus angepasst. Das war von der Arbeitsweise her fast wie ein man bei einem Remix vergehen würde.“

http://rheinmain.partysan.net/clublife/jimi-tenor-jedermanns-musik-recomposed/

[18] Für Björk gab es z.B. eine Website, auf der Fans ihre Stücke remixen können. Ein Archiv davon ist unter http://sunday-in-the-park.com/bjork/ zu finden.

[19] Ein bezeichnendes Beispiel hierfür soll der polnische ‚Braindance’-Produzent Bogdan Raczynski sein. Der Terminus ‚Braindance’ wurde von Richard D. James aka Aphex Twin bereits 1991 eingeführt, um dessen Musik auf seinem Label Rephlex zu beschreiben. Die Definition für diese Art von Musik und ihre Nachfolger war: „Braindance is the genre that encompasses the best elements of all genres, e.g traditional, classical, electronic music, popular, modern, industrial, ambient, hip-hop, electro, house, techno, breakbeat, hardcore, ragga, garage, drum and bass, etc.“ Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Braindance#Braindance

bzw. „what is braindance?“. rephlex.com. http://web.archive.org/web/20010302124112/www.rephlex.com/braindance.htm. Retrieved 2008-06-14.

[20] Hier ist z.B. das von Taylor Deupree 1997 gegründete ‚12k’-Label zu nennen, bei einige Alben erschienen sind, auf denen Field Recordings mit mikrodigitaler Prozessierung verbunden werden.

[21] „The album forever changed the hip-hop industry because of the album’s 12th track, „Alone Again.“ Biz was served a lawsuit by Gilbert O’Sullivan because of „Alone Again“ featuring an unauthorized sample from his song „Alone Again (Naturally).“ The resulting case was Grand Upright Music, Ltd. v. Warner Bros. Records Inc., in which the court granted an injunction against the defendants to prevent further copyright infringement of the plaintiff’s song by sampling and referred them for criminal prosecution. The judgment changed the hip hop music industry, requiring that any future music sampling be preapproved by the original copyright owners to avoid a lawsuit. Biz would poke fun at his misfortunes, titling his next album All Samples Cleared!“ http://en.wikipedia.org/wiki/I_Need_a_Haircut

[22] Nicht wenige vermuteten Manfred Krugs Amiga-Funk-Klassiker Morgen und bescheinigten Produzent Madlib erneut Genie-Qualitäten bei der Bearbeitung des Samples. Dessen Herkunft ist trotzdem bislang nicht geklärt. Für weitere Recherechen zu Geschichte und Herkunft von Samples siehe u.a. http://www.whosampled.com/ sowie http://www.the-breaks.com/ oder auch http://rwm.macba.cat/en/curatorial?id_capsula=499

[23] Streng genommen seit mindestens 15 Jahren. Die Anfänge liegen hier allerdings noch im Chicago-Juke bzw. Juke-House, einer ungleich schnelleren Variante des Ghetto-House, die im Geschwindigkeitsbereich von 150-160 BPM liegt. Chicago Footwork als extrem schneller Strassen-‚Kampf’-Tanz und zeitgemäße Hi-Speed-Variante des Breakdance ist in dieser Form erst seit ca. 10 – 5 Jahren wirklich als eigenständiger Stil festschreibbar.

[25] “The essential element of his Aube project is that each record is composed with only a single material source, manipulated and processed using various types of electronic equipment. Examples of sources he has manipulated include water, fluorescent lamps, voltage-controlled oscillators, voices, pulmonary sounds, Holy Bible’s pages and sounds made from steel wire.” http://en.wikipedia.org/wiki/Aube_%28musician%29

[26] http://de.wikipedia.org/wiki/Matmos

[27] Hier nur vier aktuelle Remixe: „Asians in the library – Ultimate ching chong – Remix (original)” http://www.youtube.com/watch?v=qZ3dFd_h_A0&feature=related oder „Asians in the Library – Remix 1st draft + dubstep bonus ChingChongTingTong” http://www.youtube.com/watch?v=Nk_kTbf6zmI&NR=1 oder “Asians in the Library – UCLA Girl (Alexandra Wallace) DUBSTEP REMIX” http://www.youtube.com/watch?v=T_mGTLu1Yjg oder UCLA Girl Asian Rant (GK Dubstep Remix) http://www.youtube.com/watch?v=ccIwdzsFPMA&feature=related

[28]A plunderphone is a recognizable sonic quote, using the actual sound of something familiar which has already been recorded. Whistling a bar of „Density 21.5“ is a traditional musical quote. Taking Madonna singing „Like a Virgin“ and rerecording it backwards or slower is plunderphonics, as long as you can reasonably recognize the source. The plundering has to be blatant though. There’s a lot of samplepocketing, parroting, plagiarism and tune thievery going on these days which is not what we’re doing”, nach einem Interview Oswalds mit Norman Igma. http://en.wikipedia.org/wiki/John_Oswald_%28composer%29

[29] Man denke auch an die visuellen Doppelungen in Andy Warhols Bildern, von denen Oswalds Audiokonzept diesbezüglich beeinflusst sein könnte.

[30] Zusammengefasst auf CD erschienen 2002 bei Staubgold.

[31] ebda

[32] Ich fand letztlich auf YouTube einen Kommentar zum Thema ‚Wiederholung’ bezüglich eines oberpopulären Stück Klassiks, nämlich Tschaikowskys Nutcracker-Suite. Dort hieß es:

„’bei vielen klassik musik stücken ist eine so häufige wiederholung von „refrains“ sehr selten und deswegen sind diese nicht so beliebt.’

Richtig, zumindest bei der Masse. Unter manchen eingefleischten Klassik-Kennern und -Liebhabern läuft eine solche häufige Wiederholung des Themas allerdings schon unter Kitsch und wird? (wenn es nicht gerade von Tschaikowski kommt) als stumpf und banal bezeichnet!“

Ich frage mich, wie in der Musikrezeption, gerade innerhalb der traditionellen okzidentalen E-Kultur, die Repetition so einen schlechten Ruf bekommen konnte und wieso – und dies fängt bei Melodien und Klangfolgen an und endet bei Rhythmen und Beats – sie heute bei nicht wenigen Musikrezipienten und –produzenten der sog. E-Kultur so ein Problem darstellt. Meine These hingegen ist: wer heute mit Wiederholungen ein Problem hat, hat definitiv ein Problem mit zeitgenössischer Musik.

[33] „DJ Makes Jay-Z Meet Beatles“, Rolling Stone, 3-4-2006. http://www.rollingstone.com/news/story/_/id/5937152.

[34] Eine kleine Liste von ‚A vs. B’-Mash-Ups findet sich unter http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Mash-Up_songs

[36] Vgl. MAIDA, Marcus: TRANSFORMATION UND VERMITTLUNG. Über den gegenwärtigen Wandel ästhetischer Wertungen, Rezeptionen und Formen als Grundlage für eine Theorie der Transformierten Literatur. Kapitel 11: Der ästhetische Wahrnehmungs- und Wertungswandel: Zum gegenwärtigen Wandel ästhetischer Rezeption und Perzeption. Dissertation Düsseldorf 2008.

[38] MAIDA, Marcus: TRANSFORMATION UND VERMITTLUNG. Über den gegenwärtigen Wandel ästhetischer Wertungen, Rezeptionen und Formen als Grundlage für eine Theorie der Transformierten Literatur. Dissertation Düsseldorf 2008.

[39] Ebda., S. 440-442.

[40] „Drei neuere Phänomene aus dem Bereich der Popmusik seien hierzu angeführt: die US-amerikanische Indieband Slint spielte ihr Album Spiderland von 1991 bei Livekonzerten Song für Song im Jahre 2007, die US-amerikanische Band Sonic Youth – wie Slint mittlerweile eine Klassikerband des Genres ‚Indie-Rock’ – tat 2007 exakt dasselbe mit ihrem Album Daydream Nation, das zuerst 1988 erschien. Diese Aufführungspraxis nähert sich dem Gestus der bürgerlich-klassischen E-Kultur, der klassischen Musik an. Der Ansatzpunkt ist hierbei, dass das Popalbum als ein ästhetisches, kompaktes und fest arrangiertes und dramaturgisiertes ‚Werk’ präsentiert wird, das als zusammenhängendes Konzeptwerk konzentriert rezipierbar ist und nicht – wie beim Hören einzelner Stücke – im Alltag verteilt und zerhackt wird und im Sinne der ästhetischen Rezeptionskategorie, die in Kapitel 11 dieser Arbeit („11.A. Die De-Konzentration als ästhetische Rezeptionsform“) eingeführt wurde, de-konzentriert rezipiert wird. Das Berliner Ensemble Zeitkratzer schließlich transkribierte im Jahr 2007 Lou Reeds Album Metal Machine Music, das 1975 fast ausschließlich in einem popkulturellem Rahmen und darin als Affront gegen ebendiesen rezipiert wurde, für ein klassisches Ensemble. Auch in diesem Fall ist Popmusik bzw. eine experimentelle Abstraktion von ihr mit dem Gestus und der Aufführungspraxis der E-Kultur eine Verbindung eingegangen, die historische Entwicklungen und Transformationsmöglichkeiten sicht- und hörbar macht.“ MAIDA, ebda, S.446-447.

[41] Vgl. hierzu MAIDA, Marcus: Alles muss raus!, In: Boggasch / Sittig (Hg.): „Elend. Zur Frage der Relevanz von Pop in Kunst, Leben und öffentlichen Badeanstalten“, Nürnberg 2006

[42] Das Hipstertum in der Popkultur hat indes ab den Nullerjahren extrem an Strahlkraft und innovativer Integrität verloren.

[43] Bezeichnend für den Diskurs über Popkultur sind auch seit jeher die soziopolitischen Projektionen, die auf diese getätigt wurden. Auch im Falle von Danger Mouse’ Grey Album wurde dies getan, bezeichnend für die Popkultur indes auch, dass diesen dies eher weniger interessierte, da er eher an einem primär ästhetischem statement interessiert war. Die De:Bug schrieb über die vielen neuen Fans von Danger Mouse, die bislang mit Hip Hop – immer noch der größere Kontext, aus dem dieser agiert – nicht so viel anfingen konnten: „Diese projizierten auf das Album ein Statement gegen die kreativitätsbehindernde Regulierungsmacht der Musikindustrie und riefen unter anderem zum “Grey Tuesday” auf, einem Dienstag, an dem das Grey Album auf 170 Websites illegalerweise heruntergeladen werden konnte. Danger Mouse selber sah die ganze Sache eher gelassen, für ihn war das Grey Album eine künstlerische Arbeit und kein Pamphlet gegen die Plattenindustrie. Einer Einladung, auf der Web 2.0. Konferenz von O’Reilly im November 2004 über Downloads und die Zukunft von Musik zu sprechen, folgt er natürlich trotzdem, wenn auch mit wenig Elan. Seine Meinung zu der durch das Internet ermöglichten Veränderung des Musikkonsums ist nicht direkt altmodisch, aber kritisch: “Mich kümmert das Ganze eher wenig. Ich denke, wenn man ein Album online hat, hören die Leute nur einzelne Tracks und nicht das Album als Ganzes. Bei einer Schallplatte ist das anders: Man hört das ganze Album und manchmal werden die Songs, die man anfangs nicht mochte, am Ende deine Lieblingssongs. Die Leute haben mittlerweile eine sehr geringe Aufmerksamkeitsspanne, sie hören nur ein, zwei Songs, bleiben dann dabei und dabei entgeht ihnen die Vision des Künstlers für das gesamte Album. Ich finde es schade, dass vor allem junge Leute nicht mehr dieselbe Erfahrung mit Schallplatten machen wie wir.“ http://de-bug.de/mag/3933.html . Für Danger Mouse (aka Brian Burton) lohnte sich sein ästhetisches Risiko und die Wahl für dessen Distributionskanal, das Internet nämlich, im Folgenden enorm: unter dem Alias Gnarls Barkley schaffte er es 2006, mit dem Song Crazy die Spitze der UK-Charts zu erreichen, obwohl der Song nur im Internet heruntergeladen werden konnte. Crazy hielt sich dort – obwohl nach den Regularien der UK-Charts in Woche zwei bislang ein ‚physisches’ Release folgen musste und dies nicht erfolgte – neun Wochen in der Spitzenposition und in vielen anderen Ländercharts in den Top-3.

Gnarls Barkley entschied daraufhin, den Song vom Markt zu nehmen, damit die Hörer ihm nicht überdrüssig würden; zudem wolle man sich auf die zweite Single Smiley Faces konzentrieren. Im April 2008 erreichte der Song die Marke von zwei Millionen Downloads.“ http://de.wikipedia.org/wiki/St._Elsewhere

[44] Am Grey Album, heißt es, verdiente niemand wirklich Geld außer den EMI-Anwälten. Das stimmt höchstens, wenn man sich beim Lesen ausschließlich auf Kontoauszüge beschränkt, und auch dann ist es viel zu kurz gegriffen und wenig nachhaltig gedacht. Sowohl Jay-Z als auch die Beatles profitierten letztlich im Sinne der Anhäufung von kulturellem Kapital durch die Tatsache, dass sich ihr jeweiliges Material mit dem anderen verband. Dazu kam die ‚Ehrung’, von einem großartigen Produzenten bearbeitet zu werden. Mit den archetypischen Klischees ‚weiße’ und ‚schwarze’ Popmusik spielend, gelang Danger Mouse eine der bislang überzeugendsten Fusionen dieser Quasi-‚Genres’, das diese konstruierten und rassistischen ‚Genres’ in gleicher Weise, nämlich durch indifferente Re-Kombination, auflöste.

[45] JOHNSON-EILOLA, Johndan & SELBER, Stuart A.: “Plagiarism, originality, assemblage”, Computers and Composition, Vol. 24, No. 4. (2007), S. 375-403

[46] „From our perspective, composition still focuses too heavily on the evaluation of performance – in particular, performance tied to the display of one extremely limited and outdated version of originality. We want to change the goal of writing from performance to action or effect in context.” Ebda, S. 380.

[47] Ebda S.400.

[48] MAIDA, Transformation und Vermittlung, ebda., S.441,

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