Faust (remixed)

FREISPIEL

V.A. – Remixe des Faust-Albums „Ravvivando“ von 1999

13 Stücke

Spieldauer: 73:32

Klangbad / EFA

***1/2

Wir erinnern uns an „Sacrilege“, die „Can“-Remixe: für die holte man 1997 durchweg verdiente und respektable Namen heran, welche die alten Gassenhauer der Kraut-Legende neu interpretieren sollten. „Faust“, das Ur-Kraut, ist da im Material etwas bescheidener und konzentrierter, allein schon, weil man bei den Zauberern aus Dürmentingen von Gassenhauern noch schlechter reden kann als bei den aufgeregten Stoikern aus Weilerswist. Daher bearbeiten die 13 Remixer ausschliesslich ausgesuchte Titel des 99er Albums „Ravvivando“ und erstellen dabei ein anregendes Panorama, das nicht immer, aber zumeist, von tiefer Korrespondenz und Verständnis zum Ausgangsmaterial geprägt ist. Natürlich wird auch hier sehr schnell das geläufige Phänomen des „Corporate-Identity-Remixes“ deutlich, wenn das jeweilige Stück vor allem dazu dient, die Partikel und Details der Klangmaschine des Remixers zur Schau zu stellen, die einen hohen Wiedererkennungsgrad haben und daher wenig Potenzial für Überraschungen bieten. Hierbei stellt sich natürlich das Phänomen „Remix“ generell selbst wieder in Frage, wenn es denn mal zu durchschaubar wird: ist das jetzt Namedropping mit Aufmerksamkeitsfaktor, Respektbezeugung oder ästhetische Korrespondenz? Im besten Fall kommt bekanntlich alles zusammen. Im Schweinsgalopp durch die Titel: „T-électronique“, der wirkliche Gassenhauer des Albums, wird folgerichtig gleich zu Beginn vom Kölner Produzenten und Labelbetreiber Mathias Schaffhäuser mit dessen Neigung zu tautologischer Pop-Funktionalität auf Tanzflur getrimmt: ein normativer elektronischer Puls, wie immer mit cleverem Gespür für Minimalismus und Hypnose. Die „Sofa Surfers“-Version hingegen verschmilzt die Idiome des Tracks zusammen mit „Apocalypse“ zu einem tiefergelegtem, dafür klar und deutlichem Dub-Erlebnis. Die andere Version kommt von keinen geringeren als den „Residents“, die einen minimalen Treppenwitz im pompös-marschierenden „Cleopatra“-Soundtrack-Stil daraus machen, was ok amüsiert, aber nicht wirklich die treibend-krautige Klasse des Faust’n Roll-Originals interpretiert. „Wir brauchen dich # 6“ in der Bearbeitung von „Gel“ – das sind Ingo Vauk und Soft-Cell-Urgestein Dave Ball – hingegen rockt ziemlich, ist sehr straight und steigert sich mit New-Wave-haftem Basslauf und „Neu!“-artiger Rythmik zu treibender Perkussion, die im kurzen Chaos endet. Sehr gut und der faustschen Tradition auf offene Weise verpflichtet. „D.I.G.“ dann kommt in zwei extrem unterschiedlichen Versionen: „Kreidler“ pflegen ihren bekannt abgekühlten und bisweilen gut abgedunkelten Elektro-Minimalismus, der dem verschmitzt-pulsierendem dunklem Echo-Feuer des schwäbischen Originals die klaustrophobische Kühle und absichtlich humorlose Sachlichkeit der Düsseldorfer Kliniker entgegenhält. Die andere Version, und einer der besten der Platte, kommt vom Briten „Surgeon“, der seinen technoiden Background ja schon immer mit Industrial und Musique Concrete mixte. Sein Remix ist einer der interessantesten der Platte, überführt er das Ausgangsmaterial doch auf sehr spannende Weise in den Bereich der Klangcollage. Dann hätten wir zweimal „Du weisst schon“, einmal als elegischer weitläufiger Score von „Dead Voices On Air“, das andere mal als herausragenden Mix der Rosenheimer „Funkstörung“, wobei das Duo hier wirklich mit seinen süss-sinistren Kindermelodien und Krächz-, Ächz- und Klickerbeats extrem nach einer ureigenen „Warp“-Parodie klingt – als ob jemand einen Taschen-Casio-Tone zum ersten Mal ausprobiert. Was mit Kraut nicht alles möglich ist…“Carousel II“ gibt’s dann gleich dreimal: einen wunderbaren psychedelischen Trip der Römer Adriano Lanzi und Omar Sodano, die „Faust“ wirklich verstanden haben. Die beiden schreiben dort für ein Musikmagazin, sind keine Profimusiker und sind über mehrere Interviews mit „Faust“ zu dem Remix gekommen. Das Stück scheint wirklich im Rechner zerhackt worden zu sein, um mit erstaunlicher Atmospäre wiedergeboren zu werden. Der Track morpht sich eigenständig und logisch weiter, und wirkt dabei sehr improvisiert: das kommt „Faust“ sehr nahe, ist aber doch elektronisch und komplett zeitgemäss. Gleich danach die tief verhallte und dubbige Version von „Trillian“, die früher bei den „Ninos con Bombas“ war und mittlerweile mit Mann und Kind bei Barcelona wohnt, wo sie mit Danielle, dem Ex-Ninos-Sänger, aufnimmt und solo offensichtlich auch ihren Korg sehr liebhaben muss. Als weitere Urgesteine treten „Sunroof“ mit der dritten Version auf: „Mute“-Gründer Daniel Miller und Remix-Legende Gareth Jones drehen das Karussel schön spooky unter Hypnose in nahezu tranceähnliche Bereiche hinein. Zappis Beateskapade „four plus seven means eleven“ dann gibt es einmal in einer Version von „Dax und Pieper“ aus Berlin, die den Rythmus des Originals sehr verstärken und einen kantig-kompakten Rahmen daraus zimmerten, dann jedoch vor allem in einer fantastischen Postambientversion von Howie B., in der elektroakustisch-impressionistisch derart kongenial collagiert wird, als ob Terre Thaemlitz und Angelo Badalamenti sich zu einem konspirativen Treffen verabredet hätten. Ein tiefes Hineingehen ins Material, mit Energie, Kraft und Filigranität – alles Bereiche, die „Faust“ ebenfalls auszeichnen. Wie sagte Hans Joachim „Jochen“ Irmler im „Jazzthetik“-Interview: „Wir sind wie ein Maler, der mit Computern oder mit Farbe und Pinsel arbeiten kann – und der braucht das Rumschmieren einfach.“ Das stetige Interesse an Neuerungen und Neuinterpretationen hat die letzten beiden Urmitglieder der Legende dazu gebracht, ihre Klangbildern auch mit dem Computer malen zu lassen.

(Jazzthetik)

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