L‘ ETAT ET MOI
Laurent Garnier ist sauer. Komisch, wie der gut aussehende Siegertyp DJ & F-Com-Owner (mit Eric Morrand – sie teilen sich das Business wie Hawthin/Aquaviva: Repräsentator & Organisator), sonst entspannt & infotainend über sein neuestes Opus ’30‘ plaudernd („Open minded … strong relation to what I listened to … not only Techno … need to go further … up & down … moody people make moody music“ uswusf) sich plötzlich ereifern kann, wenn es um’s Eingemachte geht. Der Track ‚Flashback‘ des neuen Albums fängt so an: ‚Acid … Music … nothing to do with drugs …‘. Keine Macht-den-Drogen-Techno oder wie? Was war los, Laurent? „Wie in England glaubt bei uns die Regierung, Techno=Drogen, also wurde es Zeit, dass jemand ein kleines Statement macht: Wir können Sachen machen, wir können Platten verkaufen ohne Drogen zu nehmen, wir sind kein Haufen blöder XTC-Kids. Letzten Sommer sind verdammt viele Parties gebusted worden. Wir sind zur rechten Hand des Kulturministers gegangen & machten ein großes Treffen, über 40 Leute aus der Technoszene, jeder war da: die Presse, die Designer, die Veranstalter, die DJs. Wir versuchten mit dem Typ zu kommunizieren & hatten ein sehr sehr nettes Treffen, über 6 Stunden, wo ich erklärte, was ein DJ tut & wie viel Geld wir verdienen, shit like that. & die Veranstalter sagten: Wir wollen angemessene Strukturen, wir wollen uns organisieren, uns macht es nichts aus, exakt zu sagen, was wir tun, aber als Austausch: Gebt uns das Recht, Parties zu machen. Der Typ sagte, innerhalb eines Monats wird er einen legalen Antrag weiterreichen, er machte einen 100 Seiten Bericht über das Treffen, & dann rief er zerknirscht bei mir an & sagte, alle Minister hätten gesagt: Wir wollen noch nicht mal über diese Typen REDEN, wir wollen sie raus aus Frankreich haben, wir wollen keine Techno Parties. & ich sagte ihm: Wie bitte? Du hast unsere Zeit vergeudet für NICHTS? Ich war so abgepisst, also machte ich diesen Track. & den ganzen Sommer wurden Parties gecancelled. Jeder Veranstalter musste ein Formular unterschreiben: Wenn irgendjemand auf der Party mit Drogen erwischt wird, bekommt er dieselbe Strafe wie dieser Typ. Am Eingang der Party können sich die Leute weigern, sich durchsuchen zu lassen (?), du kannst ihnen den Eintritt nicht verwehren (??), du musst jeden reinlassen (???). & die Polizei kommt im Raverdress (Bestimmt höllisch lustig – die mit den Zipfelmützen? Spot the cop!) & fuckt die Leute ab, & es wird richtig heavy, richtig hardcore. Der Track ist nur ein kleines statement, es hätte härter ausfallen können, aber ich muss auch vorsichtig sein.“ Yo, Laurent, Business ain’t easy, auf jeden Fall! Wir fragen uns natürlich, was dem Partysanen mehr am Herzen liegt: die Schaffung von kulturellen „Frei“-räumen oder die Konsolidierung der eigenen Oeconomics – wahrscheinlich das eine innerhalb des anderen. Denn die wackeren Techno-Aktivisten glauben ja wohl nicht im Ernst, dass mit einer legalisierten & offiziell kontrollierten Partyzone das Paradies auf Erden seinen Anfang nimmt. Wer heute mit einem „You gotta fight for your right to paaadie“ aufläuft, kann zumindest mir nurmehr einen neverending Gähnkrampf entlocken, ich weiß ja nicht, wie euch das geht. Denn meistens läuft das ja eh so ab wie ‚Die Party ist zuende, & alle gehn nach Haus, dort schlafen sie sich aus‘. Was ist noch mit Techno, Laurent? „Es ist ein bisschen zu intellektuell geworden, ich vermisse ein wenig den Spaß. Techno war sehr doing your thing am Anfang, ohne zu denken, jetzt sind da zu viele Leute, die denken.“ Ja dann … „Wie groß es geworden ist, die Love Parade, im TV –
it sells. U2 lassen Techno-Remixe machen, it’s healthy, you can’t complain on that, that’s a great thing. Was ich allerdings manchmal im elektronischen Untergrund vermisse, sind Gefühle.“ Gestern haben wir Autechre interviewt –
„Oh! Big respect, I love them.“ – & sie sagten, wahrscheinlich gibt’s erstmal mehr Gefühl & Minimalismus. „How can you go further & deeper in minimalism? Es gibt Tracks von PCP, die nur eine Kickdrum & Effekte haben, sonst nichts. How low minimal can you go with that? I think in melodies, we can go much further. Minimalismus ist Funkyness, vielleicht. Wer das erreicht hat, ist Robert Hood … he’s the funkiest man in minimalism. Aber JEDER versucht zzt. minimal zu werden, das ’neue‘ Ding. Nur, nach 2 Stunden wird’s oft langweilig, hat oft keine Seele. I wouldn’t say yes to more minimalism, I would say yes to more production & … POWER!“ Wenn die (neo)liberale Produktion des neuen Garnier-Materials für diese Haltung Zeuge sein soll, leg zumindest ich die neue Platte nicht ganz bei Trost zu den Akten. Vorbei die Zeit, wo die rough-Versions von ‚Shot in the dark‘ ein Prickeln in Dir hinterließen (Laurent dazu: „The production is terrible!“). Da helfen auch Erste-Hilfe-Remixe von Gigolo Hell & Aux 88 nicht viel. Vielleicht noch mal woanders ansetzen, um woanders anzukommen. Hard work, I know. Bis dahin musst Du kämpfen im sozialen Raum, Laurent, wie wir alle! Der Staat & ich, das Gewerbe & ich.
(Seven)