Hans Platzgumer

VOM GROOVEN & ARSCHTRETEN

Als HP mit seiner Freundin Sandra endlich im Kölner ‚Hallmackenreuther‘ aufläuft, erzähle ich ihm erst einmal die Geschichte von Karins Tod. Das hat mehrere Gründe: einmal hat sie sich auch auf diesen Termin gefreut & wäre normalerweise mit hier gewesen, zum anderen hat HP letztens die Alan Metzger-Platte produziert, & die Metzgers waren schon so etwas wie Karins all time favorite band. Never to be forgotten.

Das Metzgermaterial fand HP sofort gut, hat es sogleich verstanden & minimale Dinge wie Synths &1x gar Strings in den dekonstruktivistischen Bandsound hineingelegt. Beim Endmix sollen dann einige Stücke noch durch die psychedelische Effektkiste laufen. Das neue Tocoalbum produziert HP dito, seit Monaten schon, & da macht er viel, ganz viel. Es wird die große Produktion, & laut HP etwas risikoreicher werden. So verdient er sich also zurzeit die Brötchen, was hat er noch so gemacht? Lange in den USA gewesen, klassische Rockband HP Zinker mit diversen VÖ’s, u.a. jeweils die 001 der Label Matador & Thrill Jockey. Nach & nach jedoch auf den Hund gekommen dort, too much pressure, too much shit: „Unerträglicher Karrierezwang, jeder will aufsteigen, & jeder will Star & reich werden – also das TOTALE kapitalistische Denken, was da hinter Kunst ist. Geht für mich überhaupt nicht zusammen mit künstlerischer Freiheit. Das ganze Denken ist nur auf Hit & Geldmachen fixiert, & ganz schlimm war’s in LA, wo wir das letzte Jahr gewohnt haben. Da ist es dann bei mir soweit gekommen, dass ich GAR NICHTS mehr kreativ gegensteuern konnte, mir ist kein einziger Text mehr eingefallen.“ HP’s Rockmüdigkeit nahm genau dort ihren Anfang, er studierte kurz Filmmusik in LA & ist über verschiedene Experimente eigentlich auch so auf die elektronische Musik gekommen, in der er sich derzeit am meisten bewegt. Denn seitdem er seit 95 wieder in Europa ist, ist er „obwohl hier auch ganz viel Scheiße läuft“, wieder total enthemmt & kreativ – & das gleich in 7 Projekten. Wir zählten mehrmals nach & hiermit auf: 1. HP’s Producertätigkeit 2. Das Live-Disco-Fun-Projekt ‚Disco Bros‘ mit Rocko Schamoni 3. Das Experimentalprojekt ‚Euphrat & Tigris‘ mit Schorsch Kamerun, Rocko & Albert Oehlen 4. Immer noch ‚Platzlinger‘ mit dem Berliner Schlagzeuger Peter Hollinger 5. Der Separator – HP’s ureigenes Technoprojekt, supersolo produziert, auf Disko B (Nach dem Interview von mir komplett durchgehört & für gut befunden – HP definiert Techno logisch nicht neu, aber macht schweinegeilen solchen) 6. Das aktuelle ‚Aura Anthropica‘-Projekt mit Jimi Orgl/Bernd Siebels von Sand 8/Egoexpress & Mojo DJ Michael Sauer & 7. ach ja Teilnahme bei einem Kollektivprojekt namens ‚Goldene Zitronen‘. Funktioniert die Kollektivität? Laut HP, der es bei aller Soloparzellierung genauso braucht, sich einzufügen: JA. Natürlich hänge das sehr von den Persönlichkeiten ab, es gibt Leute im Kollektiv, die haben u.U. „schwächere“ & werden schon x überstimmt. Leute mit mehr Durchsetzungskraft seien im Kollektiv schon irgendwie stärker vertreten als andere. Aber generell laufe es schon sehr offen & vor allem fair ab – im Gegensatz zu USA-Bandverhältnissen, wo es totale Hierarchien nach Bekanntheitsgrad, Mitgliedsdauer usw gäbe. Teilweise sei die Zitronenarbeit chaotisch & nervig, aber damit muss man 1fach leben & umgehen können. „Letztlich funktioniert es, es ist wie ein Beweis, daß es auch andersherum gehen kann.“ Ich werfe ein, dass die zitronengewählte Kollektivform schließlich auch ’nur‘ eine vorläufige Formulierung, eine Art Statement überhaupt für eine bestimmte Arbeitsweise sei, & diese logisch erst aktiv weiterdefiniert & -entwickelt werden. HP: „Ich glaube, zu dem Zeitpunkt, wo ich eingestiegen bin, war es extrem wichtig für die Entwicklung der Zitronen, weil ich auch eher eine starke Persönlichkeit hab & den 2 ‚Haupt-Typen‘ ziemlich viel entgegengesetzt hab, & den 2 etwas unterrepräsentierten Mitgliedern wahrscheinlich viel Kraft & Mut gegeben hab, so als Bindeglied bin ich da irgendwie eingestiegen.“ Man merke der ‚Economy class‘ schon an, dass da mehr von allen kommt als bei früheren Platten, & auf der Tour habe sich das Konzept Kollektiv erst überhaupt entfalten können: Nicht mehr die alten ‚Zitronenstars‘ hätten im Rampenlicht gestanden, sondern andere Typen – bzw.: das es das Spotlight gar nicht mehr gab. „Gerade durch die Tour ist es eigentlich jetzt echt geschafft, dass es funktioniert als gleichberechtigtes Kollektiv.“ Ob & inwiefern man da noch weitergehen will? Der Instrumententausch, so HP, wird wahrscheinlich noch intensiver werden, weil das auch ein Ausdruck ist für den Austausch, & es gibt Pläne, daß bei der nächsten Platte niemand sein Hauptinstrument spielt, oder daß noch mehr Gastmusiker aus befreundeten Szenen & Zirkeln eingebunden werden. Zum aktuellen ‚Aura Anthropica‘ Projekt gibt es 2 öfter zu hörende Kritikpunkte: 1. Zu alt in der Soundhaftigkeit (‚TripHop‘) & 2. Zu platt in der Texthaftigkeit (Polit-Texte in später Brecht-Manier). HP dazu: „Für mich ist die Platte schon ein Stück Vergangenheit, die Demos sind von Anfang 95, da kam sowas wie Trip Hop gerade erst auf & ich kannte den Begriff noch gar nicht. Durch den USA-Europa-Kulturschock ist die Grundstimmung auch so bedrückt & schwermütig, ich war ziemlich depressiv damals.“ Die ganze Platte hat also eine Geschichte & einen Werdegang, wird aber 97 logisch erstmal als zu spät gekommener TripHop eingeordnet werden, jetzt, wo dies jener schmoove Gemütlichkeitssound aus indifferentem Dudeln geworden ist. Diese reine Blunt-Musik hat sich mittlerweile ja ziemlich überlebt, weil sie nirgendwohin & stattdessen nix anderes als Gemütlichkeit schaffen will. HP kann mit dem Begriff heute auch nix mehr anfangen, & als wir über geschmackvolle Konsenssounds reden, fällt logisch auch der Name eines bekannten österreichischen Produzentenduos auf den Kaffeehausboden. „Also, Kruder & Dorfmeister, mit denen ich übrigens auch befreundet bin, sind mir schon zu soft & verspielt. Das ist mir zu unklar eigentlich. Sie sind schon gut & auch immer stilsicher, aber zu weich & lahm im Grund. Pulsinger hat da z.B. für meinen Geschmack mehr Hand & Fuß.“ Obwohl sich HP & PP noch nicht so lange kennen, besteht dort eine Verständigung, die sich auch auf der kommenden ‚Aura‘- Tour zeigen wird, wenn ‚Sluts’n Strings’n 909‘ Teil der Livepräsentation sein werden. Bei den Texten ging es HP darum, eher banale, simple & doch explizite Aussagen zu machen, die dann eigentlich in den Konsens der Musik gar nicht hereinpassen. & die dann auch nicht etwa aggressiv darüberzuschreien, sondern mellow zu singen & die mitgroovenden Zuhörer/Mittänzer, die so einen Text gar nicht hören wollen, zu überlisten. „Als ‚Dreckschwein‘ herauskam, sagten viele, was soll das, Haider ist eh am absteigen. & jetzt hat er die Wahl extrem gewonnen & ein Drittel der Stimmen & ist drauf & dran, in Österreich Kanzler zu werden. Also er ist größer & gefährlicher denn je. & gerade DAS Stück ist in Ö ein ziemlicher Erfolg & läuft auch in so großen Discos, & da ein Drittel der Bevölkerung Haider gewählt hat, haben viele dieser Leute in den Discos auch zu ‚Dreckschwein‘ getanzt. & vielleicht sind die von hinten gepackt worden.“ Viele Freunde von früher, so HP, haben’s sich in Österreich gemütlich gemacht & leben mit der ganzen Scheiße & nehmen das alles so hin. Sind in komplette Lethargie verfallen. „& viele Leute aus der linken Szene finden die Texte zu platt, aber: es kann nicht schaden, das Wichtige doppelt zu sagen – besser zu oft, als zu wenig. Die ‚Aura‘ funktioniert so, dass sie Leute erreicht, die nicht unbedingt links denken, oder gar das Denken ein bisschen vergessen haben, die zu gemütlich geworden sind, sich zu angenehm fühlen. Die beste Wirkung wär, dass man Leuten, die lau geworden sind, wieder einen Arschtritt gibt.“ Hehre Absicht, hehres Ziel, & harte Arbeit, die Leute ausgerechnet mit TripHop zu politisieren. 100 Anmerkungen zu 1000 Widersprüchen zu politischer Arbeit in POPkulturindustrien wären hier noch zu verzeichnen, doch reicht der Platz hier nicht. Tatsache ist, dass Hans Platzgumer denkt UND macht. & das 7 x. Zumindest das reicht vorerst. Bis zum nächsten Output.

(Seven)

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