Einige nachtragende Anmerkungen zum Zusammenhang von Pop & Politik
Von Marcus Maida
Hegel forderte eine Theorie, der die Wirklichkeit sich beugen muss.
Ein frommer Wunsch. Bitte jetzt kein „Baby“ am Schluss des Satzes, welches zeigt, wie locker wir doch in harten Zeiten mit butterweichen Themen umgehen können. Bitte keine intellektuelle Eitelkeit. Und vor allem: Bitte keine alternativ-akademische cultural studies Scheisse, die so tut, als wüsste sie mehr & wär politisch auch noch WEITER, weil sie bewegt sich ja wissend & rhizomatisch integer (Grusl) & spiegelt sich quecksilbrig durch alle wirklich unglaublich interessanten Phänomene des Postfordismus (Baby) & Neoliberalismus, vor allem mit der richtigen Intention & dem richtigen (aka den Verhältnissen angemessenen) BewUsstseinUsstseinUsstsein (Left Channel Dub). Aber Hallo: Bitte keine codierten Theorie-Presets, kein Patchworkteppich aus linken Comicsprechblasen für heimelige Denk- & Sei-Zimmer, die sich auch noch für radikal halten, keine locker gebrachten linken Reiz-Wörter aka radikal-semantische Sättigungsbeilagen, die uns fromm & selbstgefällig vom Stuhl furzen lassen, weil, der Text macht’s ja schon, da ist ja Bewusstsein drin (mind. 50% oder sagen wir -), der geht raus in die Realität & dann kannst Du mal sehen! & die kulturellen Träger der Botschaften sind immerwährende Essentials für unser politisches Weiterkommen. Aber sicher doch Herr Lamprecht. Bitte keine konzeptuelle Fragmentierung für den Ausstellungskatalog zum zeitgemässen Thema, bitte keine linksbourgeoise „es ist ja so …“ Essayistik, bitte keine pubertäre Nihilistikstilistik (die sich noch in 50 Jahren stolz & einsam loopt), bitte kein wildes & authentisches Schreiben, krachledernd vor der Bücherwand, mit einem Zeh im neurechten Jugendfeuilletton. Bitte keine Pop-Symbolismen, das neunte Wort ging sauber durch die Birne & dann ins Nirwana & dann in die Charts.
Bitte keine Bombe. Bitte keine Bassdrum. Bitte keine Bitte.
Dieser Artikel bringt wirklich nichts Neues, und das will er auf den Punkt bringen.
PLEASE PLEASE ME (AFTER THE PARTY – HERBST 1997)
Denn letztens musste ich auch zum 1000 & 1ten mal hören: Techno ist tot. Doppelgähn. Ja warum denn auch nicht? Hat Techno halt verkackt, verlassen wir halt diese traurigen Ruinen der Clubkultur inkl. Kameradschaftstechno, Männerbünde, bettnässende DJ-Nutten, hirngepiercte dorschgedrehte Faierfressen mit Zungenrausstreckrampf, aufgeblähte Gastroschweine & tumbdumpfe Veranstalternazis, buntbeschissene Magazine, die eigentlich kritisch berichten wollten, aber wg. Promos & VIP-Cards dann doch alles abfeierten (passt schon), dito korrupte Musikproduzenten, auch & gerade sog. Originators, die DEN Beat schon wieder verwursteten & die ödigsten nichtssagendsten Tracks 1fach MACHTEN, & schliesslich die ehrwürdigen amtlichen Überzeugungstäter, die sich stetig neu in konspirativen Hinterzimmern vereinigten & eine Runde nach der anderen on formalism drive drehten. & die Musi spielt in Ödnis dazu. Ach ja, & Ich & DU & Müllers Kuh.
A new round now. Viele sind stolz auf deutschen Dumm & Böse. Einige machen gleich wieder Punk. Manche antworten mit Noise. Andere sehen Hoffnung in der Improvisation, setzen auf Austausch & Kommunikation, die meisten verwuseln sich jedoch im derzeitigen Freestyle-Terror von „advanced“ Club & Listening Stilen, einer ästhetischen Spezifikation & Diversifizierung, die von vielen Plattenfirmen & Medien wohlwollend gepuscht wird. There is no one nation underground. Wozu auch, was sollte die? Gemeinsam eine Platte gegen die böse Industrie aufnehmen (Do they know it’s business)? Techno war für viele Majors der erneute Blueprint für das Taktieren & Behandeln eines Musikstils, der aus dem klassischen Underground kommt – neue Promo & A&R-Strategien konnten im trial & error Verfahren ausprobiert werden – mit bekanntermassen haarsträubenden Produktergebnissen. Was dabei clever gelernt wurde, zeigt sich jedoch derzeit an Drum & Bass – man lässt den ProduzentInnen ersteinmal so viel Spielraum wie möglich, ködert ab & an mit lukrativen Remixaufträgen, der tödliche Kuss kommt dann auf Raten (Danke, Thomas). Underground ist seit den End60er Jahren bekanntermassen ein kommerzielles Etikettierungslabel, das den KonsumentInnen schneller den Weg zur Ware zeigt. Zudem dient es den ProduzentInnen zur Konsolidisierung der integren dissidenten corporate identity. Das Wort ist nicht totzukriegen, der Mythos lebt! Unwörter wie „Indiependent“ & „Alternative“ halten sich schliesslich auch heute noch in den Promoabteilungen der Firmen & den Produktverkaufsständen der Läden als Sammelbegriff für einen Kulturproduktstil, der den KonsumentInnen mit der Ware gleichzeitig identitätsstiftendes Bewusstsein & Werte verkaufen soll. Gleichsam diese Begriffe, die innerhalb der USamerikanischen Punkszene feste soziale Orte hatten, mittlerweile komplette Verpackungshüllen ohne definierte Inhalte sind, identitätsstiftende Warenwegweiser, nominelle Relikte, die sich kraft ihrer mythischen Aura unreflektiert in den Warenhauskatalog der kapitalistischen Jugendkultur eingeschrieben haben.
VORSPRUNG DURCH TECHNIK
Und Techno? Ja, genau, Techno, Elektro – als ob das ein Bekenntnis für oder gegen irgendwas gewesen wäre! Für was denn? Innovation, Zukunft, Revolte? Arschgeigensolo! Du musst Dich heute VERTEIDIGEN in den stetig enger werdenden sozialen Verhältnissen! Techno als Ausdruck dieser Zeit? Keine Spur! Stattdessen reiten viele elektronische Subkulturprotagonisten auf Formalisierungen & Ausdifferenzierungen herum & betreiben Kunsthandwerk bzw die Transformation von Prog-Rock-Stilen der Früh70er in Elektronik, wo andere nur noch feiste Konsolidisierung des eigenen Geschäfts & wiederum andere weinerliche Technokulturnostalgia & -geschichtsschreibung betreiben, die sich zu allem Überfluss auch noch auf- & abgeklärt bzw. zweckoptimistisch-sinnstiftend gibt. Die ständige Subklassifikation, Diversifizierung & Definitionssuche von Stilen simuliert Bewegung in einem kulturellen Marktsegment, das sowohl ideel als auch kommerziell längst ausgeschlachtet ist. Innerhalb des gesellschaftlichen Spielraumes von Techno entwickelten sich aufgeklärt gebende „elektronische Eliten“, die sich langezeit in einem „Vorsprung durch Technik & Wissen“ wähnten: Wir sind moderner, zeitgemässer, informierter – die pure Selbstdefinition durch das Kulturprodukt, vorgetragen mit dem arroganten Argumentationsgestus herrschender multimedialer Informationseliten.
Techno reflektierte, wie zig Stile kapitalistischer Jugendkultur vorher, NIE & zu keiner Zeit kritisch seine fatale Eingebundenheit & Existenz innerhalb hyperkapitalistischer Verhältnisse. Die einzige Reflektion dieser selbstverständlichen Eingebundenheit bestand bestenfalls in den Kulturprodukten selber anhand der üblichen ästhetischen Spiegelung der Phänomene ihrer ökonomischen Verhältnisse (Brüche, Verfall & Monotonie anstatt vordergründiger blühender bunter Prosperität), ansonsten affirmierte & katalysierte die offizielle Technokultur ihre wirtschaftliche Grundlage und versuchte sich durch massenkompatible Pseudomarginalitätsslogans wie „we are different“, die zu keiner Zeit weder definiert noch eingelöst wurde, einen breitenwirksamen kulturellen Avantgardestatus hegemonial zu definieren, um ihn ökonomisch zu konsolidisieren. Die Fixierung auf den Dancefloor bei Techno wurde anfänglich als Befreiung von herrschaftscodierten Rock- & Kunststrukturen & deren verordneten einseitigen Rezeptionsformen empfunden, erwies sich jedoch wenig später schon zum einen als hervorragender Rockersatz , & zum anderen als willkommene Leerspülung der Rezepienten von kritischem Bewusstsein, da es an jeglichen Inhalten mangelte – dafür taugte die neue Musikform allerdings hervorragend als existenzfüllende Freizeitsedierung & neue Rekrutierungsform für einen neoliberalen Alltag. (Für die Frage, inwiefern nonlinguale Musiken aka ob Sound Attitude bzw Politik verhandeln kann – bitte in TESTCARD 3 / SOUND nachlesen!). An Techno lässt sich erneut zeigen, wie ein ehemals als neu & revolutionär propagierter Musikstil in den Markt diffundierte & ihm dadurch neuen Anschub verlieh. Die sogenannten integren Aktivisten & Propagandisten richteten sich in mehr oder minder lukrativen Nischen ein, künstlichen Paradiesen im friends & family style, & verloren sich in Kumpelnestern & Formalismen eines propagierten „anders als die Anderen“. Politik & kritische Analyse wurde dabei so gut wie immer vergessen bzw weder explizit noch implizit thematisiert. Bewusst(seins)losigkeit durch Technik. Stattdessen gab es Abwertungen konkurrierender Kulturstile: Indie-Rock, Deppen-Techno, simulierte Kriegsschauplätze im handwarmen sicheren Feld der Kultur. Wobei, in alter Popismtradition, Authentizität abgelehnt bzw mit Rock gleichgesetzt wurde. Rock war hier jedoch ein 0-Summenspiel, das erst einmal definiert werden musste, was jedoch – genauso wie bei Techno auch – ausblieb. Techno & elektronische Musik generiert genauso wie Rockmusik die Sucht nach Authentizität & Identität, notfalls im angestrebten Verlust derselben. Es ist per se keine Musik der „Zukunft“, sondern transportiert sich wie jede Ware über das kulturindustrielle IMAGE.
Techno konnte sich das Image einer innovativen & andersartigen Musik nur aufgrund des ersten hysterischen kulturindustriellen Gebotes erarbeiten: DU SOLLST NEU & ANDERS SEIN! Die hysterische Sucht nach dem warenförmigen Neuen & Anderem ist das bestechende Zeichen der kapitalistischen Kulturindustrie. Eine demgegenüber konträr arbeitende kulturpolitische Maxime muss demnach sein: es ist egal, was für eine Zeit wir haben, es ist egal, ob das Kulturprodukt neu oder anders ist oder in welchem installiertem Fakediskurs es sich gerade bewegt – FUCK THE NOVELTY PRESSURE! Es sind nur KUNSTPRODUKTE! Elektronische Eliten jedoch haben sich auf diese kulturindustrielle Logik in dem fatalen Glauben auf eigene Autonomie eingelassen – sie waren & sind in einer haarsträubenden Authentizität elitistisch & wissen selber nicht warum. Bzw. sind dies nur aufgrund ihres Zugehörigkeitsgestus zu einer Kulturform. & wenn mensch Techno als eine noch so aufregende & vitalistische Kraft in seiner eigenen Biographie erfahren & verspürt hat – letztlich hat diese Musikform die Mechanismen der Kulturindustrie & die dazugehörige Entpolitisierung der Rezipienten aka Kunden nur in astreiner Logik wiedergespiegelt. Darüberhinaus wurde mithilfe eines kruden Mix aus Technologie- & Fortschrittsästhetik, dem Verbund mit jungkapitalistischen Informations- & Kapitaleliten, einigen Partikeln aus postmodernem universitärem Philosophiediskurs & tonnenweise altbekannten Clubhedonismen ein hegemonialer Diskurs gestrickt, von dem mittlerweile oft nicht mehr als eine bollernde Bassdrum übriggeblieben ist. Als Bewusstseinsverstärker & Auslöser für politisches Handeln taugt Techno, wie jede andere Popmusik, nur derart amorph & marginal, das es vermessen wäre, dem ein gegengesellschaftspolitisch wirksames Potential zuzuschreiben. Wie gesagt: ein frommer Wunsch. Wer nach Techno noch an eine Popkulturrevolution glaubt bzw. sie anhand der potentiellen Wirksamkeit von Musikultur auf Massenmobilität propagiert, ist naiv bzw. gerissen. Wieder einmal wurde ästhetische Ausformung & Innovation innerhalb von Popmusik mit verändertem gesellschaftlichen Bewusstsein gleichgesetzt. Das Ganze oft festgemacht anhand einer altbekannten futuristischen Faszination für & Fetischisierung von Technik, die deren potentielle gesellschaftlichen Folgen nicht weiter reflektieren will und an der ästhetischen Oberfläche hängenbleibt. Ein (Protest)Song auf der Akustischen hingegen ist genauso Ausdruck der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen wie der vermeintlich politischste Hardcoretechno. Wobei seit langem schon gerade die kulturindustriell vorgefertigten Härtecodierungen des Hardcore (Härtepresets) ein sicherer Garant für dissidente Kundenbefriedigung sind.
& IMMER WIEDER NEU: TEILEN UND HERRSCHEN
Plattenmachen & -hören richtet sich, wie ehedem, als ein symbolischer Akt von Widerstand ein, der aber, & das ist das Entscheidende, nach wie vor innerhalb der normativen Distributionswege des kapitalistischen Musikmarktes funktioniert. Anstatt Versuche einer alternativen Distribution & Ökonomie stattfinden zu lassen, reflektiert der sogenannte Underground in fast allen seinen Erscheinungs- & Auftrittsformen die herrschende Logik der prosperierenden neoliberalen Verhältnisse. Sub- statt Gegenkulturen. Eklatant auffällig ist der schwerstwiegende Effekt des globalen Neoliberalismus & der Deregulierung, die systematische Schwächung & Aushöhlung der Solidarität & Kollektivität der Ausgebeuteten untereinander, auch in vielen subkulturellen Szenen zu beobachten. Gerade in Szenen, wo die Leute doch anders miteinander umgehen & zusammenarbeiten sollten, reproduzieren sich nurmehr die miesesten Umgangsweisen & Verhältnisse des Systems im Mikropolitischen. Logischerweise hat dies eine Geschichte in kapitalistischen Jugendkulturen. In vielen subkulturellen Szenen wurde seit jeher mit Elitismus- & Ausschlussmechanismen hegemonial für die eigenen Interessen gearbeitet, es wurde zielgerichtet codiert & strukturiert: Aufbau einer Definitionsmacht, selbstgefälliges Konkurrenzdenken statt Solidarität, (schein)puristische Abgrenzung statt offener Kommunikation & solidarischer politisch bewusster Netzwerke. Gerade hinsichtlich einer gegenwärtig notwendigen Implantantion einer starken Allianz linksprogressiver Kultur- & Politikaktivisten sind diese üblichen Separierungen jedoch fatale Strategien, die das altherrschaftliche „divide et impera“ – Prinzip der Staatspolitik unterstützen. Stattdessen mal wieder SubkulturStyle Wars. & jede Menge Besserwisserei. Eine Öffnung der elektronischen Eliten fand oft nur zwecks finanzieller Konsolidisierung des Business statt: Disko 2000. Eine Revolution for those who know. But hey – this is all over a long time ago … sinnlose, selbstreferentielle Abfaierai, welche die herrschenden Leistungsprinzipien bereitwillig auf ihr Freizeitverhalten überträgt, als auch sich bewusst gebende abstrakt-wissende & goutierende Eckensteherei sind als Mainframe einer in Schach gehaltenen Freizeitgesellschaft heute definitiv hedonistisch-anachronistisch passé & den nationalen wie auch globalen sozialen Verhältnissen ziemlich unangemessen. 1997: The return of the Faierfresse, abgefüllt mit Faierwasser? Was gibt’s denn da heuer zu feiern? Die eigene Arbeitslosigkeit? Klar sind wir da Spassbremsen! Volle Kanne, vor allem bei zugeknallten Jungkapitalisten, denen gegen Ende des Milleniums wirklich nichts besseres 1fiel, als angesichts der politischen Zustände den Spasskasper aus der KliKlaKlamottenkiste zu holen & uns in Vergnügungsarenen als neuen sinnstiftenden Bleibewert anzupreisen. & in den Kellerklubs nicken die neuen Kunstwarte zum abstract Beat.
Draussen ist feindlich, draussen ist freundlich, draussen ist eigentlich egal.
IM HOTEL ZUM EHRLICHEN UNTERGRUND
Die Frage ist natürlich, wieviel potentielle Dissidenz & Funken für die Entzündung von Revolten mensch dem Feld der Kultur überhaupt zutrauen mag.
Als ob das Bekenntnis zu einem Ausdruck kapitalistischer Kultur jemals ein systemdestabilisierender Faktor gewesen wäre! Als ob das Bekenntnis zu Kultur überhaupt jemals ein systemdestabilisierender Faktor gewesen wäre! Gerade aus dieser Haltung heraus entwickelten Adorno & Horkheimer ja ihre heutzutage von allen Seiten wiederzitierte Kulturindustriethese, welche u.a. besagt, dass Kultur logischerweise nicht vor Barbarei aka deutlich sichtbar zugespitzter Herrschaftspolitik schützt, sondern die Logik & Effizienz des Systems nicht nur sauber stabili- sondern geradezu hypertrophiert – ein theoretisches Diktum, an dem mensch sich, zusammen mit Marcuses Theorie der repressiven Toleranz innerhalb radikalliberaler hochkapitalistischer Strukturverhältnisse, heute noch abzuarbeiten hat, da sich die Verhältnisse, aus denen sich diese Analysen entwickelt haben, seitdem um ein vielfältiges verstärkt & subtil konzentriert haben. Trotzdem wird neuen „undergroundigen“ Kulturformen von Apologeten der Popkultur nach wie vor ein dissidentes Potential zugeschrieben, das diese weder einlösen wollen noch können. Die unselige 80er Jahre Strategie der Überaffirmation des damals gesellschaftlich herrschenden Populären (Der propagierte Effekt war: Heisslaufen des Systems & infolgedessen Implosion) katalysierte das Yuppietum auch in den subkulturellen Bereichen, die man bislang für integer (= festmachbar) gehalten hatte. Begriffsverwirrung, Streit & Hass in vielen subkulturellen Szenen waren die Folge, inklusive den üblichen Ausverkaufsvorwürfen & der Spezifikation des eigenen Gewerbes. Dem Markt war es wie üblich egal, ob eine/r diskurstheoretisch mit Szenebackground die Wirtschaft katalysierte, oder 1fach naiv mit dem Musikgeschmack Asche zum Überleben verdienen wollte. Die Strategie der Überidentifizierung mit dem Business hat sich nun in den 90er Jahren bei vielen ehemaligen Pop-Protagonisten in ein wiederaufgewärmtes & recyceltes dissident & gar politisch korrekt definiertes Undergroundethos transformiert, auf das die Politik vieler derzeitig aktiver Plattenfirmen geradezu aufbaut. Mit fluid-static corporate identity, of course!
Dass Mainstream & Underground/Subkultur nur 2 Seiten einer Münze aus demselben Material sind, ist innerhalb einer kritischen Popmusikanalyse mittlerweile Konsens geworden: Subkulturen & ihre Medien erfüllen eine anerkannte & protegierte Zubringer- & Trendscoutfunktion für die Majors. Diese Symbiose zwischen strukturell einander benötigenden Kultur- bzw Ökonomiefeldern wird jedoch durch den immergrünen Mythos vom ehrlichen Underground & dem des bösen verlogenen Riesenplattenkonzerns fortlaufend verdeckt & fortgeschrieben. Die Verhältnisse & Rahmenbedingungen, aus denen sich dieser Mythos zusammensetzt, bleiben weiterhin opak & unreflektiert, ganz so wie seine Installateure es beabsichtigen.
POP GOES THE PRESIDENT
Das interne Programm der letztjährigen 4. Frankfurter Trendtage hingegen brachte in schöner Offenheit eine Allianz aus Trendinformationsverkäufern, Popkulturbeschäftigten & Wirtschaftsmanagement auf den Plan, in welcher Techno offen als Marketingartikel angepriesen wurde. Namhafte Beteiligte des Techno-Business verkauften Wirtschaftsführern offen die kleinen & grossen Geheimnisse ihrer Szene, die den Weg zur Zielgruppe frei machen sollten, inkl. offizieller Clubtour mit dem Technomedia Geschäftsführer Jürgen Laarmann als Host. Seilschaften aus ehemaligen Subkulturaktivisten, etablierten Medienarbeitern & Unternehmen sind derzeit häufig zu beobachten. Sie werden zukünftig für die Rahmenbedingungen einer offiziellen deregulierten Popkulturhegemonie sorgen, welche die altbourgeoise okzidentale E-Kultur in geraumer Zeit ablösen wird (Deren Klientel übrigens buchstäblich wegstirbt. Die Panikfrage der Musikindustrie ist bekanntlich: Was tun mit den sleepern, den kapitalkräftigen Mittvierzigermarktsegmenten, welche für die auf Jugendlichkeit & Schnelligkeit fixierte Popkultur kein Interesse & keine Konzentration haben). Der nächste grosse Schritt ist demnach die strategische Einbindung der herrschenden Politik in die eigenen Businesstrategien. Auf der 97er Popkomm fand ein signalsetzendes Panel zum Thema „Pop & Politik“ statt: VIVA Gorny forderte FDP Westerwelle & SPD Clement mit gespielter Erbostheit auf, endlich die enorme ökonomische Kapazität des Popbusiness anzuerkennen, worauf die Strukturpolitiker am Ende der Diskussion versprachen, sich demnächst mit allen Beteiligten an einen Tisch zu setzen, um endlich standortsichere Rahmenbedingungen aka sichere Gesetze für nationale Popgeschäfte zu schaffen. Für die Volkswagen Sound Foundation, eine firmeninitiierte Nachwuchsförderung, schliesslich posieren Gorny, Gerhard Schröder & VW Kommunikationsvorstand Kocks als Bandstand. & natürlich haben wir Clinton mit dem Saxophon & Jelzin tanzend mit einer Rock’n Roll Band auf der Bühne – die neuen mythenschaffenden Leit-Bilder einer postmodernen bunten Pop-Politik.
Diese globale Hegemonie & Akzeptanz einer multinationalen Popkultur erklärt auch, warum viele anpolitisierte Popaktivisten nicht von ihrem erklärtem Lieblingsspielplatz lassen wollen: Kultur, respektive Popkultur sei mittlerweile 1fach zu wichtig, um es aufzugeben, & der Transformation der Popkultur zur offiziellen Herrschaftskultur sei nur beizukommen, wenn man rechtzeitig an ihr partizipiere & sie intern zu bestimmen versuche. Ein Marsch durch die Medien, um eigene Richtwerte & Definitionen zu bestimmen innerhalb einer postmodernen hyperkapitalistischen Konsenspopkultur.
WE’RE LOST IN CULTURE – WE’RE CAUGHT IN A TRAP – THERE’S NO TURNING BACK – WE’RE LOST IN CULTURE
Warum aber diese unaufhörliche Popmusikbeschäftigung & -verteidigung, dieses Ringen um eine kulturell hegemoniale Definitionsmacht, das sich als Politik (miss)versteht?
Warum Jugendinitiationserlebnisse als politisch glorifizieren & verklären & sich gegenseitig am virtuellen Lagerfeuer das Popprotestsong- & trackarchiv vorzitieren? Warum Kennerschaft beweisen & eine der bürgerlichen Wissenschaft erschreckend gleichkommenden Sammel- & Definitionspräzision entgegensetzen, wo es doch letztlich um konkrete handliche Analyse & vor allem um politische Aktion gehen sollte?!
Es kann dem Selbstverständnis einer politischen Praxis nicht angemessen sein, Kultur & insbesondere Musik, welche als kulturelles Initiationserlebnis erfahren wurde, als politisches Handlungsterrain zu markieren, auszubauen & zu konsolidieren & sich auf Dauer auf diesem Terrain marktgerecht zu etablieren.
Und diese kulturradikalen Biotope dann auch noch marktschreierisch als antikapitalistisch zu codieren. Genauso unangemessen ist es, Musik als symbolisches politisches Handlungsterrain auszuzeichnen & damit & innerhalb dessen – & oft NUR innerhalb dessen! – zu arbeiten. Das Schreiben & Politisieren über Musik ist oft nicht mehr als eine selbstgemachte politische Pseudo-Praxis, die sich vor einer konkreten politischen Auseinandersetzung in ein „sicheres“ Feld zurückzieht. Zudem greifen innerhalb des selbstausgesuchten politischen „Handlungs“Terrains – wie zb. der Verhandlung & Präsentation von Texten & Theorien über Musik – im kulturindustriellen Kontext mehr oder minder latente Mechanismen des herrschenden Neoliberalismus (Verschärfte Konkurrenz, Marktverdrängung, Sozialdarwinismen, Untergrabung von Solidarität & Kooperation) innerhalb einer linken Gegenöffentlichkeit. Strukturdirektiven wie Dezentralisierung & Segregation, zwecks Kontrolle, Effizienzsteigerung & Gewinnmaximierung kapitalistisch-reaktionär umcodiert & als postfordistisches Konzept verfügbar gemacht, schleichen sich in ihrer ungespiegelten & undekonstruierten Form latent auch in die gegenkulturellen Medien & Bewegungen ein & schlagen sich vehement im Umgang verschiedenster linkspolitischer Gruppierungen nieder.
Ohne dem eine leicht zu folgende humanistische Konzeption von Einigkeit entgegenzusetzen ist zu fragen: Wie ist dagegen anzugehen, mit dem Ziel, linke Inhalte nicht nur partikular zu vertreten, sondern auch universal umzusetzen? Inwiefern ist eine kultur-politische Kritik der Kulturindustrie von einer sich autonom gebenden Plattform möglich? Wie ist eine Kritik des Systems innerhalb seiner Strukturen möglich & leistbar, wenn die PartizipantInnen nicht stetig ihr Eingebundensein in diese Strukturen mitreflektieren als wie auch gleichsam ihre radikale Ablehnung derselben?
Ein Feuerwerk der Fragen. Mit dem grundsätzlichem Fazit:
Das Verharren & Austoben im symbolischen Feld von Kultur (& auch Theorie) ist ein sicherer hausgemachter Kriegsschauplatz & ist das, was zur Zeit wirklich ÜBERALL passiert. Das fabrikationsartige Herstellen von linksliberalen bzw kulturlinken Diskursen, die sich in ihrer Pseudoradikalität & Rigorosität oft aufgeklärter & weiter gebieren als der & die „normale“ politisch Betroffene, ist nicht nur einer progressiven politischen Praxis unangemessen, sondern bindet durch diese nervenden Fake-Diskurse (Gerede herstellen, um im Gerede zu bleiben) letztlich unnötige Kräfte innerhalb gegenkulturpolitischer Bewegungen. Pop als Subversionsmodell für Politik zu benutzen & zu proklamieren, dieses Modell „Subkultur“ hat sich nicht erst jetzt als falsch erwiesen, es war immer schon verfehlt! & jetzt ist es endgültig passé.
Popkultur ist, wie jede Kulturform zuvor, nicht per se mit dissidentem & subversivem Potential gesegnet, sondern geradezu DER ideale Transmitter & Vermittler von hochkapitalistischer Logik, Prinzipien & Technik. Bereits Kinder bekommen durch Popkultur die wichtigsten Techniken & Werte des kapitalistischen Umgangs vermittelt. Die faszinierte & explizite Beschäftigung mit Popkultur ist entgegen aller Beteuerungen der Theorieproduzenten & Popkulturarbeiter verlängerte Kindheit & ein murrend-wohlwollendes Einrichten in der heimeligen Kultur der schlechten Verhältnisse. Mensch sollte meinen, die Demontage vom Mythos „Pop & Politik“ sei mittlerweile obsolet geworden. Trotzdem wird an dieser Mythenlegende noch eifrig weiter gestrickt, unter dem reflektiert-diskursivem Deckmantel eines new academism & kulturlinker cultural studies z.B.. Der falsche Respekt der Hipster vor Subkulturen & ihrem vermeintlichem Vitalismus hat sich innerhalb der 90er Jahre in ein hegemoniales bohoakademistisches cultural studies Konzept umtransformiert, welches marginale & privatistische Faktenhuberei mit progressiven Gesinnungspartikeln & seriöser akademischer Rethorik anreichert & präsentiert & die dadurch selbstinstallierten subkulturellen Mediendiskurse als Politik verstanden wissen will. In Wahrheit geht es um Gramsci’s Asche als schablonenhaften Karriere-Blueprint für die Inkorporation der Universitäten.
ABER DIE PLATTENKRITIK ALS ORT POLITISCHER INHALTE?
Who do you think you’re fooling? Anstatt ständig neue alternative Warenkunde zu betreiben, sollten die Protagonisten einer „kritisch-diskursiven Popkultur“ in ihren Medien besser explizitere politische Ökonomie betreiben, was den meisten logischerweise viel zu unsexy ist.
Ein Beispiel: Die CD-Verkaufspreise sind nach wie vor derart wichtig, aber welches Musikmagazin thematisiert schon die immer noch immens hohen Preise der Kulturprodukte, die sie behandeln? Wer analysiert kompakt die komplexen Wertgesetze der Musikindustrie? Dann verpissen sich nämlich die typischen Journalistenschreibweisen der bemusterten Schnuckis wie „Kaufen! … Braucht man … unverzichtbare Killerplatte … absolutes Pflichtteil“ usw usf.
WHY PEOPLE JUST DON’T CHANGE
Weil’s doch so gemütlich ist in Kulturland. „Kennst Du … Kennst Du das nicht? Das kennst Du nicht?“ ist immer noch der Klassiker unter den Sprüchen der Kultur-Addicts, zwecks Disziplinierung der Uninformierten & des rise & shine des eigenen cultural knowledge a gogo gebraucht. Und leider ist Release X auf Label Y für viele politisch bewusste Menschen auch heute immer noch wichtiger & thematisierungswürdiger als die harten Fakten der politischen Realität, die sie umgibt. Kultur ist die schönstbeste Ablenkung von all dem Scheiss, also zelebrieren wir sie – kritisch, versteht sich. Wie heisst es doch so schön in dem mördermässig restaurativen Kulturprodukt „Die Fledermaus“:
Glücklich ist / Wer vergisst / Was doch nicht zu ändern ist.
Pop goes the brain.
NACHTRAG: POP-SHOP NACH LADENSCHLUSS
Dieser Text will explizit keine „neue“ Theorie für einen in letzter Zeit steigenden Theoriekonsum bezüglich „Pop & Politik“ bereitstellen. Bloss kein neuer Stein der Weisen oder eine Agenda für zukünftige Revohoholten. Man sagte mir jedoch, er könne als eine Aufforderung zu mehr Aufrichtigkeit gelesen & missverstanden werden. In einem Feld wie der kapitalistischen Kulturindustrie käme dies in der Tat einer naiven Paradoxie gleich. Jedes Plädoyer für mehr Integrität & Solidarität innerhalb dieses übercodierten Strukturrahmens, in dem das Wertgesetz & die Warenlogik die Inhalte diktiert, wäre in der Tat mehr als verdächtig, gerade in einem System, in dem scheinbar geschlossene Integrität & Authentizität hilft, eine Ware (ein Kulturprodukt) besser zu verkaufen – bzw. oft Grundvoraussetzung dafür ist. Von daher gibt es hier keine Kritik an einem Ausverkauf innerhalb von Marktsegmenten, die immer schon verkauften & nie etwas anderes wollten, & auch logischerweise keine Sehnsucht nach einer Unmittelbarkeit & Authentizität innerhalb eines Feldes, das sich durch Mythos & Mimikry nährt & definiert. Klar gibt es keinen „Verrat“ am Ursprung der guten Kunst, keine heilige Unschuld einer Kulturform & erst recht keinen „politischen Kampf“ mittels Popkulturindustrie. Gerade diese korporierten Identitätsmythen sind die immergrünen verkaufsfördernden Hilfsmittel. Mittlerweile ist jedoch die Desillusionierung über die „verlorene“ Kampfkraft der Kultur in den Subkulturnischen zu einem oft zu beobachtenden pragmatischen Zynismus diffundiert. Die Strukturtautologen der subkulturellen Medien setzen sich auf dem Markt der Inhalte eben effizienter durch. Die zunehmende Abwertung des „Subversionsmodells Pop“ durch gezielte linke Kritik ist also gerade hinsichtlich der globalen Hegemonie dieser kapitalistischen Konsenskultur weiter zu leisten. Demgegenüber sollte jedoch auch, bei aller berechtigten Desillusionierung, fleissigen De-essentialisierung & Mythendekonstruktion bis auf die Knochen überlegt werden, wo denn letztlich noch konkrete & kommunikative Ausgangspunkte für weiterführendes politisches Handeln bereitstehen & wie diese fruchtbar gemacht werden können. Dass sie nicht innerhalb von Popmusik liegen, sollte mittlerweile klar sein – Kultur ist nicht gleich Politik, sondern nur eine dem Politischen & der Ökonomie komplimentäre Form.
(Testcard)