Reduce to the max to get the most
Hochwürden belieben Arschzutreten. The Reverend Peytons Big Damn Band ist die definitive Erneuerung des Country Blues. Wildenergetisch, hochoriginell, superauthentisch und mit rauh-roh’n herzlichem Charme gesegnet, verbreiten sie ungestüm und ungefiltert selbst im derbsten Blues beste Laune. Live sind sie absolut unschlagbar, ständig kommen neue YouTube-Videos als Belege in Umlauf. Trios sind eh Präsident, aber was der soeben 29 gewordene überzeugte Vollbartträger Josh Peyton als einer der derzeit aufregendsten Blues-Picker und Slide-Gitarristen mit seiner Frau Breezy am Waschbrett und seinem entfernten Cousin Aaron Persinger an Drums und Putzeimer – er ersetzte Ende 2009 Peytons Bruder Jayme – auf die Bretter stellt, lässt die Bühne besonders beben und entfesselt jede Menge euphorischer Energien im Publikum. Der kompromisslos treibende Klang und die glühende Spielfreude der Drei sind groß, voll und beseelen auch die stärksten Traditions-Ungläubigen. Die Big Damn Band schließt die schwere, intensive, erdig-funkensprühende Live-Energie des Delta-Blues mit dem Wums und Zorn des Punk kurz, schnappt sich die Gerätschaften und fährt ohne viel Federlesen los. In den extrem dichten und direkten Sound passt nichts Überflüssiges mehr hinein. In einem Video auf YouTube verkauft die Band ihren Kram flohmarktmäßig auf der Strasse vor ihrem Haus, bevor sie auf die erste Europa-Tour geht. Die Einstellung ist klar: vereinfache dein Leben, reduziere die Dinge darin aufs Maximum, um das Meiste zu erhalten.
Peyton wuchs in Brown County, Indiana auf – einem sehr ländlichen Gebiet im Midwesten mit gerade einmal knapp 15.000 Einwohnern. Vom Vater früh mit Hendrix, Young und Dylan gefüttert, erkundete er desweiteren frühen Blues: Skip James, Lonnie Johnson, Furry Lewis, Bukka White, Robert Johnson, Willie Brown, Yank Rachell, Scrapper Blackwell, Son House, Big Bill Broonzy, Fred McDowell – das sind nach wie vor rollende Urgesteine, aus denen sich ein solides Fundament bauen lässt. Vor allem aber Finger-Picking und Stilbreite des charismatischen Charley Patton hatten es ihm angetan: neben deepem Blues spielte dieser Hillbilly, Folkballaden und Country-Dance-Musik mit stets gleich bleibender Kante. In seinen eigenen Stücken macht Reverend Peyton klare, direkte Ansagen, deren Aussage oft schon im Titel erkennbar ist: „Can’t Pay the Bill“, „Walmart Killed the Country Store“, „Everybody’s Getting Paid but Me“, „What’s Mine Is Yours“ oder „The Creeks are all Bad“, in dem sich der passionierte Angler über die giftverseuchten Gewässer seiner Heimat erregt. Die Musik Peytons ist bodenständig ohne jede Spur von Behäbigkeit und erst recht alles andere als hinterwäldlerisch. Country Blues ist für ihn als bekennendes Landei einfach ein besseres Vehikel zum Geschichtenerzählen. Da geht es nicht um Turnarounds oder Gitarrengewichse, das sich bei diversen heutigen Blues-Protagonisten leider so fett und breit gemacht hat, sondern um Gefühle und Geschichten.
Die Big Damn Band pustet bei allem Respekt für die Klassiker die Delta & Rural-Blues-Patina mit kräftigen Adrenalinstößen fort, ähnlich wie es die Pogues in den 80ern mit Irish-Folk gemacht hatten. Schlüssig, dass die Celtic-Folk-Punker von Floggin Molly sie 2007 und 2008 als Vorgruppe engagierten, wodurch sie erst so richtig zum Tipp wurde und schließlich von deren L.A.-Label „SideOneDummy“ (u.a. Gogol Bordello und Anti-Flag) gesignt wurden. Mittlerweile ist die bis zu 250 Gigs im Jahr tourende Big Damn Band selbst Headliner. Das neue Album „The Wages“ erscheint am 25.5.2010, und die Tour durch Europa bringt immerhin vier Austria-Gigs mit sich. Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn Peyton, der übrigens auch ein Kentucky Colonel ist, bald in einem Film auftauchen würde, ein Western oder ein Streifen über die Depressionszeit wäre denkbar. Wie auch immer: ihr habt ihn dann schon mal live gesehen.
Marcus Maida (FALTER)