AMBIENT REVISITED
Brian Eno
Discreet Music
Brian Eno: Instruments and Treatments
Recorded at Enos Studio 9.5.1975
Three Variations on the Canon in D Major by Johann Pachelbel performed by the Cockpit Ensemble.
Conducted by Gavin Bryars (who also helped arrange the pieces)
Recorded at Trident Studios 12.9.1975
Engineered by Peter Kelsey
Produced by Brian Eno
4 Stücke
Spieldauer: 55:04
***1/2
Brian Eno
Ambient # 1. Music for Airports
Brian Eno: Instruments and Treatments, Concept, Design and Production
Robert Wyatt: Co-Composition and Piano on 1/1
Rhett Davies: Co-Composition on 1/1
Christa Fast, Christine Gomez and Inge Zeininger: Voices
Engineered by David Hutchins, Conny Plank, Rhett Davies and Brian Eno
Originally Recorded in 1978
4 Stücke
Spieldauer: 48:01
*****
Harold Budd / Brian Eno
Ambient # 2
The Plateaux of Mirror
Harold Budd: Acoustic and Electric Piano
Brian Eno: Other Instruments and Treatments
All compositions by Harold Budd and Brian Eno except “Steal Away” by Harold Budd and Eugene Bowen
Originally Recorded in 1980 at Grant Avenue Studio, Ontario
10 Stücke
Spieldauer: 39:56
*****
Brian Eno
Ambient # 4 / On Land
Musicians: „Lizard Point“: Michael Beinhorn, Synthesizer / Axel Gros, Guitar, Bill Laswell / Bass „Shadow“: John Hassell, Trumpet, „Dunwich Beach“: Michael Brook, Guitar, Dan Lanois, Live Equalization. The Frogs on „Leek Hills“ were recorded in Choloma, Honduras by Felipe Orrego
Engeneers and Studios: danny Lanois: Grant Avenue Studio, Ontario, Canada. Jon Potoker: Sigma Sound, New York. Julie Last/Cheryl Smith: Celestial Sound, New York. Neal Teeman: RPM Studio, New York. Andy Lydon/Bari Sage: Basing Street, London, England. Martin Bisi: OAO Studio, Brooklyn.
Mastering: Greg Calbi at Sterling Sound, New York
Artwork, Design and Text: Brian Eno
Produced by Brian Eno
Recorded between September 1978 and January 1982
8 Stücke
Spieldauer: 44:31
****
Original Masters Re-Design by Andrew Day of TheRedRoom/EMI. Mastered DSD by Simon Heyworth at Super Audio Mastering. Ampex ATR 2Ch Tape playback with Aria electronics by David Hill.
Alle Alben erschienen bei Virgin/EMI.
Ein Trip in die Steinzeit: ich kann mich an Diskussionen über Ambient erinnern, da ging es um Mutterbauchambient vs. Störambient. Ersterer war natürlich abzulehnen, da er mit seiner meist auf Harmonien gegründeten Tonalität einlullte und höchstens dazu taugte, unreifen Rave Kids frühmorgens von ihren schlechten Pillentrips herunterzukommen. Störambient war dagegen, natürlich, hochpolitisch, super atonal und klasse dekonstruiert – und nervte, bis die Kühe nach Hause kamen. Immer musste irgendwo was knacken, zisseln und zischen, ständig dachte man, die Gasleitung sei defekt oder man hätte Mäuse unter der Spüle. Irgendwann gab man’s auf, gab sich entnervt dem kleinen Klangkrieg hin und bemerkte die wirklichen Mäuse unter der Spüle nicht mehr. Industrial hatte man gefressen, das röhrte und mahlte wie eine ganz andere Nachtschicht, in der die Gesellschaft aus den Angeln gehoben werden sollte. Tolle Sache, aber dieser Störambient, der doch den Alltag so bewusst machen sollte, überreizte indes die Nerven bisweilen so sehr, dass man irgendwann nur mehr flüchten wollte. Was war, was ist Ambient? Mit der Re-Edition von Brian Enos Ambient-Reihe lässt sich dieser Frage auf die beste aller Arten nachgehen, denn schließlich entwickelte der Ex-Roxy-Music-Musiker und idiosynkratische Produzent Eno den Begriff und das Konzept „Ambient“ überhaupt erst. Die 1978er Produktion „Music for Airports“, teilweise co-komponiert mit Robert Wyatt und co-produziert von Conny Plank, und tatsächlich dazu konzipiert, beruhigend auf Passagiere mit Flugangst einzuwirken und auch so eingesetzt, definiert Ambient als das genaue Gegenteil von „Muzak“, also absichtlich leichtgewichtiger Musik, die sich populistischer Elemente bedient, um ein Derivat einer Stimmung zu erzeugen. Esoterische New Age-Muzak intendiert oft, die Sinne regelrecht einzulullen, wenn nicht zu betäuben, wogegen Fahrstuhlmusik oder Kaufhausmusik auf diffuse und oberflächliche Weise gute Laune simulieren und stimulieren soll. Sie will ganz bewusst die Ökonomie- oder Konsum-Umgebung aufhellen und verzichtet daher explizit auf Momente des Zweifels und der Unsicherheit. Enos Begriff von Ambient hingegen meint eine Musik, die sich ganz konkret auf bestimmte Umgebungen bezieht und darin Atmosphären schaffen soll, in denen die Hörer Raum für sich selbst bekommen können. Eben nicht als abgekapselte Individuen – dies meint der auf Ambient häufig angewendete Eskapismusvorwurf -, sondern als bewusste und sehr offene Hörer einer Wahrnehmung in all ihrer Komplexität. Statt einer künstlichen Stimulation zu schaffen, geht es in diesem Ambientbegriff darum, Strukturen herzustellen, in denen die Hörer im wahrsten Sinne des Wortes wieder zu sich selbst finden können. „Ambient Music is intended to induce calm and a space to think”, so eine zentrale Intention Enos. Viele Klangkunst will Räume öffnen, doch meist sind es nur die der jeweiligen Künstler. So nervt sie oft nur ab durch ein Zuviel an Zurückhaltung oder an Aufdringlichkeit, Eno dagegen wagt zumindest den Versuch einer intersubjektiven Matrix, die offen und dennoch konkret genug ist, so dass sie einen veritablen und unautistischen individuellen Raum im Kollektiv bilden kann. Bei „Ambient 2/The Plateaux of Mirror“ von 1980 prägt das Piano des Mitkomponisten Harold Budd die Stücke erheblich. Diese Platte ist wahrscheinlich diejenige, auf die das modische Synonym „Wellnessmusik“ am ehesten angewendet werden kann, und doch geht diese Bezeichnung extrem ins Leere, denn gerade diese Musik vermag das meiste an Spiegelungspotenzial zu bieten. „Ambient 4/On Land“, aufgenommen in der Zeit von 1978 bis 1982, ist die düsterste Platte, sie versucht, das Gebilde „Landschaft“ auf organische Weise in Klang zu transformieren, mit dabei u.a. Bill Laswell und John Hassel. Das Album „Discreet Music“ von 1975, zuerst auf Enos eigenem Obscure-Label erschienen (auf dem übrigens auch die ersten Klänge von Michael Nyman, Harold Budd oder dem Pinguin Orchestra erschienen) ist eine bemerkenswerte Vorstufe dieser Reihe. Ausgehend von seinen Experimenten mit einem Echosystem und drei Variationen eines Kanons von Pachelbel lotet Eno hier die Frage nach der möglichen Dominanz von Musik aus. Wie Satie verfolgt er ein Konzept einer Musik, der man zuhören kann, aber nicht unbedingt muss. Eine Musik, die die Stimmung im Raum nicht dominiert, aber prägt – und wenn sie denn ausgelaufen ist, merkt man, dass da etwas war. Mit seiner Ambient-Reihe – Ambient 3 spielte Larajii ein, wobei Eno nur produzierte – hat Eno Parameter der Wahrnehmung von Klang definiert, nicht zuletzt mit der ihm ganz eigenen im Experimentellen begründeten Oszillation zwischen Funktionalität und Sentimentalität im besten Sinne, wie er es einmal sagte. Die hier erwähnten vier Platten sind, insklusive Texten von Eno, via Virgin/EMI endlich als CDs reeditiert worden. Reeditiert meint hier nicht ein digital-remastering der analogen Bänder – dies steht entgegen Enos Haltung, eine einmal existierende Arbeit wieder zu verändern –, sondern ein Re-Design, eine Übertragung der Musik mit heute gültiger und zeitgemässer Technik. Was war, was ist Ambient?
(Jazzthetik)