Scienz of Live / Quasimoto

SCIENZ OF LIFE

Coming Forth By Day (DoLP / CD)

QUASIMOTO

The Unseen (DoLP / CD)

Die inflationär gebrauchte Bezeichnung „Kollektiv“ im Popmusikbereich taugt herzlich wenig zur Beschreibung der Prozesse, die innerhalb eines Projektes und seiner Aussenwirkung in Szene und Kontext tatsächlich vor sich gehen. ID 4 Windz, Inspector Wallabe und Lil Scienz, die das Trio „Scienz Of Life“ aus der Bronx / New Jersey und Queens bilden, definieren sich jedoch selbst so und verorten sich tief in der „unabhängigen“ New Yorker HipHop Szene, mit dessen Protagonisten sie zuhauf auftreten – allein die Credits, die auch anderen HipHop-Künstlern und vor allem Jazzern Respekt absprechen, füllen eine ganze Seite der Platte. Der Stil des Trios ist aussergewöhnlich ansprechend auf den ersten Hör: minimales Gerüst, konzentriert, aber nicht roh, sondern sehr geschmeidig und tief. Klar Electrobeeinflusst mit genügend Zwischenräumen für organisch eingewebte Samplechords aus der Jazzvergangenheit, darüber bisweilen unglaublich brilliantes MCing, wie in „U.S.A.“ zb., und heraus kam tatsächlich eines der besten, leider unterschätztesten HipHop-Alben des Jahres. Nach diversen 12″-Klassikern auf „Fondle’Em“ ein ziemlich herrliches Schmuckstück, das live mit einer 7-köpfigen Band umgesetzt wird. Der Grundvibe ist spirituell und sehr aufgeklärt zugleich, und zwischen diesen Polen sind die offenen Geheimnisse hörbar. Ganz so nett ist Quasimoto nicht. Zwar ist auch er von Leuten wie De La Soul, Prince Paul oder auch den Funky Homosapiens nicht verschont geblieben, stellt aber eine ungleich unspirituellere und vielmehr badass-anarchistischere Variante dar. Seine nasale Zunge, die schon auf Tracks von Peanut Butter Wolf oder Lootpack, seinen Westcoast-Mentoren, zu hören war, kreiirt einen typischen „bad character“, aber keinen platten real-life-Comictypus ala Ice Cube oder Eminem, sondern einen mit natürlich jeder Menge cartoonartiger Ironie, der mehr in die Richtung des durchgeknallten MC Paul Berman geht, einem Comic-Ziehkind von Prince Paul, der ein jüdischer weisser MC mit blondem Afro ist, ergo ein Ghetto-Feindbild (Jetzt bitte den Pre-Set-Aufschrei: Prince Paul ist ne antisemitische Sau!). Quasimoto dagegen, dargestellt als gemeines rosa Ghetto-Schweinchen, schnüffelt Leim und sucht das richtige Tape aus, wenn die Cops den Wagen verfolgen, guckt den Chicks unter die Röcke und sticht auch schon mal – böse böse – dem weissen Mittelstands-Honky, der sich in sein Viertel verirrt hat, eine Mistgabel in den Rücken. Und abends sitzt er vor der Glotze und guckt anderen rappenden Arschgeigen zu. Zwischen Jazz Cats, Basic Instincts und einer Low Class Theory, so drei exemplarische Titel, entsteht so ein Undergroundcomic, der einer Underdog-Version von Fritz The Cat ziemlich nahekommt. Ob Quasimoto dabei nun black underprivileged poor oder poor white trash ist, ist eigentlich ziemlich egal, die Stilisierung als gepitcht rappende zappaeske Comicfigur und dann noch als rosa Schweinchen legt zwar letzteres nahe, aber – wen kümmert’s, Mittelständler? – dein Fett kriegst Du so oder so, wenn Du dich nicht wirklich um die Verhältnisse kümmerst, die nur Zentimeter von dir entfernt sind.

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